Fachkräfte für die Ukraine: Wiederaufbau als Waffe

Für den Wiederaufbau der Ukraine werden jede Menge Fachkräfte gesucht. Doch die Kriegslage hindert viele Menschen daran, zurückzukehren.

Zerstörte Häuser in einem ukrainischen Wohngebiet

Zerstörtes Land: Der Wiederaufbau der Ukraine wird Milliarden kosten Foto: Uncredited/https://photonew.ukrinform.com/ Ukrinform/dpa

BERLIN taz | Luftverteidigung, Luftverteidigung, Luftverteidigung – alle Initiativen für den Wiederaufbau der Ukraine überschatten die Forderung nach mehr Waffensystemen. Der ukrainische Botschafter Olexij Makejew in Deutschland brachte es an diesem Freitag auf den Punkt: „Je besser wir vor russischen Raketen geschützt werden, desto früher wird die Ukraine wieder aufgebaut.“

Und er fordert ganz konkret: Sieben neue Patriot-Luftabwehrsysteme brauche die Ukraine. Deutschland hat ein drittes Gerät dieser Art bereits zugesagt. Am Freitag wollen die Verbündeten in einer Videoschalte des sogenannten Ramstein-Formats über weitere Zusagen sprechen, um die Lücke zu stopfen.

Makejew geht es aber nicht nur um militärische Hilfen. „Der Wiederaufbau ist unsere psychologische Waffe“, sagte der ukrainische Botschafter. Deutschland will auch hier eine entscheidende Rolle spielen. Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) kündigte am Freitag in Berlin eine Skill Alliance for Ukraine an – eine Fachkräfte-Allianz. Es fehle an Handwerker:innen, an Architekt:innen, an Psycholog:innen. Insbesondere im Energie- und Gesundheitssektor würden viele qualifizierte Kräfte gebraucht.

Eindrücklich schildert Schulze die Unterstützung für eine Berufsschule in Dnipro. Bei einem russischen Raketenangriff sei die Schule stark beschädigt worden. Dank der Ausbildungshilfe konnten die Schü­le­r:in­nen selbst wieder das Gebäude reparieren. Russland könne Stromleitungen zerstören – aber nicht das Wissen, wie diese wieder aufgebaut werden, lautet Schulzes Credo.

Auf die „Trümmerfrauen“ kommt es an

Die Bundesentwicklungsministerin will vor allem Frauen unterstützen. Und sie scheut nicht den Vergleich mit den „Trümmerfrauen“, die nach dem Zweiten Weltkrieg Deutschland wieder aufbauten. Während die Männer an der Front sind, bleiben die Frauen zurück. Die Zahl der Kriegsversehrten steigt zudem – auch deshalb hängt viel am Einsatz der Frauen für die Zukunft des Landes.

Laut Makejew haben mehr als 50 Prozent der Ukrainer:innen, die im Ausland vor den Kriegswirren Zuflucht suchten, einen Hochschulabschluss. Der „Brain-Drain“ – also der Weggang von hochqualifizierten Menschen – mache ihm Sorgen. Aber: Sicherheit sei die Motivation, zurückzukehren. Er forderte deutsche Unternehmen auf, in die Ukraine zu investieren. Neben Verteidigungssystemen seien Häuser und Jobs der Antrieb.

Einer Erhebung des ukrainischen Centre for Economic Strategy zufolge wollen derzeit nur rund 60 Prozent der Geflüchteten wieder zurückkehren. Vor rund zwei Jahren waren es noch etwa 80 Prozent. Auch Entschädigungszahlungen für zerstörte Häuser oder Darlehen für den Wiedereinstieg könnten derzeit nur wenig helfen. Über allem schwebt die Angst vor russischen Bomben und Raketen.

Fachkräftemangel auch in Deutschland

Mitte Juni soll die Fachkräfte-Allianz an den Start gehen. Dann laden Bundeskanzler Olaf Scholz und der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj in Berlin zur dritten Wiederaufbaukonferenz ein. Im Fokus steht vor allem die Zivilgesellschaft. Privatwirtschaft, Politik und internationale Verbündete wollen sicherstellen, dass Geld zur Verfügung gestellt wird. Ukrainischen Schätzungen zufolge werden rund 450 Milliarden Euro gebraucht, um das Land im Krieg wieder aufzubauen. Eine Aufgabe, die Jahrzehnte dauern wird.

Schulze und Makejew werden nicht müde, zu erklären, dass die Ukraine auf dem Weg zum EU-Beitritt auch für Deutschland ein lukrativer Arbeits- und Wirtschaftsmarkt werden wird. Aber es bleibt das Spannungsfeld, dass auch in Deutschland Fachkräfte händeringend gesucht werden – und gut ausgebildete Ukrai­ne­r:in­nen hierzulande Jobs finden, wenn die Sprachbarriere abgebaut ist. Der Anspruch der Initiative: Am Ende sollen die Menschen selbst entscheiden können, wo sie arbeiten wollen.

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