Frauenpolitik: „Die Frauenquote verändert was“

Die Berliner Frauenpolitikerin Ines Schmidt (Linke) über ihre Vorstellungen, wie der Gender-Pay-Gap geschlossen werden könnte.

Das Bild zeigt Ines Schmidt

„Frauen sind zwar besser, kommen aber nicht oben in den Führungspositionen an“: Linken-Politikerin Ines Schmidt Foto: Jürgen Ritter/Imago

taz: Frau Schmidt die Linksfraktion will die Unterbezahlung von Frauen, Gender-Pay-Gap genannt, mit einer feministischen Arbeitsmarktpolitik beenden. Wie soll das gehen?

Ines Schmidt: Zuerst müssen sogenannte Frauenberufe mehr Anerkennung erfahren. Dann müssen wir Frauen stärken, die eine Beförderung angeboten bekommen, damit sie nicht mehr „Nein“ sagen, weil sie sich diese Position nicht zutrauen. Und Unternehmen müssen Frauen dabei unterstützen. Außerdem müssen Frauen genau wie Männer zu Fort- und Weiterbildungen eingetragen werden. Wenn man eine Beurteilung macht, muss die Elternzeit auch anerkannt werden. Frauen sind Organisationstalente, diese Qualität wird meist nicht anerkannt. Und, als letztes, muss die Rückkehr von Teilzeit in Vollzeit sofort anerkannt werden, sobald die Frau wieder dazu fähig ist.

Das hört sich so an, als läge es an den Unternehmen selbst, die Ungleichheit aufzulösen. Das hat bisher nicht viel bewirkt. Wie kann die Politik dagegen vorgehen?

Das ist eine gute Frage. Eigentlich durch das Landesgleichstellungsgesetz. Für alle landeseigenen Unternehmen wird ganz klar vorgeschrieben: die Rückkehr aus der Teilzeit zur Vollzeit ist zu ermöglichen. Aber vieles liegt immer noch in der Hand der Unternehmen. Dort, wo überwiegend Männer arbeiten, herrscht eine Männersichtweise und bei Frauen in Führungspositionen herrscht eine Frauensichtweise. Und das spiegelt sich auch in den Entscheidungen wider.

Frauen sind aber seltener in Führungspositionen.

Das Problem ist: Statistisch gesehen sind Frauen von Ausbildung und Noten her besser als Männer. Trotzdem kommen sie nicht in oben in den Führungspositionen an. Deshalb glaube ich, dass es auf die Besetzung der Führungsposition ankommt, ob zum Beispiel ein Frauenförderplan oder die Frauenquote angewendet wird.

Geboren und aufgewachsen in Friedrichshain, nach der Schule Ausbildung zur Schneiderin, dann 12 Jahre Büglerin, nach der Wende Neuanfang als Straßenbahnfahrerin, schließlich über 15 Jahre Gesamtfrauenvertreterin der BVG, ist die Linken-Politikerin Ines Schmidt seit 2016 Mitglied des Abgeordnetenhauses und hier Sprecherin für Gleichstellung und Frauenpolitik.

Was würde die Frauenquote am Gender-Pay Gap ändern?

Je mehr Frauen im Unternehmen arbeiten, desto mehr fühlen sie sich vertreten und es gibt weniger Menschen, die Frauenklischees leben. Das bedeutet: Bei einer ungleichen Bezahlung ist die Chance größer, gehört zu werden, wenn sie das bei der Führungskraft ansprechen. Viele Frauen denken, eine Quote spricht ihnen ihre Leistung ab. Die sagen dann, dass sie doch nicht nur wegen der Quote den Job bekommen wollen. Statistisch gesehen sind Frauen ja der Hammer in ihrer Leistung, nur nach der Schule sind sie oft weg vom Fenster und gehen in Jobs, die schlechter bezahlt werden. Da möchte ich die Frauen auf andere Wege leiten.

Und wie soll das aussehen?

Vielleicht muss man mit einer Frauenquote den Weg für die Frauen, die nachkommen, vorbereiten. Früher war ich auch nicht für eine Frauenquote, dann bin ich bei allen meinen Lösungsvorschlägen immer wieder auf die Frauenquote gestoßen. Quote verändert was. Deshalb hat es mich so geärgert, als im Bundestag für die Aufsichtsräte von börsennotierten Unternehmen eine Quote von 30 Prozent beschlossen wurde. Von 50 Prozent Frauen in Deutschland, dürfen nur 30 Prozent an die Macht. Das verstehe ich nicht.

Das hört sich alles sehr plausibel an. Was für ein Gesetz braucht es, um auch Unternehmen vorzuschreiben, die bezahlte Ungleichheit aufzulösen?

Es gibt ja schon das Entgelttransparenzgesetz. Das hat aber nichts verändert, weil es noch die Klischees über die Leistung von Frauen gibt. Wenn eine Frau herausfindet, dass ihr männlicher Kollege für die gleiche Arbeit 300 Euro mehr verdient und sie dann zum Chef geht, wird sie danach wahrscheinlich vom Chef und den männlichen Kollegen dafür fertig gemacht. Wie soll das denn zur Veränderung führen? Man muss schon im Kindergarten anfangen, die Geschlechterklischees aus den Köpfen zu bekommen.

Was wäre der erste Schritt?

Erst mal sollte die Elternzeit geändert werden, Mann und Frau sollten sie zu gleichen Teilen übernehmen. Die skandinavischen Länder leben uns das vor. Dann brauchen wir ein ergänzendes Angebot für Kinderbetreuung, damit auch Frauen, die Spätschicht arbeiten, das Angebot zu jeder Uhrzeit wahrnehmen können. Vielleicht müsste es auch ein Gesetz geben, dass die Teilzeit nur ein bis zwei Jahre freigibt. Dann muss der Betrieb die Frau sofort wieder Vollzeit anstellen. Denn diese Teilzeitfalle hält ein Leben lang. Sie hält die Frauen in Abhängigkeit, selbst noch in der Rente. Außerdem sollte Care-Arbeit, also die Arbeit zu Hause für die Familie, vom Staat bezahlt werden.

Wieso wird Care-Arbeit noch nicht vom Staat bezahlt?

Es gibt ein Pilotprojekt, das zeigt, dass es sich lohnt, wenn der Staat Care-Arbeit bezuschusst, zum Beispiel für „haushaltsnahe Dienstleistungen“. Zugleich führt das zu mehr Tarifbindung in dem Bereich und kann ausbeuterischen Arbeitsverhältnissen und Schwarzarbeit entgegenwirken. Wenn dann auch noch Frauen eigene Betriebe dafür gründen, wäre es ein Traum.

Was tun Sie sich selbst für die Gleichstellung von Frauen?

Wir haben ja in der BVG einen Frauenförderplan und da saß ich vor 14 Tagen mit allen Führungskräften zusammen. Es ging darum, dass sie selbst Maßnahmen für einen Frauenförderplan erarbeiten, damit Frauen für Führungspositionen nachgezogen werden. Dabei haben wir auch herausgefunden, dass Sitzungen um 16 Uhr vorbei sein sollten, anstatt um 18 Uhr oder später. Das aber nicht nur mit dem Hintergrund der Kinder, sondern dass auch jeder seiner Freizeit nachkommen kann. Das wären Maßnahmen, die sofort umzusetzen sind.

Was wäre da noch?

Ich habe auch herausgefunden, dass es ganz wenige Förderpläne gibt, wo die Frau überhaupt eine Rolle spielt. In der BVG kämpfe ich dafür, dass wir Frauen für alle Bereiche gewinnen, nicht nur für die Verwaltung sondern auch für die technischen Berufe. Und diese Frauen auch sichtbar machen als Vorbilder. Als frauenpolitische Sprecherin unterstützte ich das Berliner Projekt „Enter-Technik“. Hier geht es darum, ein technisches Jahr für Frauen anzubieten und technische Fähigkeiten zu entdecken und auszubauen. Dies kann jungen Mädchen neue berufliche Wege aufzeigen.

Zusammengefasst, was sind die wichtigsten Punkte in Ihrem Gesetz?

Verpflichtung der Frauenquote von 50 Prozent, gleiches Geld für alle und Klischees abbauen.

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