Hamburg lässt Schilleroper verfallen: Warten, bis es zu spät ist

Seit Jahren rostet die denkmalgeschützte Schilleroper in Hamburg vor sich hin. Dass die Stadt sie tatsächlich retten will, wird immer unglaubwürdiger.

Stahlskelett der Schilleroper im Sonnenlicht

Rostend auch ein schöner Anblick: Die Schilleroper in Hamburg Foto: Christian Charisius/dpa

Wenn die Sonne hinter dem Gerippe der Schilleroper in Hamburg untergeht, glänzen die Stahlträger in wundervoll vielen Brauntönen. Wie ein gelandetes Ufo thront dieses Ungetüm dann umgeben von den schnöden Wohngebäuden auf St. Pauli. Zu verdanken hat man diesen wundervollen Anblick den Hamburger Behörden.

Denn sie haben zum einen der Eigentümerin die Erlaubnis erteilt, alles von dem vor sich hin modernden Bauwerk abzureißen, was nicht denkmalgeschützt ist. Anstatt zu verrotten, verrostet die Schilleroper nun in aller Schönheit. Und zum anderen geben sich die Behörden auch richtig Mühe, dass sich an diesem Prozess wirklich gar nichts ändert – nun schon zwei Jahre lang können Vorbeigehende dankbar sein für diesen erhabenen Anblick.

Wer jetzt Sorgen hat, dass sich daran zeitig etwas ändert, kann sich wieder beruhigen. Also nicht ganz, schließlich frisst sich der Rost ja weiter durch den Stahl und irgendwann stürzt das alles ein. Aber die Stadt wird so schnell nicht dafür sorgen, dass der Anblick verschandelt wird.

Das ist klar, weil Heike Sudmann, Bürgerschaftsabgeordnete der Linken, mal wieder beim Senat nachgefragt hat, was er denn endlich zu tun gedenkt, um den weiteren Verfall zu verhindern. Die Antwort ist verblüffend: Kommenden Monat will die zuständige Kulturbehörde einen Gutachter beauftragen, der feststellen soll, dass nun aber wirklich ein Korrosionsschutz notwendig ist.

Zaghafte Behörde

Bis das Gutachten vorliegt, soll es wohl drei Monate dauern – der regnerische Herbst dürfte dann bereits begonnen haben. „Das unglaubliche Trauerspiel des Senats geht weiter“, sagt Sudmann – und hat recht. „Statt auf die Tube zu drücken, wird das notwendige Gutachten so spät vergeben, dass der nächste harte Winter für die Schilleroper droht.“

Immer und immer wieder – die Debatte um den Erhalt des ehemaligen Zirkusbaus hält schließlich schon seit Jahren an – betont die Kulturbehörde, dass aber auch alles schwierig sei: Die Eigentümerin will die Oper am liebsten abreißen und einen hübschen Neubau errichten. Darauf muss die Kulturbehörde eben ganz vorsichtig, weil rechtssicher reagieren. Und das braucht leider wahnsinnig viel Zeit für jeden noch so kleinen Schritt.

Nur ist so langsam fraglich, ob man der Kulturbehörde überhaupt noch glauben kann, dass sie wirklich am Erhalt der Schilleroper interessiert ist. Großspurige Ankündigungen gab es von ihr schließlich in den vergangenen Jahren schon mehrfach. 2019 etwa hatte die Behörde schon bekanntgegeben, Sicherungsmaßnahmen angeordnet zu haben – würde die Besitzerin diese nicht ausführen, dann beauftragt halt die Behörde jemanden, der den Schutz auf Kosten der Besitzerin ausführt.

Danach war nicht mehr viel von dieser robusten Rettungsmaßnahme zu hören – stattdessen durfte die Eigentümerin später die nicht denkmalgeschützten Teile der Schilleroper abreißen. Das Stahlgerüst ist seither gänzlich Wind und Wetter ausgesetzt.

Über die Gründe für die städtische Haltung gegenüber der profitorientierten Eigentümerin lässt sich nur spekulieren und vielleicht ist die Kulturbehörde tatsächlich so ängstlich, in einen Rechtsstreit zu geraten. Dass man ihr aber kaum noch glauben mag, ernsthaft das Denkmal retten zu wollen – diesen Eindruck hat sie selbst erst durch Untätigkeit entstehen lassen.

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Jahrgang 1991, hat Politik und Geschichte in Göttingen, Bologna und Hamburg studiert. Von 2020 bis August 2022 Volontär der taz nord in Hamburg, seither dort Redakteur und Chef vom Dienst. Schreibt meist über Politik und Soziales in Hamburg und Norddeutschland.

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