Foiling-Segeln bei der Kieler Woche: Mit Auftrieb übers Wasser rasen

In der Coronapandemie wechselte der Kieler Adrien-Paul Farien zum Foiling-Segeln. Nun hat er bei der Kieler Woche den Sieg geholt.

Adrien-Paul Farien auf seinem Segelboot auf dem Wasser

Siegte bei der Kieler Woche: Adrien-Paul Farien Foto: Christian Beeck

HAMBURG taz | Ihre Gesichter kann Adrien-Paul Farien nicht sehen, dafür ist er zu weit draußen auf der Kieler Förde. Aber der Foiling-Segler aus der schleswig-holsteinischen Landeshauptstadt weiß, dass auch dieses Mal wieder einige Menschen in Schilksee am Ufer stehen und sich staunend diese Fragen stellen: Wie ist das möglich? Wie kann das sein, dass die Segelboote mit so viel Luft unter dem Rumpf auf dem Schwert stehend über die Wellen jagen?

Dass sie dies tun, hat für Farien einen Nebeneffekt, den er nicht mehr missen möchte. Die Akustik sei eine ganz andere als bei den „49ern“, in denen er mit Mirco Klösel lange ein Team gebildet hatte. „Normalerweise ist es relativ laut beim Segeln. Es rauscht, weil das Boot das Wasser verdrängt.

Beim Foilen muss man sich das so vorstellen: Sobald das Boot abhebt, hört man nur noch ein leises Pfeifen. Mehr ist da gar nicht“, sagt Farien, der jedes Mal aufs Neue die Stille da draußen genießt. „Man fliegt einfach über das Wasser. Oder auch: Man schneidet das Wasser. Es fühlt und hört sich die ganze Zeit so an, als würde das Wasser geschnitten werden.“

Die technische Erklärung dazu: Das Foiling-Segeln funktioniert wie das Fliegen in der Luft. Beim Foil handelt es sich um einen Tragflügel unterhalb der Wasseroberfläche. Aufgrund seiner Wölbung strömt das Wasser oben schneller vorbei als unten am Flügel. Dadurch entsteht ein Auftrieb, der die Jolle oder den Katamaran anhebt. Mit der Folge, dass das foilende Boot wegen des geringeren Wasserwiderstandes deutlich schneller über die Wellen fahren kann.

Schon Silber bei der EM auf dem Gardasee geholt

Seine erstes Erlebnis mit dem Foilen hatte der 22-Jährige vor acht Jahren in Kiel. Er blieb aber zunächst den olympischen Bootsklassen treu – bis zum Beginn der Coronapandemie im März 2020. „Ich wusste damals zunächst nicht, wie es weitergeht. Mir war aber klar, dass ich mit den 49ern aufhören würde“, erzählt Farien, der sich in dieser Zeit an ein Trainingserlebnis auf Mallorca erinnerte.

Dort hatte er ein Foil-Boot der Klasse „Waszp“ getestet. „Das war ein cooles Boot. Ich dachte zunächst nicht, dass es für mich eine Option sein würde“, so der Kieler. „Aber dann, in dieser ganzen Coronaphase, wurde es für mich auf einmal extrem attraktiv.“ Er benötigte keinen Partner mehr, konnte schnell aufs Wasser und damit extrem flexibel in seiner Segelzeit sein. Es war mit der „Wespe“ gewissermaßen eine Liebe auf den zweiten Blick.

Adrien-Paul Farien, Foiling-Segler

„Sobald das Boot abhebt, hört man nur noch ein leises Pfeifen. Mehr ist da gar nicht“

Die hat ihm aber Glücksmomente und Erfolge beschert: Bei der EM auf dem italienischen Gardasee gewann Farien im vergangenen Jahr ad hoc Silber, nun holte er sich den Sieg bei der Kieler Woche. Ein Jahr zuvor hatten die „Wespen“ ihre Premiere bei der traditionsreichen Regatta gehabt. „Damals hatten wir unseren Bootspark direkt am Wasser. Da kamen viele Leute vorbei und sagten: ‚Wow, das muss ich auch unbedingt machen!‘“, schildert Farien. „Meiner Meinung nach wird in Zukunft eine ähnliche Klasse, nicht unbedingt die jetzige, olympisch werden.“

Er hielte dies für eine richtige, notwendige Entscheidung. Denn mit dem derzeitigen Erscheinungsbild des Segelns bei den Olympischen Spielen hat der Student der Sozioökonomik so seine Probleme: „Der Segelsport hat so viele langweilige Klassen. Die interessieren keine Sau. Keiner weiß, was die Leute da machen. Es ist stinklangsam, es tut nur weh.“ Das Foiling-Segeln sei da anders, packender – auch, weil die Wettbewerbe oftmals im K.-o.-System ausgetragen und die Siegerinnen und Sieger schneller feststehen würden.

Eine „geile Motte“ in der Garage

Was Farien beim Foiling-Segeln so begeistert, ist die enorme Rasanz zu jeder Phase einer Wettfahrt. Denn auch bei den Kursänderungen gehe es darum, dass das Boot fliegt. „Das Ziel ist es, dass man auf einer Kursrundung 100 Prozent Flugzeit hat und bei jedem Manöver der Rumpf des Bootes trocken bleibt. Sonst verliert man an Geschwindigkeit.“

Durch die Waszps habe er den Spaß am Sport zurückgewonnen. „Ich bin seit vielen Jahren das erste Mal wieder segeln gegangen, um segeln zu gehen – so, als wenn ein Profifußballer einfach mal wieder mit den Jungs auf dem Fußballplatz kicken geht“, sagt Farien, der mittelfristig einen Wechsel in die Foiling-Klasse „Moth“ („Motte“) anstrebt.

Und in fünf Jahren, wo sieht er sich dann? „Dann bin ich hoffentlich Weltmeister in der Waszp und eventuell Geschäftsmann oder Profisegler“, sagt Farien. Er hält kurz inne und stellt noch eine rhetorische Frage: „Warum nicht in einem Beruf sein, für den man Emotionen pflegt und nebenbei noch eine geile Motte in der Garage haben, an der man abends herumbastelt und einmal die Woche damit auf der Förde herumheizt?“

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.