Geflüchtete aus der Ukraine: Irland will weniger Ukrainer

Irland geht das Geld für Sozialleistungen aus, im Land herrscht massive Wohnungsnot. Ukrainer und andere Flüchtlinge bekommen jetzt weniger Geld.

Ein Wandbild zeigt ein Herz in den ukrainischen Nationalfarben Gelb und Blau.

Die irische Willkommenskultur hat Schaden genommen: Die grüne Insel kann sich die Flüchtlinge nicht mehr leisten Foto: Artur Widak/imago

DUBLIN taz | Irland kann sich weitere Flüchtende aus der Ukraine nicht leisten. Die Hilfe für Neuankömmlinge soll deshalb gekürzt werden. Da die Grüne Insel bislang recht großzügig mit den Menschen aus der Ukraine verfahren ist, kamen auch viele, die zuvor in andere EU-Länder geflohen waren.

„Wir müssen unser Angebot an Sozialhilfe und staatlichen Unterkünften an das anderer westeuropäische Länder anpassen“, sagte Premierminister Leo Varadkar. Es gehe dabei weniger um Menschen, die direkt aus der Ukraine zu uns flüchten, fügte er hinzu, sondern mehr um diejenigen, die aus anderen Teilen Westeuropas kommen, wo sie schon eine Weile gelebt haben.

Seit Kriegsbeginn sind mehr als 100.000 Ukrainerinnen und Ukrainer nach Irland gekommen, jede Woche werden es 500 mehr. Der Gründer der Organisation Ukrainian Action in Ireland, Anatoliy Prymakov, sagt, viele seien in die Ukraine zurückgekehrt, so dass die wirkliche Zahl bei rund 85.000 liege.

Davon haben rund 15.000 einen Job angenommen, weitere 15.000 gehen zur Schule. Bis zu Ende des laufenden Schuljahres wird die Schülerzahl auf 27.000 steigen. 74.000 Geflüchtete sind in Unterkünften untergebracht, die vom Staat gestellt werden – Hotels, staatliche Gebäude oder Modulhäuser. Die übrigen haben sich selbst eine Unterkunft gesucht.

Sozialleistungen werden gekürzt

Bisher bekamen die Ukrainer 220 Euro pro Woche, sowie freie Unterkunft, freie medizinische Versorgung sowie frei Fahrt mit Bus und Bahn im ganzen Land. Künftig soll das auf knapp 39 Euro gekürzt werden – die Summe, die auch Asylbewerbern zusteht. Wer sich allerdings selbst um eine Unterkunft kümmert, soll weiterhin den höheren Betrag erhalten. „Sozialhilfe-Empfänger müssen normalerweise für Miete und Nebenkosten sowie für Lebensmittel aufkommen“, sagt Varadkar.

Vor allem die Unterbringung macht der Regierung zu schaffen, da auch die Zahl der Flüchtlinge aus anderen Ländern stark gestiegen ist. In Dublin ist der Wohnraummangel besonders groß. Mittlerweile sind 13.000 Menschen obdachlos. Asylbewerbern werden nun Zelte, Schlafsäcke und ein höherer Sozialhilfesatz von 113,50 Euro pro Woche angeboten.

Staatliche Unterbringung nur noch für 90 Tage

Neu ankommende Flüchtlinge aus der Ukraine sollen wegen des Wohnungsmangels künftig nur noch 90 Tage lang vom Staat untergebracht werden. Das stößt auf Kritik des „Irischen Flüchtlingsrats“. Dessen Geschäftsführer Nick Henderson sagt: „Wir warnen vor der Kürzung auf 90 Tage, denn für die große Mehrheit wird es schwierig, wenn nicht gar unmöglich, eine Alternative zu finden.“ Deirdre Garvey, die Generalsekretärin vom „Roten Kreuz Irland“, stimmt ihm zu: „Der Wohnungsmietsektor ist unter extremem Druck, und es gibt nur wenige Möglichkeiten, selbst für diejenigen, die über die wirtschaftlichen Mittel verfügen.“

Die Änderungen treten am 29. Januar in Kraft. Für die bereits in Irland lebenden Ukrainer ändert sich nichts. 40 Prozent von ihnen möchten auch nach Kriegsende in Irland bleiben. Die Regierung will sich verstärkt bemühen, ihnen Jobs zu vermitteln. In vielen Schulen helfen bereits ukrainische Lehrkräfte aus.

Prymakov sagt, die Kürzungen werden niemanden abschrecken. „Schaut euch die Nachrichten aus der Ukraine an“, sagt er. „Nichts hat sich geändert, es wird eher schlimmer. Deshalb werden auch die Kürzungen nichts ändern.“

Kritiker monieren, dass diese Kürzungen eine Reaktion auf rechtsextreme Proteste seien. Im vergangenen Jahr gab es immer wieder Demonstrationen und gewalttätige Ausschreitungen gegen Flüchtlingsunterkünfte, einige wurden niedergebrannt, bevor sie eröffnet werden konnten.

Ortschaft mit 800 Iren und 1.400 Ukrainern

Aber es sind nicht nur Rechtsextreme, die protestieren. Die irische Willkommenskultur insgesamt hat Schaden genommen, was nicht zuletzt an den Regierungsmaßnahmen liegt. So sucht man Flüchtlingsunterkünfte in den vornehmen Dubliner Vierteln vergeblich. Auf dem Land, vor allem in den Touristengegenden, sind hingegen die meisten Hotels den ukrainischen Flüchtlingen vorbehalten. In dem kleinen Ort Lisdoonvarna zum Beispiel mit seinen rund 800 Einwohnern wohnen 1.400 Ukrainer.

Der Ort lebt seit 150 Jahren von dem traditionellen Heiratsmarkt, der den ganzen September über stattfindet. Deshalb gibt es überdurchschnittlich viele Hotels, die nun allesamt belegt sind. Für die Hotelbesitzer ist das ein gutes Geschäft, aber die Restaurants, Pubs und Geschäfte gehen leer aus, denn die Touristen, die früher aus allen Teilen Irlands und aus dem Ausland kamen, können nicht mehr über Nacht bleiben.

Noch nehmen es die meisten Einwohner gelassen hin. Bisher sind die Rechtsextremen eine verschwindend kleine Minderheit. Aber sie rüsten sich für die Wahlen, die vielleicht schon in diesem Jahr, spätestens aber im März 2025 stattfinden werden. Mit Hilfe der Stimmungsmache gegen Flüchtlinge wollen sie zum ersten Mal ein Mandat gewinnen.

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