Grüne im niedersächsischen Verden: Einschusslöcher am Grünen-Büro

In Verden klaffen drei Einschusslöcher am Parteibüro der Grünen. Politisch motiviert war die Tat wohl nicht, sagt die Polizei. Dennoch gibt es Sorgen.

Eine Glasscheibe mit einem kleinen aussplitternden Loch

Drei solcher Löcher fand ein Mitarbeiter am Freitag im Fenster des Parteibüros der Grünen Verden Foto: Jonas Walzberg

BREMEN taz | Bei einem Angriff auf die Parteizentrale der Grünen im niedersächsischen Verden hält die Polizei eine politisch motivierte Tat für „eher unwahrscheinlich“. So steht es in einer Mitteilung von Montag. Am vergangenen Freitag hatte ein Mitarbeiter drei Einschusslöcher in den Schaufenstern des Büros entdeckt und die Polizei gerufen.

Die Löcher könnten von einer Luftdruckwaffe stammen, das habe die Spurensicherung vor Ort ergeben. Der Grund für die Einschätzung der Polizei: In den vergangen Wochen, schreibt eine Sprecherin weiter, hätten sich mehrere ähnliche Vorfälle ereignet – „mutmaßlich ebenfalls mit Luftdruckwaffen“. Es seien zwar keine anderen Parteiräumlichkeiten betroffen. Aber: Es bekenne sich auch niemand zu dem Vorfall.

Befragungen der Anwohner*in­nen hätten nichts ergeben, das auf eine politische Tat hinweisen könnte, sagt Kerstin Gliesche, Mitglied im Kreisvorstand der Grünen Verden. Auch habe es sonst keine Drohungen gegeben, auch kein Bekennerschreiben. „Wir hoffen, dass das auch so bleibt.“ Im Büro selbst sei nichts beschädigt. Die Löcher, so Gliesche, seien Freitag entdeckt worden – die mögliche Tatzeit erstrecke sich aber fast bis Anfang August. Denn: „Das Büro ist nicht regelmäßig besetzt.“

Obwohl ein politischer Hintergrund des Vorfalls eher nicht besteht, lässt die Tat die Grünen vor Ort nicht kalt. „Die Frau, die da starten wird, hat sich schon Gedanken gemacht, wie sie damit umgeht“, sagt Gliesche. Es sei „kein Grund, die Stelle nicht anzutreten – aber man macht sich Gedanken um die eigene Sicherheit“.

Weitere Vorfälle in Niedersachsen

Das schwäche die politische Arbeit. „Es ist ja das Gegenteil von dem, was wir uns wünschen. Wir wollen Leute motivieren, sich öffentlich zu engagieren.“ Trotzdem: „Wir sind unheimlich froh, dass es keine politisch motivierte Straftat ist.“ Davon habe es in letzter Zeit genug gegeben.

Gliesche spielt auf zwei Vorfälle an: Anfang vergangener Woche wurde auf den Sitz der Stiftung niedersächsische Gedenkstätten in Celle ein Anschlag verübt. Mehrere Fensterscheiben wurden zerstört und eine Informationstafel von der Wand gerissen, teilte die Stiftung mit, die einen Zusammenhang mit dem am Wochenende abgehaltenen Parteitag der AfD in Celle sah. Die Stiftung und die Gedenkstätte Bergen-Belsen hatten gemeinsam mit anderen zu einer Demo dagegen aufgerufen.

Und am 12. August wurde der grüne Landtagsabgeordnete Christian Schroeder in Gifhorn angegriffen. Bei einem Konzert habe eine unbekannte Person erst „lautstark seine recht pauschale Ablehnung der Politik der Grünen“ geäußert und Schroeder dann „durch massiven Körpereinsatz zu Boden“ geworfen, berichtete die Landtagsfraktion der Partei. Nur andere Be­su­che­r*in­nen hätten Schlimmeres verhindert, sodass Schroeder lediglich Prellungen davontrug. „In den vergangenen Jahren häufen sich überall in Deutschland verbale und körperliche Übergriffe auf Amts- und Mandatsträger*innen“, sagte die Fraktionsvorsitzende Anne Kura danach.

Im Raum Verden scheint das trotz des Vorfalls und der Unsicherheit danach noch nicht ein allzu großes Problem: „Bisher ist der überwiegende Tenor, dass die Lokalpolitik hier nicht so sehr von konkreten Bedrohungen beeinflusst wird“, sagt Gliesche. Im Verdener Büro kämen Bür­ge­r*in­nen zum Diskutieren vorbei, mehr aber auch nicht. „Aber wenn man in den sozialen Medien mitliest, muss man schon sagen: Da verändert sich der Ton.“

Grenzen der freien Meinungsäußerung

So sieht es auch die Landesvorsitzende der Grünen Niedersachsen, Greta Garlichs. „Meinungsäußerungen sind okay, aber es spitzt sich derzeit zu, vor Ort und in den Medien.“ Niedersachsens grüner Umweltminister Christian Meyer hat im Juni sogar eine Morddrohung erhalten. „Wenn Wölfe entnommen werden, werden auch Sie entnommen“, hieß es laut seiner Aussage in dem Schreiben.

Noch ein Beispiel, wenn auch ein weitaus harmloseres, das noch leicht als Meinungsäußerung durchgeht: Garlichs habe am Montag ein Foto bekommen von einem Schild auf dem Acker eines Landwirts, der bei den Freien Bauern – einer Interessenorganisation der bäuerlichen Familienbetriebe – engagiert sei: „Brechen wir die grüne Welle, bevor sie uns bricht“, stehe darauf.

Erhöhte Unsicherheit, beschmierte Geschäftsstellen, Steinschläge – all das werde in Niedersachsen mehr, sagt Garlichs weiter. „Es ist wichtig, dass Menschen sich bei politischen Engagement sicher fühlen. Aber wenn sich die politische Stimmung merkbar verändert, führt das zu Diskussionen und einem Gefühl der Unsicherheit.“ Das Problem sei aber nicht neu und auch kein rein grünes.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.