Hilfetelefon für Jour­na­lis­t*in­nen: Tabubruch in den Redaktionen

Auch Jour­na­lis­t*in­nen erleben Traumata und Stress, wenn sie etwa über Krieg und Katastrophen berichten. Ab 2023 soll es ein Hilfetelefon geben.

Ein Journalist steht in einem Krater vor einem zerstörten Hochhaus

Potenziell belastender Job: Ein Journalist im Ukraine-Krieg Foto: Gert Jochems/VU/laif

Jour­na­lis­t*in­nen und Medienschaffende kennen es: Stress, Deadline und Arbeit sind von der Freizeit schwer zu trennen. Wenn man über den berufsbedingten Stress hinaus aber psychosoziale Belastungen verspürt, dann bleiben Jour­na­lis­t*in­nen in Deutschland damit oft allein. Das möchten das Dart Centre for Journalism & Trauma Europe und Netzwerk Recherche nun ändern und eine Helpline einrichten.

„Durch die Arbeit beim Dart Center sehen wir, dass dieses Angebot dringend benötigt wird“, sagt Jeanny Gering, Projektbetreuerin des Helpline-Projekts. Der Verein vernetzt weltweit und setzt sich für ein besseres Verständnis von Traumata ein, die durch die Berichterstattung über belastende Themen wie Krieg und Katastrophen bei Jour­na­lis­t*in­nen entstehen können. Gleichzeitig will das Dart Center eine sensible Berichterstattung über Traumata fördern.

Die Helpline soll eine telefonisch erreichbare Beratungsstelle sein und genau diese Themen vereinen. Festangestellte und freiberufliche Journalist*innen, die arbeitsbedingten Stress erfahren, können bei der Helpline anrufen. Beispielsweise wegen des Drucks in Redaktionen, schwierigen Arbeitsbedingungen oder Schlafproblemen durch grausame Bilder am Newsdesk.

Die Person am anderen Ende ist auch journalistisch tätig und speziell für die Beratung ausgebildet. Sie hört zu und gibt Ratschläge zur Problembewältigung. 15 Jour­na­lis­t*in­nen sollen zunächst für die Helpline für das Pilotjahr 2023 vom Dart Center ausgebildet und auf Honorarbasis bezahlt werden.

„Unser Angebot ist eine Hilfe zur Selbsthilfe. Kollegialer Austausch ist wichtig. Das ist mehr als ein Ratsch beim Kaffee, man bekommt die Erfahrung, das Handwerkszeug und die Möglichkeiten aufgezeigt, wenn man anruft“, betont Gering, „Im besten Fall müssen die Hilfesuchenden dann gar nicht mehr zur Therapie. Aber wir arbeiten mit Psy­cho­lo­g*in­nen zusammen, die das Projekt eng begleiten werden. Falls jemand über die Helpline hinaus Hilfe braucht, können wir auf Hilfsangebote verweisen.“

Auch in Redaktionen Geld knapp

Laut einer Studie der Otto-Brenner-Stiftung ist die Medienbranche wie kein anderer Bereich von Transformation betroffen. Das werde, so die Au­to­r*in­nen der Studie, als zusätzlicher Stress wahrgenommen. Zukunftssorgen und Gedanken über einen Berufsausstieg nehmen zu. Die Otto-Brenner-Stiftung und Gewerkschaften im Mediensektor fordern deshalb ein psychologisches Gesundheitsmanagement, um die Gesundheit der Jour­na­lis­t*in­nen nachhaltig zu schützen.

Jeanny Gering meint, nach Kriegsbeginn in der Ukraine meldeten sich verstärkt Menschen beim Dart Center. Auch die Isolation im Homeoffice verstärke die Probleme. Eine Helpline kann eine anonyme Anlaufstelle sein, um mit Menschen zu sprechen, die diesen Arbeitsalltag kennen. „Es ist ein Tabubruch, denn genau das ist die mentale Gesundheit am Arbeitsplatz häufig leider noch“, sagt Gering.

Die Finanzierung des Projekts ist allerdings schwer. „Wir erhalten viel positiven Rücklauf von den Stiftungen und Redaktionen“, meint die Projektbetreuerin. „Die Süddeutsche Zeitung ist das erste Medienhaus, das den Ausbau der Helpline finanziell unterstützt. Von anderen bekommen wir manchmal die Rückmeldung, dass es auch in den Redaktionen mit dem Geld knapp ist. Aber gerade solche Krisen kommen ja bei den Ar­beit­neh­me­r*in­nen an und belasten sie.“ Wie das Angebot angenommen wird, muss sich zeigen. Auf dem Jahreskongress von Netzwerk Recherche habe es aber schon viel Zuspruch erfahren.

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