Festival zu Wasser im Radialsystem: Das Gedächtnis der Flüsse

Wasser wird weltweit knapper. Was das für den Menschen bedeutet, thematisierte das Berliner „Breathing Rivers Festival“ in Performances und Talks.

zwei Frauen knien und umarmen sich

Tirana, eine Art Fandango: Darstellerinnen Luisa Fernanda Alfonso und Luísa Saraiva (v. l.) Foto: Diana Tinoco

Trockenheit im Osten: Der niedrige Wasserstand der Spree gibt seit einigen Sommern Grund zur Sorge. Brandenburg ist deutschlandweit besonders von Trockenheit betroffen. Mit dem Bau der Tesla-„Gigafactory“ werde die Region in Zukunft mit Wasserknappheit zu kämpfen haben, befürchten nicht nur Umweltschützer. Doch um Berlin und Umgebung ging es bei dem „Breathing Rivers Festival“ am Wochenende nur am Rande. Thematisch reiste man im Radialsystem, einem einstigen Pumpwerk und heutigen Kulturzentrum, erstmal weit weg, nach Chile.

Wasser, das rief der:­die Künst­le­r:in Seba Calfuqueo (über Zoom dazugeschaltet) beim ersten „River Talk“ in Erinnerung, befindet sich in Chile in Privatbesitz. Festgehalten ist das in der Verfassung des Landes, die noch aus der Zeit der Pinochet-Diktatur stammt. Vor allem auf dem Land leiden die Menschen unter der Knappheit, sagte Calfuqueo.

Der Terminus des „grünen Kolonialismus'“ kam immer wieder auf, meist im Kontext von Firmen, die Chiles Wasserreserven ausbeuten, um etwa günstig Avocados zu importieren. Wie groß der Handlungsspielraum der chilenischen Regierung in der Angelegenheit ist, war nicht Thema. Der Entwurf für die neue Verfassung Chiles verspricht laut den Lateinamerika Nachrichten in Sachen Wasserrechte jedenfalls kaum Verbesserungen.

Mit übermächtigen Wasserunternehmen hat nicht nur Chile, sondern selbst die einstige Kolonialmacht Frankreich zu kämpfen. Als Beispiel sei hier bloß die Gemeinde Vittel genannt, wo Nestlé die gleichnamigen Plastikflaschen befüllt. Seit Jahren sinkt dort der Grundwasserspiegel, mittlerweile wird wegen Lobbyismus gegen eine Politikerin ermittelt.

Wasser als Urgewalt

Weniger um kapitalistische Wirklichkeit als um die ureigene Beziehung zu Leben und Wasser sollte es bei „Breathing Rivers“ jedoch gehen­. Die Künstlerin Amanda Piña, die das Festival mit Lina Gómez und Luísa Saraiva kuratierte, argumentierte animistisch, gab zu bedenken, dass ein großer Teil des Wassers auf der Erde älter ist als das Sonnensystem und wir diese Urgewalt nicht bloß im Kontext ihrer Nützlichkeit betrachten sollte.

Von Urgewalten kündete auch die Performance „Tirana“ nach der Choreografie Luísa Saraivas, die am Freitag im Radialsystem Deutschlandpremiere feierte. Begleitet vom trommelnden Platzregen peitschten die vier Tän­ze­r:in­nen mittels Atem, Gesängen und Tanz zum Klang des von Inês Tartaruga Água­die entwickelten, sackpfeifenähnlichen Instruments die Performance voran, die tatsächlich mit einem Donnerschlag ihr Ende fand.

Zurück in den Osten Deutschlands ging es schließlich beim letzten „River Talk“ auf einem Boot, das gemächlich die Spree hinunterglitt, an der Mercedes Benz Arena, aber auch an am Ufer kampierenden Obdachlosen vorbei. Die Ethnologin Kristiane Fehrs berichtete von ihrem Forschungsprojekt zu Wasser in der Lausitz, das als Folge des Bergbaus aus dem Gleichgewicht geriet, von Eisenschlamm durchzogen ist.

Das Problem wird die Lausitz noch Jahre beschäftigen; aber ebenso Berlin, da die Spree weiterhin Tagebaurestlöcher fluten soll. Wasser, so auch ein Fazit des Festivals, diese erste Quelle des Lebens, vergisst nur langsam.

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