Hamburger Senat gegen Volksinitiativen: Beteiligung nur analog erwünscht

Volksinitiativen dürfen in Hamburg auch digital unterstützt werden. Der Senat will aber keine zulässige Möglichkeit schaffen, beklagt die CDU.

Mehrere Aktenordner stehen in Hamburger Rathaus

16.000 handschriftlich eingetragene Unterstüt­zer:in­nen: Gender-Volksinitiative im Rathaus Foto: Markus Scholz/dpa

HAMBURG taz | Dass der Hamburger Senat gerne mit dem Ausbau von digitaler Beteiligung wirbt, zeigte sich jüngst am Montag, als die Umweltbehörde die Ham­bur­ge­r:in­nen dazu aufrief, online Ideen einzubringen, wo die Stadt Spielmöglichkeiten für Kinder ausbauen könnte. „Künftige Bedürfnisse einer modernen Stadtgesellschaft und aktuelle Trends“ könne die Stadt so dank seiner engagierten Bür­ge­r:in­nen schnell aufnehmen.

Geht es hingegen um Bürger:in­nen­be­tei­li­gung in Form von Volks­inititativen, die in der Regel Gesetze gegen den Willen des Senats durchsetzen will, sieht die Sache anders aus: Da müssen die In­itia­to­r:in­nen meist auf der Straße oder an Plätzen Bür­ge­r:in­nen handschriftlich ihre Meldedaten samt Unterschrift kritzeln lassen, ehe die Aktenordner mit den gesammelten Listen im Rathaus eingereicht und von Be­hör­den­mit­ar­bei­te­r:in­nen gezählt und auf Gültigkeit überprüft werden.

Dabei hatte der Senat schon längst gesetzlich geregelt, dass Bür­ge­r:in­nen eine Volksinitiative auch auf digitalem Weg unterstützen können. Eine Senatsantwort auf eine CDU-Bürgerschaftsanfrage zeigt jedoch, dass er dazu gar nicht willens ist.

Wie der Senat selbst antwortet, hatte er 2007 das Gesetz zur Volksgesetzgebung angepasst und klargestellt, dass auch „andere Verfahren, die den Vorgaben einer rechtsverbindlichen Authentifizierung und der Schriftform auf der Grundlage bestehender bundes- und landesrechtlicher Regelungen entsprechen“ zulässig sind. Allerdings: „Die Entwicklung und Implementierung eines technischen Verfahrens ist bisher nicht erfolgt“, antwortet der Senat.

Digitalisierung lohnt nicht, findet der Senat

Dabei ist der Weg Hamburger Volksinitiativen durchaus anspruchsvoll. In der ersten Phase haben die In­itia­to­r:in­nen zwar noch sechs Monate Zeit, um 10.000 Unterschriften zu sammeln. Danach jedoch ist häufig schon Schluss: Falls der Senat dann nicht schon erfolgreich gegen Initiativen geklagt hat, müssen sie im Volksbegehren innerhalb von drei Wochen mehr als 65.000 Unterschriften gesammelt haben.

Weil ebendieses Volksbegehren selten stattfinde, sieht der Senat keinen Handlungsbedarf, die gesetzliche Vorgabe umzusetzen: Zu berücksichtigen sei schließlich, dass zuletzt ein Volksbegehren im Dezember 2014 durchgeführt wurde. „Ein technisches Verfahren sollte eine Nutzung über den temporären Einzelfall hinaus gewährleisten“, schreibt der Senat.

„Es ist ein Armutszeugnis, dass SPD und Grüne bislang weder die Volksabstimmungsverordnung angepasst noch die Einführung eines technischen Verfahrens in Angriff genommen haben“, beklagt deshalb André Trepoll von der CDU-Bürgerschaftsfraktion.

Anlass für die Nachfrage der CDU ist die umstrittene Volksinitiative gegen das Gendern. Sie will geschlechtergerechte Sprache in der Hamburger Verwaltung per Gesetz verbieten. Die CDU unterstützt die Initiative, half in der Vergangenheit auch schon beim Sammeln von Unterschriften. Die Initiative hat die erste Stufe auf dem Weg zu einem Volksentscheid genommen, beim Volksbegehren könnte es nun aber eng werden. Denn die Sammelphase wird voraussichtlich während der Sommerferien im kommenden Jahr stattfinden müssen. Es dürften also weniger Wahlberechtigte auf Hamburgs Straßen und Plätzen anzutreffen sein, die die Initiative unterstützen.

Volksinitiative könnte Verfassungsgericht einschalten

Jens Jeep, einer der In­itia­to­r:in­nen der aktuellen Initiative, denkt deshalb über einen Eilantrag beim Hamburgischen Verfassungsgericht nach, weil der Senat gegen das Volksabstimmungsgesetz verstoße. „Wir hoffen nicht, dass es nötig wird“, sagt Jeep. Indes: „Das Gesetz stellt die Unterstützung in elektronischer Form nicht in das Belieben des Senats.“

Mit dem aktuellen Personalausweis im Kreditkartenformat bestehe schließlich die Möglichkeit, durch Scannen mit einer geeigneten App Dokumente elektronisch rechtssicher zu unterzeichnen. Und der Bund habe bereits eine entsprechende App entwickelt, die kostenlos nutzbar ist. Mit der „AusweisApp2“ des Bundes brauche Hamburg keine eigens entwickeln.

Alles, was die Verwaltung tun muss, so Jeep, „ist das Bereitstellen einer Webseite, auf die am Computer oder mobil zugegriffen werden kann und die sodann zur Unterstützung des Volksbegehrens die AusweisApp2 öffnet.“ Tatsächlich könnte das auch die Auszählung der Stimmen erleichtern, ebenso die Gültigkeitsprüfung, meint Jeep.

Ob die Initiative Erfolg haben wird, hängt aber weiter auch vom Einsatz der In­itia­to­r:in­nen ab. Und dieser Kreis ist zuletzt um eine Person geschrumpft: Sabine Mertens, die die Initiative gegründet hatte, hat sich zurückgezogen, weil sie Anfeindungen beklagte. Für Empörung hatte sie zuvor durch homophobe Äußerungen im Zusammenhang mit dem Gendern gesorgt.

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