Gefährliche TikTok-Trends: Deo-Aroma auf Lunge

Challenges bei TikTok sind sehr beliebt bei Jugendlichen, selbst wenn sie lebensgefährlich sind. Nun warnt das Bundesinstitut für Risikobewertung.

Sprühnebel kommt aus einer Dose Deospray

Schmerz-Challenge mit Deospray als Zeitvertreib Foto: imago

BERLIN taz | Auf TikTok jagt ein Trend den nächsten. Ein großes Oversized T-Shirt wird unter dem Namen „SubwayShirt“ zum neuen Modetrend und ein Friseur in der Schweiz wird durch seinen schlechten Haarschnitt, den „Edgar“, zur neuen Pilgerstätte für junge Männer. Unterhaltsam, mehr oder weniger sinnvoll, aber harmlos. Für viele Challenges auf der Social-Media-Plattform gilt das aber nicht – im Gegenteil: Sie sind hochgefährlich.

Erst Ende August ging die „Hot-Chip-Challenge“, bei der sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer beim Verzehr der schärfsten Tortilla-Chips filmten, viral. Die Videos wurden millionenfach geschaut und ermutigten viele zum Teilnehmen. Normale Symptome nach dem Verzehr seien laut Hersteller schwitzen und tränen. Für einige Jugendliche endete es aber mit schweren Atemschwierigkeiten und Magenproblemen.

Doch wie alles auf TikTok wurde diese Mutprobe schnell von einer neuen abgelöst: die Deo-Challenge. Auch sie wurde bei vielen Jugendlichen schnell beliebt, wobei sich besonders zwei Varianten durchsetzten. Bei der ersten Variante sprühen sich die Jugendlichen so lange wie möglich auf ein und dieselbe Hautstelle. Im Extremfall können so schnell Temperaturabsenkungen von bis zu –30 °C erreicht werden. Dies kann zu Kälteverbrennungen führen. Die betroffenen Stellen können dadurch absterben und müssen dann ersetzt werden.

In der zweiten Variante atmen die Jugendlichen die Aerosole des Deos bewusst ein. Diese hoch konzentrierten Inhaltsstoffe können so direkt das Herz und den Kopf schädigen, was unmittelbar zu Bewusstseinsverlust, Herzversagen und Atemlähmung führen kann. Laut Medienberichten sollen in Deutschland bereits Jugendliche an den Folgen dieser Mutprobe gestorben sein.

Bundesinstitut warnt

Expertinnen und Experten des Bundesinstituts für Risikobewertung warnen nun vor den missbräuchlichen Anwendungen für alle Altersgruppen. Auch TikTok hat inzwischen eine Warnung ausgesprochen. Suchen Jugendliche nach Videos der Challenge, werden sie keine mehr finden, stattdessen kommt ein Hinweis: „Einige Online-Challenges können gefährlich, verstörend oder inszeniert sein“.

Es ist nicht das erste Mal, dass die App solche Suchen sperren musste. Denn die Deo- und die Hot-Chip-Challenge sind keine Phänomene aus dem Jahr 2023. Immer wieder nehmen Jugendliche an gefährlichen Mutproben auf TikTok teil.

Bei der sogenannten „Mouth Taping“-Challenge klebten sich Jugendliche vor dem Schlafengehen den Mund zu. Dies kann zu Sauerstoffmangel im Gehirn führen. Bei der „Salt“-Challenge versuchten die Teilnehmenden so viel Salz wie möglich zu schlucken, was zu einer Vergiftung führen kann. Und bei der „Cinnamon“-Challenge wurde versucht, Zimt in großer Menge durch die Nase einzuatmen, wodurch die Atemwege beschädigt wurden.

Besonders erschreckend ist die sogenannte „Blackout“-Challenge, die seit 2021 bei vielen Jugendlichen Anklang findet. Dabei müssen sich die Teilnehmenden so lange würgen, bis sie ohnmächtig werden. Mehrere Kinder und Jugendlichen sind an den Folgen der Challenge verstorben, trotzdem gab es viele Nachmacher. Nur warum?

„TikTok-Challenges sind im Grunde genommen eine Art Mutprobe, die vor allem bei Jugendlichen Anklang finden. Durch Hashtags oder das Verlinken, das Nominieren weiterer Freund*innen, erreichen solche Challenges eine große Reichweite und Aufmerksamkeit“, sagt Lisa Mutschke, Expertin vom Institut für Medienpädagogik (JFF). Besonders beliebt seien die Challenges, die viral gehen und so zum Trend werden.

Besonders das Alter spiele laut Mutschke eine wichtige Rolle. „Die App ist vor allem bei 10- bis 16-Jährigen sehr beliebt. In dieser Lebensphase entwickeln junge Menschen eine eigene Identität und streben nach einer gewissen Selbstwirksamkeit. TikTok begünstigt dies – die Inhalte sind leicht zugänglich und äußerst interaktiv gestaltet.“ Wenn viele Jugendliche die gleichen Challenges sehen und daran teilnehmen, bekräftigt das das Gefühl von Gemeinschaft und Zugehörigkeit.

Klassische Mutproben ins Netz verlegt

Doch durch die gefährlichen Mutproben entsteht nicht nur ein Gemeinschaftsgefühl. „Sie schaffen einen Anreiz, sich mit anderen zu messen, um so Anerkennung zu erfahren“, so Mutschke. Das Jugendliche sich gegenseitig herausfordern, sei demnach kein neues Phänomen. „Mutproben unter jungen Menschen gab es schon immer. Nur finden diese mittlerweile eben im digitalen Raum statt und sind auf Social Media nicht mehr wegzudenken“.

Mutschke bezweifelt, dass sich die Kinder und Jugendlichen den Gefahren der Challenges nicht bewusst seien. Allerdings werden junge Menschen auf Social Media täglich mit einer Flut an Informationen, Bildern und Videos konfrontiert. Das kann ziemlich herausfordernd sein. „Wichtig ist, dieses Bewusstsein zu stärken und immer wieder einen Reflexionsprozess anzustoßen.“

Dafür ist es wichtig, dass sich Eltern und Lehrkräfte direkt mit ihnen austauschen. Jedoch hat Mutschke schon häufig beobachtet, dass viele von ihnen noch unsicher sind, weil sie wenig über Social-Media-Phänomene wissen oder überfordert sind. Wenn dieser Eindruck auch bei den Kindern und Jugendlichen entsteht, kann es sein, dass sie sich nicht mehr an Eltern und Lehrkräfte bei Herausforderungen mit Medien wenden.

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