EU-Sanktionen gegen Sied­le­r*in­nen: Ben & Jerry's als Vorbild der EU

Sanktionen und Boykotts gegen Israel sollten immer kritisch geprüft werden. Doch die geplanten EU-Sanktionen gegen Sied­le­r*in­nen sind richtig.

Ein Hündchen trägt eine Halskrause mit Davidsternen und Pappdeckel mit Werbung des Eismarke Ben und Jerrys

New York, 12.08.2012: Protest gegen Ben & Jerry's Entscheidung, Eiscreme im Westjordanland zu verkaufen Foto: Lev Radin/Pacific Press Agency/imago

Ein Quantensprung in der europäischen Nahostpolitik sind sie nicht, die Sanktionen gegen extremistische Sied­le­r*in­nen, die die europäischen Au­ßen­mi­nis­te­r*in­nen am Montagnachmittag auf den Weg bringen wollten. Auf die Situation im Westjordanland dürften sie wenig Einfluss haben. Und doch ginge der Schritt über Symbolpolitik hinaus.

Zum ersten Mal würde die EU mit solchen Sanktionen nicht nur in Worten mahnen, die an Netanjahus Regierung sowieso folgenlos vorbeiziehen würden. Sie würde auch Maßnahmen erlassen, als Reaktion auf die Gewalt von Siedlern gegen Pa­läs­ti­nen­se­r*in­nen.

Doch die Gewalt der Sied­le­r*in­nen ist das eine, viel grundlegender ist das Problem der Siedlungspolitik an sich. Kurz nach dem Sechstagekrieg 1967 und dem Beginn der Besatzung des Westjordanlands wurden die ersten Siedlungen gebaut. Seitdem hat jede israelische Regierung die Siedlungspolitik mitgetragen – und damit die Chance für einen palästinensischen Staat bis zur Unkenntlichkeit schwinden lassen.

Die Frage, die sich die EU stellen sollte, lautet: Wie kann man den Druck auf die israelische Regierung so gestalten, dass sie ihre Besatzungspolitik aufgibt? Inspirieren lassen könnte sich die EU von der Eiscremefirma Ben & Jerry’s, die vor drei Jahren aus Protest gegen die Besatzung den Verkauf von Speiseeis in den Siedlungen gestoppt hat – wohlgemerkt ging es dabei nicht um einen Boykott des gesamten Staates Israel.

Wen stärken wir, wenn wir zu wenig Druck ausüben?

Gleichzeitig sollten wir auch immer diese Frage stellen: Wen stärken wir, wenn wir zu wenig Druck ausüben?

Denn ja, wenn wir in Europa über Sanktionen gegen Israel nachdenken, drängt sich die Erinnerung an die Shoah („Kauft nicht bei Juden“) und damit ein ungutes Gefühl auf – zu Recht. Antisemitismus existiert nicht nur in den Köpfen schuldbewusster Deutscher. Die Frage, ob Maßnahmen gegen Israel doppelten Standards folgen oder antisemitisch sind, kann man nicht unter den Tisch fallen lassen – besonders nicht dieser Tage.

Gleichzeitig sollten wir auch immer diese Frage stellen: Wen stärken wir, wenn wir zu wenig Druck ausüben? Die progressiven Israelis und die Besatzungskritiker*innen, die sich für Frieden einsetzen? Oder Netanjahus extrem rechte Regierung, die zu bedeutenden Teilen aus Sied­le­r*in­nen besteht und gerade das Land in den Abgrund treibt?

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Jahrgang 1979, Auslandsredakteurin, zuvor von 2019 bis 2023 Korrespondentin für Israel und die palästinensischen Gebiete.

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