Haushalt für Entwicklungszusammenarbeit: Mehr Geld, doch nicht genug

Die Etats für Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe bekommen mehr Budget als gedacht. Angesichts von Armut und Klimakrise trotzdem zu wenig.

Ministerin Svenja Schulze vor zerbombten Ruinen.

Ihr Etat leidet unter den vielen Krisen: Entwicklungsministerin Svenja Schulze bei einem Besuch in der Ukraine im Mai Foto: Natacha Pisarenko/ap/picture alliance

BERLIN taz | Klimakrise, Inflation, Hungersnöte weltweit. Die Zahl der globalen Katastrophen ist ungebrochen hoch. Auch die Folgen der Coronapandemie sind weltweit insbesondere in Entwicklungs- und Schwellenländern zu spüren. Es geht um Lohneinbußen, um fatale Konsequenzen im Kampf gegen tödliche Krankheiten, um Gesundheitssysteme, die sich auch im dritten Jahr der Pandemie nicht wieder stabilisiert haben. Hinzu kommt der nun seit rund neun Monaten währende russische Angriffskrieg auf die Ukraine.

Durch die Blockade an den ukrainischen Häfen konnten Getreide, Futter- und Lebensmittel nicht in großen Mengen exportiert werden. Die Hauptleidtragenden: afrikanische Staaten. Die Folge: Sich verschärfende Hungersnöte in ohnehin von Dürren und anderen Extremwettern geplagten Regionen.

Deutschland ist einer der zentralen Geldgeber weltweit im Kampf gegen Armut, Hunger und die Klimakrise. Das Entsetzen unter Nichtregierungsorganisationen war daher groß, dass die Mittel für den Etat zur Entwicklungszusammenarbeit für 2023 zusammengekürzt werden sollten.

Der Haushaltsentwurf veranschlagte 11,08 Milliarden Euro für das Haus von Entwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD), 1,27 Milliarden Euro weniger als in diesem Jahr. In der Nacht zu Freitag tagte nun der Haushaltsausschuss zu seiner Bereinigungssitzung. Rund 18 Stunden verhandelten die Abgeordneten über den gesamten Haushaltsentwurf.

Angesichts der Energiekrise in Deutschland, ausgelöst durch den Krieg in der Ukraine, und hohe Ausgaben für soziale Entlastungen muss auch der Entwicklungsetat Kürzungen akzeptieren. Allerdings mit weniger harten Einschnitten als gedacht. Vorgesehen sind jetzt 12,15 Milliarden Euro. Für humanitäre Hilfe im Ausland sind rund 708 Millionen Euro geplant. Die UN bekommen etwa 92 Millionen Euro zusätzlich. Damit werden die Etats für Entwicklungszusammenarbeit und der Etat des Auswärtigen Amtes mit je rund einer Milliarde Euro aufgestockt. Insbesondere der Ansatz einer feministischen Entwicklungszusammenarbeit soll über Hilfen für UN-Programme gestärkt werden. Somit will das Ministerium die Zahl der Projekte für Frauen und Mädchen steigern.

Entwicklungsorganisationen schlagen Alarm

Der Haushalt stünde für soziale Gerechtigkeit, Klimaschutz und Freiheit in der Zeitenwende, heißt es in einer gemeinsamen Mitteilung der haushaltspolitischen Sprecher der Ampel-Fraktionen Sven-Christian Kindler (Grüne), Dennis Rohde (SPD) und Otto Fricke (FDP). „Der Angriffskrieg Putins auf die Ukraine löst nicht nur unfassbares Leid in der Ukraine aus, er verschärft auch massiv die weltweiten Krisen“, heißt es weiter. Der finanzielle Beitrag Deutschlands zeige, dass man zur internationalen Verantwortung stehe und die friedliche Entwicklung in der Welt stärke.

Obwohl eine größere Lücke in den Budgets verhindert werden konnte, sind Nichtregierungsorganisationen nach wie vor alarmiert. Die Abgeordneten des Bundestags hätten es sich sicher nicht leicht gemacht, um einen Kompromiss zwischen Klimaschutz, Welternährung und den nationalen wie europäischen Herausforderungen zu finden, sagte Dagmar Pruin, Präsidentin von Brot für die Welt und der Diakonie Katastrophenhilfe. Aber: „Wir müssen nachdrücklich betonen, dass die bereitgestellten Mittel insgesamt im kommenden Jahr nicht ausreichen werden, um Hunger und humanitäre Krisen ausreichend bewältigen zu können.“

Deutlich schärfer äußert sich die Entwicklungsorganisation ONE. Für Direktor Stephan Exo-Kreischer geht die Budgetplanung an der Realität vorbei. Er stellt der Bundesregierung ein „Armutszeugnis“ aus, wenn es um die Bewältigung der Krisen der Welt geht. „Das, was von der Ampelkoalition vollmundig als Signal für eine friedliche Entwicklung in der Welt verkündet wurde, ist leider Augenwischerei“, sagte Exo-Kreischer.

Die Milliarde, die jeweils an das Auswärtige Amt und an das Entwicklungsministerium geht, hätte lediglich drastischere Kürzungen verhindert. Aus seiner Sicht heraus hätte das Budget durchaus auch aus anderen Einzelplänen umgeschichtet werden können. In diesem Jahr stehen dem Bundesentwicklungsministerium 12,35 Milliarden Euro aus dem Einzelplan 23 zur Verfügung. Hinzu kommen rund eine Milliarde für Hilfen für die Ukraine und weitere 495 Millionen Euro im Kampf gegen Hunger weltweit.

Die Schuldenbremse wird 2023 eingehalten

Insgesamt nimmt der Bund 2023 mehr Schulden auf als von Bundesfinanzminister Lindner geplant. Die Neuverschuldung wird demnach von 138,9 Milliarden Euro im laufenden Jahr auf 45,6 Milliarden Euro im Jahr 2023 zwar deutlich gesenkt, aber Lindner hatte auf deutlich weniger Schulden gehofft: nämlich auf nur rund 17,3 Milliarden Euro.

Laut Beschluss des Haushaltsausschusses will der Bund 476,3 Milliarden Euro ausgeben. Das sind etwa 31 Milliarden Euro mehr als von Lindner eingeplant. Die Schuldenbremse wird im kommenden Jahr eingehalten. Drei Jahre lang hatte eine Ausnahmeregelung gegriffen. Zunächst aus Pandemiegründen, dann durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine. Voraussichtlich am 25. November soll der neue Haushalt im Bundestag beschlossen werden.

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