Geschichte des Maoismus: Karriere eines Totalitarismus

Die britische Sinologin Julia Lovell analysiert in ihrer preisgekrönten, monumentalen Globalgeschichte „Maoismus“ den weltweiten Einfluss Mao Zedongs.

Mao Figur vor Xi Jinping Portrait.

Figur von Mao vor Porträt des aktuellen Präsidenten Xi Jinping in einem Souvenirshop in Peking Foto: Jason Lee/reuters

Sich mit der jüngeren Geschichte Chinas zu beschäftigen, erscheint angesichts der sich verändernden Weltordnung besonders sinnvoll. Erst recht, weil ein elementarer Teil dieser Geschichte im heutigen China fortwirkt. Bezüge zur brutalen Herrschaft Mao Zedongs sind nicht nur in der chinesischen Alltagskultur in Form von nostalgischer Diktatorenverehrung zu finden. Auch im Politikstil des amtierenden Staatspräsidenten Xi Jinpings spielen sie eine bemerkenswerte Rolle.

Dass sich im Westen Politsekten und Terrororganisation auf Mao als ideologischen Stichwortgeber und Pop-Ikone beriefen, dürfte weitgehend bekannt sein. Darüber hinaus entfaltete der Maoismus seine Wirkung aber auch im asiatischen Raum, in Afrika sowie in Südamerika.

Wie das im Detail funktionierte, zeigt das Buch „Maoismus. Eine Weltgeschichte“. Die Autorin Julia Lovell lehrt als Professorin für moderne chinesische Geschichte und Literatur an der University of London. Ihre 700-seitige Studie wurde mehrfach ausgezeichnet.

Die Rezeption von Maos Ideen in den USA und in Westeuropa behandelt Lovell stark komprimiert. Der Fokus ihres Buches liegt auf den zahlreichen Ländern des Globalen Südens. Lovell zeigt zudem, wie China selbst zur Hoch-Zeit des Kalten Krieges als eigenständiger und wirkmächtiger Player der Weltpolitik agierte.

Regime und Bewegungen

Im ersten Drittel ihres Buches beschreibt Lovell zunächst die ideologischen Grundlagen der sich ursprünglich an chinesische Bauern richtenden Ideen Maos. Hier bleibt die Au­torin dicht an den autoritativen Texten des „Großen Steuermanns“, dessen Aphorismen so vielen Radikalen fernab von China als pathetische Agitations- und Welterklärungsformeln dienten. Ein weiterer Teil der Studie widmet sich der blutigen Etablierung der Herrschaft Maos nach dem chinesischen Bürgerkrieg.

Julia Lovell: „Maoismus. Eine Weltgeschichte“. Aus d. Engl. v. Helmut Dierlamm und Norbert Juraschitz. Suhrkamp, Berlin 2023, 768 S., 42 Euro

Besonders faszinierend lesen sich die einzelnen Länderkapitel, in denen Lovell den Einfluss Maos und der KPCh auf den Vietnamkonflikt, die Vorgeschichte der antikommunistischen Diktatur Suhartos in Indonesien oder auf die Roten Khmer in Kambodscha analysiert.

Auch die maoistischen Guerillas in Indien, Nepal oder in Peru sind Thema. Alle diese Regime und Bewegungen waren geprägt von antiimperialistischer Ideologie, einem starken Führerkult, der Fetischisierung des Aufstands, tyrannischen Herrschaftsformen und der Ablehnung des Individualismus.

„Maoismus. Eine Weltgeschichte“ ist eine umfängliche Studie, die auch Maos widersprüchliches Eintreten für Frauenrechte behandelt. Aus Platzgründen spart das ohnehin schon dicht geschriebene Buch den karibischen Raum, Albanien oder die Palästinensische Befreiungsorganisation (PLO) aus. Julia Lovells Porträts von ausgewählten Orten des Maoismus sind jedoch absolut lesenswert.

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