Großbritanniens Ruanda-Abschiebungen: Flüchtlingspolitik auf Abwegen

Der umstrittene britische Deal mit Ruanda ist beschlossen. Er wird keine Abschreckung erzielen, aber taugt auch nicht als Vorbild für Europa.

Menschen in Schwimmwesten verlassen ein britisches Boot

Ankunft eines Boots mit Geretteten in Dover, 23.April Foto: Toby Melville/reuters

Das britische Ansinnen, Asylsuchende nach Ruanda auszufliegen, statt ihre Asylanträge in Großbritannien aufzunehmen, ist in jeder Hinsicht unsinnig. Als Abschreckung taugt das Vorhaben nur, wenn die Aussichten für Flüchtlinge in Ruanda so schrecklich sind, dass niemand mehr nach Großbritannien kommt. Rechtssicher umzusetzen ist es gleichzeitig nur, wenn die Aussichten für Flüchtlinge in Ruanda so gut sind, dass sie allen internationalen Standards entsprechen.

Die britische Rechte wollte Ersteres. Die britische Justiz erzwang Letzteres. Für die Flüchtlinge ist das gut. Für die Flüchtlingspolitik bringt es nichts.

Großbritanniens Ruanda-Deal bietet Flüchtlingen nach Jahren der Überarbeitung in Ruanda hohe Asylstandards, von denen sie auf Lesbos oder in Libyen nur träumen können. Damit taugt er nicht mehr als Modell für eine härtere Flüchtlingspolitik, wie es rechte Kräfte quer durch Europa gerne hätten.

Er taugt aber auch nicht als Modell für eine humanere Flüchtlingspolitik, denn er beruht nach wie vor auf Zwang statt auf Freiwilligkeit und beraubt die Betroffenen der Lebensperspektive, für die sie immense Opfer gebracht haben. Der Deal bringt auch den beiden Ländern nichts: Großbritannien zahlt irrsinnige Summen, Ruanda verspielt leichtfertig sein Image in der Welt.

Doppelstandards

Dennoch: Viel von der internationalen Kritik ist scheinheilig. Das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR spricht von einem Bruch der UN-Flüchtlingskonvention – aber zugleich fliegt das UNHCR selbst Flüchtlinge nach Ruanda aus, nämlich aus libyschen Lagern, von wo aus die Leute eigentlich nach Europa wollten – 2.150 Menschen in 17 Flügen nach jüngsten ruandischen Angaben. Das sind plumpe Doppelstandards.

Und wer sich in Europa empört, darf nicht vergessen: Es geht in Großbritannien um Menschen, die aus der EU geflohen sind. Warum landen denn so viele überhaupt an den britischen Küsten? Weil die britische Küstenwache sie birgt, anders, als es etwa im Mittelmeer Standard ist. Warum bleiben die Leute denn nicht in Frankreich oder den anderen europäischen Staaten? Könnte es mit Frankreichs systematischer Polizeigewalt gegen Schwarze und Araber zu tun haben? Mit dem Umstand, dass Asylsuchende in vielen Ländern Europas weitaus schlechter behandelt werden als in Brexit-Großbritannien?

Wer den Ruanda-Deal kritisiert, sollte im britisch-ruandischen Asylpartnerschaftsabkommen das Kleingedruckte über den korrekten Umgang mit Asylanträgen lesen. Und dann dafür sorgen, dass das nicht nur in Ruanda, sondern auch in Europa Standard wird.

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