Finanzloch der Bezirke: Wie viel Geld ist mehr Geld?

Der Senat meint, er hätte die Unterfinanzierung der Bezirke gelöst. Bür­ger­meis­te­r:in­nen sagen aber etwas anderes und haben Sparpläne.

An einer Parkkreuzung steht ein Mülleimer, danaben liegen jede Menge Flaschen und Verpackungen im Gras.

Wird hier bald nicht mehr aufgeräumt? Die Bezirke müssen nach aktuellem Haushalts-Plan wohl sparen Foto: Christoph Soeder/dpa

BERLIN taz | Die Grünanlagen vermüllen, Jugendeinrichtungen schließen und in den Bezirksämtern warten alle länger auf ihren Ausweis – dieses Zukunftsbild hatten die Be­zirks­bür­ger­meis­te­r:in­nen im Vorfeld der Haushaltsplanung des Senates gemalt. Die Befürchtung: Jährlich fehlen 250 Millionen Euro.

Doch laut dem vergangene Woche vorgelegten Haushaltsentwurf steigt der Etat der Bezirke, wie fast alle Haushaltsposten, an. Dies summiert sich laut Senatsverwaltung für Finanzen auf fast 300 Millionen Euro im Doppelhaushalt für die nächsten zwei Jahre. Zum einen bekommen die Bezirke 120 Millionen Euro für beide Jahre oben drauf, die sie verwenden können, wie sie wollen.

Oliver Nöll, Friedrichshain-Kreuzberg

Die zugesagten Gelder sind gerade auskömmlich, um den Bestand zu wahren

Zum anderen gibt es weitere 80 Millionen, die für Personalverstärkung, soziale Leistungen, die Unfallkasse und die Integrationsfonds angedacht sind. Der Senat reagiere hiermit auf konkrete Forderungen der Bezirke, so die Senatsfinanzverwaltung auf Anfrage.

Rund 60 Millionen gibt es noch aus dem bisherigen Haushalt, in Form von Mitteln, die von den Bezirken nicht abgeflossen sind. Auch wenn diese Mittel eigentlich in ihren Projekten fest gebunden sind, addiert die Finanzsenatsverwaltung sie auf den neuen Haushalt oben drauf. Hinzu kommen weitere 34 Millionen Euro, um die der Senat die Mittel der Bezirke im Rahmen der üblichen Haushaltsfortschreibung erhöht.

Zusätzlich verweist die Senatsverwaltung auf verschiedene „Bezirksprogramme“, die man erhöhe. Diese werden, wie zum Beispiel der Schulausbau, zwar vom Senat finanziert, nützen aber den Bezirken. „Diese Anhebung würdigt die besondere Bedeutung der Bezirke für die Leistungserbringung in unserer Stadt“, sagt Silke Brandt, Sprecherin der Senatsverwaltung für Finanzen.

Man habe die Bezirke damit gestärkt und Handlungsspielräume geschaffen. Außerdem weist die Senatsverwaltung auf Rücklagen hin, die die Bezirke aufgebaut hätten. Es liegt nahe, dass sie diese nun ausgeben sollen.

Bezirke ohne Rücklagen

Eine, die keine Rücklagen hat, ist Bezirksbürgermeisterin Maren Schellenberg (Grüne) aus Steglitz-Zehlendorf. „Die Forderungen der Bezirke von 250 Millionen Euro pro Jahr werden mit den zusätzlichen Mitteln nicht erfüllt“, sagt sie auf taz-Anfrage. An der strukturellen Unterfinanzierung würde dieser Entwurf nichts ändern, auch weil 40 Prozent der zusätzlichen Mittel bereits mit konkreten Vorgaben verbunden seien, sagt Schellenberg.

Ihr Team prüft aktuell, wie sich der Entwurf des Senats auswirke, gut schaut es aber nicht aus: „Vielleicht müssen wir zum 1. Januar 2024 eine Haushaltssperre einrichten, dann muss alles über meinen Tisch“, sagt Schellenberg. Die Einsparungen würden dann direkt die Bür­ge­r:in­nen treffen, wenn zum Beispiel Beratungsangebote gestrichen würden, Schulstationen schließen müssten oder die Grünpflege unterfinanziert bliebe, so Schellenberg.

Auch Oliver Nöll (Die Linke), stellvertretender Bezirksbürgermeister in Friedrichshain-Kreuzberg, klagt. Die zugesagten Gelder seien zwar „gerade auskömmlich, um den Bestand zu wahren“, würden aber nicht ausreichen, um die Herausforderungen der kommenden Jahre zu stemmen, so Nöll. Auch in Friedrichshain-Kreuzberg müssten sämtliche Rücklagen „zweckgebunden“ ausgegeben werden – sie stehen also nicht zur Verfügung, um an anderer Stelle Löcher zu stopfen.

Auch in Neukölln geht man davon aus, dass das Geld nicht reicht. Überlegt wird daher, Stellen im Bezirksamt für ein halbes Jahr nicht nachzubesetzen sowie bei Tagesreinigungen und Wachdiensten an Schulen einzusparen.

Aus Pankow wird ein Fehlbetrag von 11 Millionen gemeldet. Vor allem die Inflation von 8 bis 10 Prozent würden dem Bezirk zu schaffen machen, lediglich 2 Prozent Inflation würden durch den Senat standardmäßig ausgeglichen. Die möglichen Folge: In den Bezirksämtern bleiben Stellen unbesetzt.

Zum konkreten Haushaltsentwurf gibt es hier keine Einschätzung, genauso wie in Charlottenburg-Wilmersdorf, wo man die endgültigen Zahlen des Senats abwarten möchte. Auf Anfrage gibt Bürgermeisterin Kirstin Bauch (Grüne) aber zu bedenken, dass ihr Bezirk bereits mit einem Minus von 4,7 Million in die Haushaltsplanung für 2024 gestartet ist.

Klar ist trotz der Zurückhaltung: Sparen müssen die Bezirke. Die Überlegungen, Jugendeinrichtungen und das Eisstadion zu schließen, sind demnach auch in Charlottenburg-Wilmersdorf noch nicht ganz aus der Welt.

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