EU-Parlament stimmt über Asylreform ab: Langsamer rein, schneller raus

Das EU-Parlament stimmt am Mittwoch über Asylverfahren schon an den Außengrenzen und schnellere Abschiebungen ab. Men­schen­recht­le­r:in­nen stöhnen.

Startendes Flugzeug hinter Stacheldraht

Höhere Hürden bei der Einreise, Düsenantrieb bei Abschiebungen: die EU-Asylreform in einem Bild Foto: dpa

BRÜSSEL/BERLIN afp/epd | Vor dem entscheidenden Votum über die neuen Asyl- und Migrationsregeln der Europäischen Union haben Europaabgeordnete Mängel eingeräumt. Das Paket sei nicht perfekt – aber das Beste, was in jahrelangen Verhandlungen habe erzielt werden können, sagten Parlamentarier vor der Abstimmung am Mittwochnachmittag in Brüssel.

Am Mittwoch will das EU-Parlament in Brüssel über das Gesetzespaket zur EU-Asylreform abstimmen. Menschenrechts- und Flüchtlingsorganisationen sehen das Asylrecht in Gefahr, wenn die Pläne durchgehen.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hat vor der Abstimmung an die Abgeordneten appelliert, der Neuregelung zuzustimmen. Es sei von größter Bedeutung, dass das Europäische Parlament dem neuen Gemeinsamen Europäischen Asylsystem zustimme, sagte Faeser dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Man dürfe dieses Thema nicht den Rechtspopulisten überlassen, die Menschen in Not für ihre Stimmungsmache missbrauchten.

Asylverfahren schon an den EU-Außengrenzen

Mit der Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (Geas) will die EU die Lehren aus den Jahren 2015 und 2016 ziehen, als mehr als eine Million Menschen allein nach Deutschland kamen. Auf die Grundzüge hatten sich das Europaparlament und die 27 Mitgliedsländer bereits im Dezember geeinigt: Asylverfahren erstmals direkt an Europas Außengrenzen, beschleunigte Rückführungen auch in „sichere“ Drittländer und einen Solidaritätsmechanismus zur Entlastung von Hauptankunftsländern wie Italien und Griechenland.

Es gebe viele kritische Punkte in dem Gesetzespaket, sagt die SPD-Politikerin Birgit Sippel, die die neuen Regeln für das Parlament mit ausgehandelt hat. Zur Fachkräfteeinwanderung etwa sei nichts vorgesehen. „Wir haben aber die Chance auf ein gemeinsames System, und das ist gut“, betont Sippel.

Zum Jubeln sei ihr nicht zumute, räumt auch die niederländische Liberale Sophie in 't Veld ein. Es sei allerdings eine „völlige Illusion“ zu glauben, die Regeln könnten später noch nachgebessert werden, mahnt sie unter Anspielung auf den erwarteten Rechtsruck bei den Europawahlen Anfang Juni.

Menschenrechtsorganisationen warnen

Ein breites Bündnis aus mehr als 160 europäischen Menschenrechts- und Flüchtlingsorganisationen warnt, die neuen Regeln könnten „die Grundrechte aushöhlen“. Zudem gäben sie keine Antwort auf zentrale Probleme wie den Tod von Bootsflüchtlingen im Mittelmeer, heißt es in einem Brandbrief, den unter anderem Amnesty International, Ärzte ohne Grenzen und Pro Asyl unterzeichnet haben.

Positiv wertet die CDU-Europaabgeordnete Lena Düpont, dass der Asylpakt „das Hangeln von Notlösung zu Notlösung“ in Europas Asylpolitik seit 2016 beendet. „Kurzfristige Lösungen“ böten die Regeln allerdings nicht, sagt Düpont. Ihre bis 2026 geplante Umsetzung werde noch „eine Mammutaufgabe für die Europäische Union“. Denn an den Außengrenzen müssen zehntausende neue Aufnahmeplätze geschaffen werden. Kritiker befürchten haftähnliche Bedingungen.

Von einem „Pakt der Schande“ spricht Cornelia Ernst von der Linkspartei. Sogar Familien mit Kindern würden „in Grenzverfahren eingesperrt, um dann in sogenannte ‚sichere Drittstaaten‘ abgeschoben zu werden“, klagt sie. „Damit ist das individuelle Recht auf Asyl in der EU de facto tot.“

Parteien am linken wie am rechten Rand wollen gegen den Asylpakt stimmen, auch bei den Grünen gibt es viel Kritik. Fallen einzelne der Gesetzestexte durch, hätte das Parlament ein Problem, denn es hatte auf einer Paketlösung bestanden.

Rechten ist das alles viel zu lasch

Vor allem im rechten politischen Lager glaubt kaum jemand, dass der Asylpakt zu einem deutlichen Rückgang der Migrantenzahlen führt. Im vergangenen Jahr hatte die EU-Asylagentur gut 1,1 Millionen Anträge verzeichnet, den höchsten Wert seit 2016. Mit gut 330.000 entfielen ein Drittel davon auf Deutschland als größtes Mitgliedsland.

Nicht eingerechnet sind die Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine, die einen besonderen Schutz in Europa genießen. Von ihnen haben mehr als eine Million in Deutschland Zuflucht gefunden, vier Millionen sind es in der ganzen EU.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.