Hanoi missbraucht Steuergesetze: Erneut Umweltschützerin in Haft

In Vietnam ist die Umweltschützerin Hoang Thi Minh Hong wegen angeblicher Steuerhinterziehung festgenommen worden. Es ist der fünfte Fall dieser Art.

Vietnams umstrittener Minister für öffentliche Sicherheit To Lam Foto: Imago

In Vietnam hat die Polizei am Mittwoch die promintente Umweltschützerin Hoang Thi Minh Hong unter dem Vorwurf der Steuerhinterziehung festgenommen. Der Sprecher des Außenministerims in Hanoi bestätigte am Donnerstag laut dem US-Sender Radio Free Asia entsprechende Berichte, dass auch ihr Mann und zwei ihrer Mitarbeiter am Vortag in der südlichen Metropole Ho-Chi-Minh-Stadt festgenommen worden waren.

Im Unterschied zu diesen wurde die 51-Jährige aber nicht wieder freigelassen. Hong hatte 2013 die Umwelt- und Klimaschutzorganisation Change gegründet. Mit deren Kampagnen zur Bewusstseinsbildung, nachhaltiger Entwicklung sowie Wildtier-, Klima- und Umweltschutz erwarb sie sich hohes Ansehen. Mehrfach wurde sie international ausgezeichnet.

Hilfreich für ihre Arbeit war ihr ohnehin hoher Bekanntheitsgrad. Denn Hong war 1997 als erste Vietnamesin in der Antarktis gewesen. Ab 2002 arbeitete sie für die internationale Umweltorganisation WWF. Die vietnamesische Ausgabe des Magazin Forbes zählte sie im Jahr 2019 zu den 50 einflussreichsten Frauen des Landes. 2015 war sie bereits als Klimaheldin gelistet worden und 2018 erhielt sie ein Stipendium der Obama-Stiftung.

Weil die Behörden in dem autoritär regierten Einparteienstaat ab 2021 verstärkt gegen zivilgesellschaftliche Umweltorganisationen vorgingen und einige ihrer Führer wegen angeblicher Steuervergehen anklagten, zog Hong selbst im Oktober 2022 die Notbremse. Sie trat nicht nur von der Führung von Change zurück, sondern erklärte sicherheitshalber auch ihre Organisation für aufgelöst.

Die Selbstauflösung half nicht

Doch das half nicht. Nach den bekannten Um­welt­schüt­ze­r*in­nen Mai Phan Loi, Dang Dinh Bach, Bach Hung Duon und Nguy Thi Khan wurde Hong jetzt bereits als fünfte Umweltaktivistin unter dem Vorwurf angeblicher Steuerhinterziehung festgenommen.

Der 44-jährige Anwalt Dang Dinh Bach war im Juni 2021 verhaftet und später mit fünf Jahren Haft am härtesten wegen angeblicher Steuervergehen bestraft worden. Er kündigte für den 24. Juni, dem dritten Jahrestag seiner Verhaftung, einen Hungestreik bis zum Tod an.

Die Ex-Dipomatin Nguy Thi Khan, Gründerin der Umweltorganisation Green-ID und 2018 Vietnams erste Preisträgerin des renommierten Goldman-Umweltpreises, war letztes Jahr zu einer zweijährigen Haftstrafe verurteilt worden, weil sie angeblich das Preisgeld nicht versteuert hatte. Sie wurde aber im Mai dieses Jahres vorzeitig aus dem Gefängnis entlassen.

Vietnams Steuergesetze sind sehr vage und lassen sich deshalb nach Ansicht von Beobachtern von der Justiz leicht missbrauchen, um Personen aus dem Verkehr zu ziehen, die der Regierung oder einzelnen Fraktionen ein Dorn im Auge sind.

Kritik von UN-Menschenrechtskommissar

Marta Hurtado, die Sprecherin des UN-Menschenrechtskommissars, kritisierte am Freitag in einer Erklärung Hongs Festnahme wie das generelle Vorgehen der Behörden. Hurtado zufolge lägen dem UN-Menschenrechtskommissar allein für 2023 Berichte über die Festnahme von mindestens 20 zivilgesellschaftlichen Ak­ti­vis­t*in­nen vor. Zugleich beklagte Hurtado die Einschränkungen der Meinungsfreiheit sowie die mangelnde Unabhängigkeit von Vietnams Justiz.

Phil Robertson von Human Rights Watch forderte die USA, die EU und einzelne Regierungen auf, ihre Finanzierung von Klimaschutzprogrammen in Vietnam zu überdenken: „Ohne dass sich die Bevölkerung, die von zivilgesellschaftlichen Organisationen wie der von Hongs mobilisiert wird, an solchen Umweltprogrammen beteiligen kann, werden diese höchstwahrscheinlich zu kurz greifen und scheitern.“

Wie wenig Vietnams Kommunistische Partei Kritik aushalten kann zeigte sich erst letzte Woche. Da wurde ein Nudelsuppenverkäufer in der zentralen Stadt Danang zu fünfeinhalb Jahren Haft wegen Verunglimpfung des Staates verurteilt. Er hatte ein Video veröffentlicht, in dem er die Theatralik einen britischen Starkochs nachmachte.

Verfängliche Kulinarikshow mit Blattgold

Von dem hatte sich Vietnams Minister für öffentliche Sicherheit, To Lam, im November 2021 mit einem in Blattgold eingefassten Steak im Wert von knapp 2000 Euro prominent bewirten lassen. To Lam gilt als Mastermind hinter der Entführung des in Ungnade gefallenen Ex-Kaders und Geschäftsmanns Trinh Xuan Thanh von Berlin nach Hanoi im Sommer 2017.

Der Londoner Starkoch hatte selbst ein Video seiner Bewirtung des Ministers in sozialen Medien gepostet. Das Video löste in Vietnam Empörung und Fragen aus, wie sich der Minister mit einem Monatsgehalt von 660 Euro so etwas leisten könne. Doch das Gericht befand den Nudelsuppenverkäufer in Danang jetzt der Propaganda für schuldig.

Immerhin könnte die damalige Affäre und vielleicht auch das Video aus Danang dazu beigetragen haben, dass der ehrgeizige To Lam im Januar 2023 von der KP nicht zum Staatspräsidenten gekürt wurde.

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