Englisch in der Ukraine: No Ukrainian, please

Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski möchte, dass seine Bevölkerung besser Englisch spricht. Kinofilme sollen aber weiterhin übersetzt werden.

Selenski auf einer Kinoleinwand

Auch in der Filmszene unterwegs: Wolodimir Selenski, zugeschaltet bei den Filmfestspielen in Cannes Foto: Eric Gaillard/reuters

LUZK taz | Die ukrainische Filmübersetzerindustrie kann aufatmen. In Kinos und im Fernsehen werden englischsprachige Filme auch zukünftig auf Ukrainisch gezeigt. Eine Verpflichtung, wonach zum Beispiel Streifen aus den USA ohne entsprechende Synchronisation oder gar in Originalsprache laufen sollten, zog die Regierung von Präsident Wolodomir Selenski in der vergangenen Woche zurück. Zuvor hatte das ukrai­nische Parlament heftige Kritik an dem Vorhaben geäußert. Laut der Abgeordneten Jewgenija Krawtschuk habe es viele Fragen zum Schutz der ukrainischen Sprache gegeben.

Die Initiative war Teil eines Gesetzentwurfes, den Selenski Ende Juni dem Parlament zur Prüfung vorlegen ließ. Laut diesem soll der Gebrauch der englischen Sprache in der Ukraine ausgeweitet werden. Die Logik von Selenski dahinter: Die Ukraine habe den Status eines EU-Beitrittskandidaten, daher müssten existierende Sprachbarrieren überwunden werden.

Er stieß damit auf gehörigen Unmut in der Filmszene. Oksana Chwalewa, Direktorin des Lwiwer Kino-Netzwerkes „Planeta Kino“ sagte, dass diese Entscheidung nicht nur die ukrainische Synchronindustrie zerstören, sondern auch zu sinkenden Zuschauerzahlen in den Kinosälen führen würde.

„Bei einem 3D-Film können Untertitel nicht gelesen werden. Die Unmöglichkeit, Filme auf Ukrainisch zu sehen, wird vor allem Familien von einem Kinobesuch abhalten. Ein vierjähriges Kind, das kein Englisch versteht, wird sich langweilen. Und älteres Publikum wird abgeschreckt, weil an sowjetischen Schulen nicht gut Englisch unterrichtet wurde“, sagt Chwalewa.

Russische Sprache würde gestärkt werden

Für sie bringt Englisch im Kino noch ein weiteres Problem mit sich: die Stärkung der russischen Sprache. Wenn in den Kinos keine Zeichentrickfilme mehr auf Ukrainisch liefen, würden Eltern im Internet nach Raubkopien suchen. Und davon seien viele auf Russisch.

Dem ukrainischen Wissenschaftler, Übersetzer und Schriftsteller Maxim Stricha zufolge ist es eine Sache, von einer Person zu verlangen, bei der Arbeit auf Englisch zu kommunizieren. Etwas ganz anderes hingegen sei es, jemanden zu verpflichten, ein beliebtes Kulturprodukt in einer Fremdsprache zu konsumieren. „Im emotionalen Bereich gibt es Dinge, die man am besten in der Muttersprache wahrnimmt.“

Auch mit den anderen Teilen des Sprachgesetzes möchte sich das ukrainische Parlament noch beschäftigen. Stimmt eine Mehrheit der Abgeordneten dafür, wären eine große Zahl von Spitzenbeamten, Chefs staatlicher Unternehmen, Armeeoffizieren, Staatsanwälten sowie alle Polizisten dazu verpflichtet, gutes Englisch zu sprechen.

Für sie soll in dem Fall eine kostenlose Prüfung eingeführt und ab einem Kenntnisstand auf dem Niveau B2 eine Gehaltserhöhung von zehn Prozent gezahlt werden. Der Staat würde die Kosten für anfallende Sprachkurse übernehmen.

Englisch als Hauptfach

In medizinischen Einrichtungen, auf Bahnhöfen und auf Flughäfen soll für Ausländer ebenfalls eine klare Kommunikation auf Englisch möglich sein. In Schulen würde Englisch zukünftig verpflichtend als erste oder zweite Fremdsprache gelten. Fürderhin müssten Informationen in Museen und Websites von Bildungseinrichtungen auf Englisch vorliegen. Man könnte also sagen: Nur im Kino nicht Neues.

Aus dem Russischen: Barbara Oertel

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