Festival Worldtronics: Die Elektroniker der Volksrepublik

Im Haus der Kulturen der Welt kann man wieder elektronische Musik aus wenig bekannten Klangregionen kennen lernen. Zum Beispiel aus China.

DeadJ im Taikonauten-Outfit. Bild: Chen Xiongwei, Jiang Hua

Und wie viele elektronische Musiker aus China kennen Sie? Wenn am Mittwoch im Haus der Kulturen der Welt die sechste Ausgabe des Festivals Worldtronics beginnt, kann man sich erneut derlei Fragen stellen und zum Teil erstaunliche Antworten erhalten. Neben House Music aus Südafrika oder neueren Entwicklungen aus dem Nordosten Brasiliens, wo beim „Tecno Brega“ schlagerartige Melodien ein energisches elektronisches Beatgerüst verpasst bekommen, wird in diesem Jahr nämlich erstmals ausführlicher die elektronische Musikszene Chinas vorgestellt.

Bei über einer Milliarde Einwohnern sollte man annehmen dürfen, dass sich in China auch eine beträchtliche Zahl an Elektronikern findet, die dort mit Computern, Synthesizern und Ähnlichem experimentieren. Doch die Entwicklung der elektronischen Musik in der Volksrepublik verlief entschieden anders als in Europa und den USA. „Die chinesische Elektronikszene hat eine ganz andere und sehr junge Geschichte“, so der Berliner Markus M. Schneider, der seit 2011 in Beijing mit Mumu Wang die Internetplattform Metrowaves betreibt, die es sich zum Ziel gesetzt hat, elektronische Musik in China zu fördern. Metrowaves hat auch das Programm des China-Abends am Donnerstag zusammengestellt, bei dem Künstler und Bands wie DeadJ, White+, Yan Yulong, Choi Sai-ho oder Duck Fight Goose erwartet werden.

Elektronische Musik ist in China mit einiger Zeitverzögerung entstanden. „Die erste westliche Musik“, weiß Markus M. Schneider, „die nach 1949, also nach der chinesischen Revolution und nach der Öffnung Chinas durch Deng Xiaoping in China erlebbar wurde, war Rockmusik.“

Heute am Mittwoch gibt es bei den Worldtronics mit Tecno Braga brasilianische Schlager im elektronischen Gewand, u. a. mit João Brasil und Banda Uó. Am Donnerstag folgt mit den Sinotronics ein Überblick über die unübersichtliche Elektronikszene Chinas. Am Freitag steht mit House Nation South Africa Clubmusik Chicagoer Prägung aus dem Süden Afrikas auf dem Programm, zum Beispiel mit Liquideep und Jullian Gomes. Am Samstag gibt es zum Abschluss der Worldtronics mit Moombahton Massive kulturübergreifende Genrehybride aus dem Biotop Internet zu hören.

Alle Konzerte im Haus der Kulturen der Welt, John-Foster-Dulles-Allee 10. Beginn jeweils um 20 Uhr. Eintritt 10/8 Euro, Festivalpass 30 Euro. Dazu gibt es am Samstag ab 16 Uhr den Elektro-Fachmarkt. Worldtronics-Programm: www.hkw.de

Unter dem Eindruck von Postrock und dem weiterhin dominierenden Rockkonzertwesen habe sich später die von Schneider so genannte „Beijing Pedal Culture“ entwickelt: „Projekte klingen elektronisch, eigen und neu, benutzen jedoch die gleichen Instrumente und Effektgeräte, wie sie auch in jeder Rockformation aus Bass, Gitarre und Schlagzeug bestehend eingesetzt werden.“

Räume rar gesät

Anders als etwa die kommerzielle Clublandschaft Chinas steht die elektronische Livemusikszene noch sehr am Anfang. In Beijing gibt es zumindest vereinzelt Orte für elektronische Livemusik wie den XP New Music Club oder das Zajia Lab. Und obwohl diese Räume rar gesät seien, sei das Geschehen dort „musikalisch diverser, dynamischer und wesentlich stärker, als das in der Clubszene der Fall ist“, gibt sich Schneider überzeugt. „Innerhalb der letzten drei Jahre hat sich sehr viel entwickelt, wenn auch in beinahe mikroskopischen Größenordnungen, setzt man diese Szene in Bezug zur Größenordnung der Städte, in denen sie stattfindet.“

Die elektronischen Musiker Chinas suchen sich ihr Publikum in erster Linie über das Internet. Online-Plattformen wie www.douban.com dienen auch Schneider bei der Suche nach neuen Projekten. Eine entscheidende Vernetzungsfunktion hat vor allem seine eigene Website: „Metrowaves ist Chinas einzige unabhängige Plattform für elektronische Musik, die einen lokalen, regionalen und internationalen Ansatz verfolgt.“ In ihrer Arbeit konzentrieren sie sich zwar zunächst auf die örtliche elektronische Musikszene, kümmern sich aber ebenso um den Austausch mit anderen lokalen Netzwerken aus Schanghai, Hongkong und Taipeh in Taiwan.

Für das nächste Jahr ist eine CD-Reihe mit elektronischer Musik aus China geplant. Zudem holt Metrowaves schon seit einiger Zeit Künstler aus dem Westen nach China, darunter auch den House-Produzenten Phillip Sollmann alias Efdemin, der sich als Innovator von Clubmusik einen Namen gemacht hat. Am Donnerstag wird er im Haus der Kulturen der Welt gemeinsam mit DeadJ auftreten.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.