Gedrosselte Lieferung aus Russland: Mehr Gas aus den Niederlanden

Der russische Konzern Gazprom drosselt die Lieferung. Um gut durch den Winter zu kommen, muss Deutschland seine Speicher nun anders auffüllen.

Gazprom Germania Filiale mit ganz vielen Rohren und hinter vielen Absperrungen

Gazprom-Rohre Foto: Roland Geisheimer/attenzione

Die Pipeline Nord Stream 1 liefert seit einigen Tagen weniger Gas. Statt 158 Millionen Kubikmeter kamen am Montag nur noch 117 Millionen in Deutschland an. Am Dienstag kündigte der russische Konzern Gazprom an, die Lieferung werde ab sofort auf 100 Millionen Kubikmeter täglich sinken, am Mittwoch kam die Meldung: Es würden nur noch 67 Millionen Kubikmeter sein. Nord Stream ist für Deutschland die Hauptversorgungsleitung für russisches Gas.

Gazprom begründete die Einschränkungen technisch. Ursache seien fehlende Gasturbineneinheiten. Derzeit sind einige der Komponenten im kanadischen Montreal zur Wartung. Das geschieht turnusmäßig, doch diesmal verzögert sich die Rückkehr der Komponenten, angeblich wegen kanadischer Sanktionen gegen Russland. Siemens Energy, Hersteller der Maschinen, bestätigte die Wartungsarbeiten in Kanada. Das Bundeswirtschaftsministerium (BMWK) erklärte auf Anfrage, in dieser Sache schon länger mit der kanadischen Regierung in Kontakt zu sein.

Gleichwohl hält Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) die Konsequenzen, die Gazprom in Form geringerer Gaslieferungen aus den Wartungsarbeiten zieht, für technisch nicht begründbar. Vielmehr sei es „eine politische Entscheidung“, sagte er am Mittwoch. Diese stehe für ihn in einer Reihe mit den zurückliegenden Einstellungen der Gaslieferungen an Bulgarien, Polen und Dänemark sowie der Sanktionierung von Gazprom Germania. Habeck sieht daher auch die Gefahr, dass Russland noch weitere Liefereinschränkungen vornehmen wird.

Trotz dieser Unsicherheit hatte das BMWK bereits am Dienstag verlauten lassen: „Aktuell ist die Versorgungssicherheit weiter gewährleistet.“ In den deutschen Kavernen- und Porenspeichern lagert aktuell deutlich mehr Erdgas als noch vor einem Jahr. Derzeit liegt der Füllstand bei rund 56 Prozent gegenüber 37 Prozent Mitte Juni 2021.

Kommunikation der Behörden zurückhaltend

Seit Mitte März, was ungewöhnlich früh ist, baut Deutschland nämlich wieder Gasreserven auf. Zum einen war das Jahr 2022 bisher durchweg zu mild, was den Gasverbrauch reduzierte. Zudem erhöhte der Krieg Russlands gegen die Ukraine den Druck, Sicherheiten zu schaffen, was die Speicherstände politisch stärker ins Blickfeld rückte. Durch das Gasspeichergesetz und die damit verbundene Novelle des Energiewirtschaftsgesetzes müssen die Speicher künftig am 1. Oktober eines jeden Jahres zu 80 Prozent befüllt sein, am 1. November zu 90 Prozent. Zur Frage, ob diese Ziele durch die gedrosselten Lieferungen aus Russland nun gefährdet sind, wollen sich allerdings weder das BMWK noch die Energiewirtschaft derzeit äußern.

Kommuniziert wird nur die Momentaufnahme: Trotz der verminderten Lieferung über Nord Stream 1 bekomme Deutschland nach wie vor genug Erdgas, um weiterhin Energie einzuspeichern, sagte am Mittwoch eine Sprecherin des BMWK. Dies gelinge auch, indem etwa verstärkt Gas aus den Niederlanden eingekauft werde. Außerdem komme derzeit relativ viel verflüssigtes Erdgas aus den USA, da der hiesige Markt für die Lieferanten gerade profitabler sei als der asiatische. Zusätzlich verlängert die Bundesregierung ihre Treuhandschaft auf die deutsche Gazprom­filiale Gazprom Germania und stellt einen Milliardenbetrag zur Verfügung.

So hatte die Lieferkürzung auch nur mäßige Auswirkungen auf den Gasmarkt. Der Preis zur Lieferung im ersten Quartal 2023 stieg seit Montag von 94 auf 103 Euro pro Megawattstunde. Im März hatte man schon Spitzenwerte von über 139 Euro gesehen. Die Bewertungen der Marktakteure sind also ähnlich wie die offiziellen Verlautbarungen aus dem BMWK: einigermaßen unaufgeregt.

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