Grünen-Sprecherin über Animal Hoarding: „Strengere Regeln für Tierschutz“

Sich privat exotische Wildtiere zu halten, ist ein Trend. Miriam Staudte von der niedersächsischen Grünen-Fraktion fordert einen Sachkundenachweis.

Eine Schlange streckt ihre Zunge heraus

Gefährlich: Im niedersächsischen Sehlde ist eine Frau nach einem Schlangenbiss fast gestorben Foto: Roland Weihrauch/dpa

taz: Frau Staudte, am vergangenen Wochenende wurde eine Tierhalterin aus Sehlde fast von ihrer Klapperschlange getötet. Sie hatte 115 Würge- und Giftschlangen gehalten. Das Veterinäramt war ahnungslos. Was denken Sie, wenn Sie so etwas hören?

Miriam Staudte: Mehrerlei. Die Veterinärämter sind überfordert, zumal in Fällen von Animal Hoarding. Sie leiden unter Personalnot und können nicht jeden Fall zeitnah prüfen, es fehlen Kapazitäten, um Tiere notfalls sofort zu beschlagnahmen. Und wir Grünen fordern seit Jahren einen Sachkundenachweis für HalterInnen exotischer Tiere. Letztes Jahr hat der Landtag die Landesregierung aufgefordert, ihn zur Pflicht zu machen. Schlimm, dass jetzt wieder ein Fall eingetreten ist, der sich hätte verhindern lassen.

Die Haltung exotischer Wildtiere scheint ein Trend zu sein. Fast nichts ist hier gesetzlich geregelt, und jährlich werden Millionen von ihnen nach Deutschland importiert. Warum machen Menschen das?

Das ist tatsächlich ein Hype, und die Gründe sind vielfältig. Es gibt Fernsehsendungen über Tiersupermärkte, wo das Tier einfach nur eine Ware ist. In vielen Musikvideos sind gefährliche Tiere als Accessoire zu sehen, und das führt zur Nachahmung. Manche Menschen, die ­Hoarding betreiben, denken, dass sie dadurch zu Tierschützern werden, dass die Tiere es nirgendwo so gut haben wie bei ihnen. Andere denken, sie wären Züchter, und dann wächst ihnen alles über den Kopf. Auch die Kompensierung von Vereinsamung spielt eine Rolle.

Vielfach sind selbst die Nachbarn ahnungslos?

Gerade bei Reptilien bekommen sie oft nichts mit. Hunde und Katzen machen sich bemerkbar, Reptilien sind still. Deshalb ist es oft so schwierig, problematischen Haltungen auf die Spur zu kommen.

Mit Ihrer Forderung nach einem Sachkundenachweis sind Sie nicht allein.

Auch die Wildtierhalterverbände wünschen ihn sich, als Pflicht. Sie bieten Schulungen an, aber nur die wenigsten Tierhalter gehen hin. Wir haben den Hundeführerschein, es gibt also Möglichkeiten, derlei einzufordern. Ein Sachkundenachweis würde auch Spontankäufe verhindern.

Auf Tiermessen zum Beispiel?

Genau. Das Tier selber ist ja oft ganz billig, eine kleine Kornnatter wird dir regelrecht hinterhergeworfen. Aber die Haltung ist vielfach aufwendig. Nehmen wir ein Reptil: Das braucht ein Terrarium, und das muss beheizt werden. Die Leute wissen häufig nicht, auf was sie sich einlassen.

46, ist stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen im Niedersächsischen Landtag und deren Sprecherin für Landwirtschaft, Ernährung, Atompolitik, Tierschutz, Forst, Jagd und Fischerei.

Brauchen wir nicht zusätzlich eine Kennzeichnungs- und Registrierungspflicht? Und eine Positivliste, welche Tiere gehalten werden dürfen?

Die Positivliste ist eine der Forderungen unseres Landtagswahlprogramms. Sie kann helfen, neue Modetrends in der Tierhaltung einzudämmen. Auch Kennzeichnung kann helfen, aber nicht alle Tiere können gechipt werden, bei Vogelspinnen zum Beispiel ist das schwierig.

Wer kommt für die Folgekosten auf, wenn Tiere beschlagnahmt werden?

Die bleiben an der öffentlichen Hand hängen. Oder an den Tierschutzvereinen, die sich dann um die Tiere kümmern, an den Wildtierauffangstationen. Wir müssen die finanziellen Risiken auf die HalterInnen verlagern. Es kann ja nicht sein, dass jemand seinem Kind eine Schildkröte kauft, die 80 Jahre alt wird, und wenn das Kind dann groß ist und auszieht, wird das Tier abgeschafft und die restlichen Jahrzehnte seiner Lebenszeit muss sich jemand anderes drum kümmern.

Manchmal scheint es ja, als gehe es in dieser Debatte eher um den Schutz des Menschen als um den der Tiere. Dabei sind die ja oft die Hauptleidtragenden.

Natürlich ist das auch eine Tierschutzfrage. Viele verenden beim Fang, auf dem Transport, werden unprofessionell gehalten. Niemand weiß, wie viele Tiere einfach die Toilette runtergespült werden. Viele, die beschlagnahmt werden, sind von ihrer Haltung gezeichnet: Sie verbrennen sich an improvisierten Wärmelampen, sind krank, verstümmelt.

Hinzu tritt ein artenschutzrechtliches Problem?

Es ist ja nicht wirklich zu kontrollieren, ob Tiere aus legalen Züchtungen oder aus Wildfängen kommen, die ihre natürlichen Populationen gefährden.

Muss sich nicht unser Blick auf die private Haltung von Tieren grundsätzlich ändern?

Absolut. Es gibt ja den Konsens, dass Tierschutz ein Staatsziel ist, keine Privatsache. Da muss es strengere Regeln geben! Wir diskutieren stark über die Nutztierhaltung, aber die Haustierhaltung wird kaum thematisiert, obwohl da eklatante Mängel herrschen. Es kann nicht sein; dass da weiterhin weggeschaut wird.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.