Golf-Opa deklassiert den Nachwuchs: Zauberer mit künstlicher Hüfte

Er ist 59, gewann zuletzt 1983 und hat eine künstliche Hüfte: Wie Golf-Opa Tom Watson die British Open bis zum letzten Loch verzauberte – und dann hauchdünn nicht gewann.

Der alte Mann und das Meer: Tom Watson hat eine der schönsten Niederlagen des Weltsports erlitten. Bild: reuters

BERLIN taz | Vier Tage lang lief er wie entrückt durch die Dünenlandschaft im schottischen Turnberry. Immer munter vorneweg mit großen Schritten und immer ein weises Lächeln im zerfurchten Gesicht. Tom Watson wirkte wie ein Außerirdischer, der mit diesen jungen Haudraufs spielt, die allesamt seine Söhne, teilweise seine Enkel hätten sein können.

Zwischendurch schwang er mit stoischer Selbstverständlichkeit seinen Schläger und traf den Ball fast immer zu seiner Zufriedenheit. Und wenn doch mal was danebenging, dann lächelte er genauso. Unterwegs habe er, sagte Watson, "Spiritualität gefühlt".

Um ein Haar hätte der US-Amerikaner, der Anfang September 60 Jahre alt wird, die British Open gewonnen, das älteste und wichtigste Golfturnier der Welt. Am letzten, dem 72. Loch, lag er als letzter Spieler gut zwei Meter von der Fahne. Doch der Putt blieb zum Entsetzen derer neben dem Loch liegen, die er vier Tage lang verzaubert hatte, also aller.

Beim Stechen über vier Loch mit Landsmann Steward Cink am späten Sonntagabend war die Magie dann dahin. Watsons Spiel brach zusammen. Vielleicht schmerzte auch die erst im Oktober implantierte zweite künstliche Hüfte.

Mit Gewinner Cink musste man fast Mitleid haben. Er wird immer als der Lump in Erinnerung bleiben, der Watson den Titel stahl. Selbst der Höflichkeitsapplaus der höflichen Briten geriet arg dünn. Cink sprach von einer "surrealen Erfahrung", er sei schon glücklich, dies nur miterleben zu dürfen, auch wenn er nicht gewonnen habe.

Ein Sieg des Golf-Opas (Weltranglisten-Position 1.373), der nur mit einer außerordentlichen Einladung aus Nostalgiegründen teilnehmen durfte, wäre ein Wunder gewesen, das seinesgleichen im Weltsport lange suchen hätte lassen müssen. Zum 138. Mal wurden die British Open gespielt, Watson hat den Titel fünfmal gewonnen, zuletzt 1983 und das erste Mal 1975. Da war Ali Boxweltmeister, Schmidt Kanzler und der heute fast glatzköpfige Spielverderber Steward Cink gerade mal zwei Jahre alt.

Auch im Golf, dem vermeintlichen Altherrensport, ist jenseits der 40 allmählich Schluss mit Weltklasse, weil die Körperdrehungen nicht mehr so geschmeidig und dynamisch sind, weil Rücken und Hüften zwicken. Watsons Schwung ist unvergleichlich schön geblieben, und er hat schier eiserne Handgelenke behalten, die ihm bessere Rettungsschläge aus dem tiefen Rough ermöglichen als den jungen Weitenjägern mit ihrem Materialfetischismus.

Doch Watson blieb der schier unfassbare Triumph verwehrt. Hätte nicht … wäre doch … was wäre gewesen, wenn dieser eine Putt … So ist es immerhin eine der schönsten Niederlagen des Weltsports geworden, als ein 59-Jähriger einmal nicht die British Open gewann.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.