Fantasien beim Sex: Zuweilen braucht’s Kopfkino

Manchmal reicht es beim Sex nicht, sich aufs Hier und Jetzt und den oder die Part­ne­r*in zu konzentrieren. Zum Glück gibt's die Fantasie.

Schauspieler Regé-Jean Page als der adelige Duke in der Netflix Serie Bridgerton - im Hintergrund ein Diener mit weisser Perücke

Mit dem „Duke“ aus „Bridgerton“ in Fantasien abgleiten im Zeichen der Lust Foto: Liam Daniel/netflix

Manchmal bin ich beim Sex noch nicht richtig eingestimmt, vielleicht weil ich noch halb im Alltag hafte, oder aus anderen Gründen. Dann gleite ich in eine Fantasie. Während sich der Mann also abstrampelt, für mich zärtlich und sexy zu sein, spiele ich vorm inneren Auge ein pornografisches Gegenprogramm: Hugh Jackman mit Ballgag oder den „Duke“ aus „Bridgerton“ oder Söder und Maas bei der Gartenarbeit. Das tut mir ein bisschen leid, ich sollte mich aufs Hier und Jetzt konzentrieren, auf meinen Partner, das wäre zumindest höflich.

In der Süddeutschen vom Wochenende hat der Philosoph Slavoj Žižek laut darüber nachgedacht, warum man sich beim Sex eigentlich der Fantasien bedient. „Man hat ja schon die Sache selbst. Warum braucht man verbale Supplemente?“, wundert er sich und sieht darin „die fundamentale Erfahrung des Scheiterns beim Sex“.

Auf die Idee ist Žižek durch eine Anekdote gekommen, in der ein Pornodarsteller beim Dreh nach dem Handy greift – um sich per Video zur Erektion zu verhelfen. Eigentlich braucht einen das nicht zu wundern, schließlich ist so ein Pornodreh Arbeit und kein Abend am Kaminfeuer, aber to be fair: Žižek findet nichts Schlimmes am Scheitern, und es geht ihm wohl auch nicht darum, zu werten.

Wahrscheinlich will er bloß den Sex dem Griff der Perfektion entreißen, das ist mir grundsätzlich sympathisch. Trotzdem schaut der Philosoph erst mal pessimistisch auf sein Forschungsergebnis, empfindet die Fantasiererei als Behelf. Für mich hingegen muss nicht alles ­Behelf sein, was schlicht hilfreich ist.

Parallelen zur Stimme

Ich sehe beim sexuellen Apparat Parallelen zur Stimme. Genau wie die Stimme lässt er sich leider nur zum Teil bewusst kontrollieren. Im Gesangs- oder Sprechunterricht arbeitet man deshalb mit mentalen Bildern, um eine bestimmte Konfiguration von Kehlkopf, Brustraum und Beckenboden herzustellen, die dann besonders schön klingt, weit trägt und schonend ist.

In meinem Stimmtraining habe ich unzählige unsichtbare Bäume umarmt, imaginäre Crêpes zubereitet und in Landschaftsgemälde hineingesungen. Die Fantasiewelt hilft dem Körper, sich an den richtigen Stellen anzuspannen – oder zu entspannen.

Manche brauchen das nicht, sie sprechen deutlich und resonant, wann immer sie etwas zu sagen haben, und sie sind geil und relaxt, wann immer sie Sex haben wollen. Bei mir ist das nicht so, da mag ich noch so sehr wollen und das Gegenüber noch so zärtlich sein. Also umarme ich Bäume. Beziehungsweise stelle mir etwas vor, das dazu in der Lage ist, die erogenen Zonen zu aktivieren, die Körperöffnungen zu entspannen, oder was auch immer ich grade brauche.

Ich hoffe doch, dass es kein Scheitern ist, wenn man sich in die Lage versetzen kann, sich selber zu erregen. Das schafft schließlich beste Voraussetzungen für eine sexy Koproduktion. Besonders, wenn man die Fantasien dann auch noch der oder dem anderen mitteilt.

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