Geschlossene Unterbringung: Rot-Grün bringt Inklusion voran

In den Koalitionsverhandlungen haben sich SPD und Grüne auf ein geschlossenes Heim für junge Flüchtlinge geeinigt. SPD drückt aufs Tempo.

Houdini in einer Kanne

Wegsperren ist für manche kein Problem: Harry Houdini in der Kanne. Foto: Archiv

BREMEN taz | Bremen bekommt eine geschlossene Einrichtung für jugendliche Flüchtlinge, die straffällig geworden sind. Darauf haben sich SPD und Grüne in den Koalitionsverhandlungen geeinigt. Damit soll „schnellstmöglich“ umgesetzt werden, was der rot-grüne Senat und die Bürgerschaft schon vor der Wahl beschlossen hatten, sagte SPD-Landeschef Dieter Reinken.

Er wolle das Thema auch gar nicht mehr „breit erörtern“ - ihm kommt es vor allem darauf an, „dass jetzt wirklich was passiert“. In den Gesprächen sei die geschlossene Unterbringung auch „keine grundsätzlich strittige Frage“ gewesen, so Reinken.

Dabei wird sie bei den Grünen nach wie vor kontrovers diskutiert. So hatte der scheidende Sozialstaatsrat Horst Frehe es nach der verlorenen Wahl bei der Mitgliederversammlung seiner Partei als einen „Fehler“ seiner Amtszeit benannt, dass die Grünen zwar eine geschlossene Unterbringung ablehnen, „wir aber nicht den Mut hatten, das gegenüber unserem Partner auch deutlich zu machen“.

Susanne Wendland, sozialpolitische Sprecherin der Fraktion, ist weiter strikt dagegen, „Ersatzgefängnisse per Jugendhilfe“ zu schaffen. „Das geht gar nicht und widerspricht humanistischen Erziehungsgrundsätzen“, so Wendland, die sich für einen Ausbau der mobilen Betreuung stark macht.

Laut Polizei gibt es rund 25 Minderjährige in Bremen, die immer wieder durch Diebstahl oder Widerstand gegen Polizisten aufgefallen sind. Sie sollen künftig weggesperrt werden können.

„Ich würde das nicht erweitern wollen“, sagt der grüne Landesvorsitzende Ralf Saxe, der „keine geschlossene Gruppenwegsperrung“ möchte und lieber von einem „zeitlich begrenzten“ intensiv-pädagogischen „Angebot“ für „individuelle Problemlagen“ spricht. Juristen nennen das eine „freiheitsentziehende Maßnahme“ - die im Einzelfall vom Familiengericht genehmigt werden muss.

Die Betroffenen sind teilweise drogenabhängig, teilweise kriegstraumatisiert und aus Sicht der grünen Sozialsenatorin Anja Stahmann „mit den Instrumenten des Jugendhilfesystems nicht zu erreichen“. Ihr Sprecher Bernd Schneider verteidigte das Ressort gegen Vorwürfe aus der SPD, es setze die im Februar gefassten Beschlüsse schleppend um.

Es gebe „keine Blockadehaltung“, sagt er. Derzeit würden aber keine Entscheidungen gefällt, die den künftigen Senat „maßgeblich binden“. Die Sozialbehörde setzt auf die im Hamburg neu gegründete Gesellschaft Pädagogisch Therapeutische Jugendhilfe (PTJ) als Träger.

Die habe einen „guten Eindruck“ hinterlassen, so Schneider. Anders als zunächst geplant wird das Heim aber wohl nicht neben dem Knast in Oslebshausen unterkommen.

Aus Sicht der PTJ sei es dort „nicht umsetzbar“, so Schneider. Eine andere Immobilie gibt es bislang nicht, weiter im Gespräch ist das ehemalige Gefängnis im Blockland. Im Ressort setzt man auf eine „gemeinsame Lösung“ mit Hamburg - dort hat Rot-Grün aber etwas andere Vorstellungen als in Bremen.

Auch mit Hinweis auf die jüngst geschlossenen Heime der Haasenburg und des Friesenhofs lehnen namhafte WissenschaftlerInnen derlei „Sonderjugendhilfeeinrichtungen“ weiter ab, ebenso Flüchtlingsgruppen oder Wohlfahrtsverbände.

Rot-Grün sortiere nach ethnischer Herkunft statt nach pädagogischem Bedarf und ignoriere, dass „mildere Intervention“ Vorrang haben müssen, heißt es in einer Petition. Derzeit hat sie rund 850 UnterstützerInnen.

In einem vom Flüchtlingsrat und dem Arbeitskreis kritische Sozialarbeit (AK) gemeinsam mit Refugio, dem Bremer Bündnis Soziale Arbeit und dem Bremer Institut für Soziale Arbeit und Entwicklung organisierten Fachtag am gestrigen Montag wurden Kernpunkte für eine „Bremer Erklärung“ gegen die geschlossene Unterbringung von jugendlichen Flüchtlingen erarbeitet.

Die soll in den nächsten zwei Wochen vorliegen, unterschrieben von Jugendrichtern, Jugendhilfeträgern, Hochschulprofessoren und Akteuren der Flüchtlingshilfe.

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