Hisbollah-Chef will Waffenstillstand: Nasrallah lenkt ab

Hisbollah-Chef Nasrallah hat am Samstag in seiner zweiten Rede innerhalb einer Woche verkündet, die Partei bleibe im Krieg vorerst an der Seitenlinie.

Haus mit beschädigter Fassade

Ein Blick auf ein beschädigtes Haus, das von israelischen Raketen im südlibanesischen Grenzdorf Dhayra direkt getroffen wurde. Offiziell nicht im Krieg, aber trotzdem unter Beschuss: Tausende Menschen im Grenzgebiet zwischen Israel und Libanon mussten ihre Häuser wegen Kampfhandlungen evakuieren Foto: Marwan Naamani/dpa

FRANKFURT taz | In seiner Rede am Samstag hat der Generalsekretär der Partei und Miliz Hisbollah im Libanon nochmals bestätigt, dass die Miliz innerhalb eines mit Israel seit 2006 abgesteckten Kampfregeln („Rules of Engagement“) bleibt. Er machte klar, dass die Front im Libanon nicht ausgeweitet werde und schloss sich dem arabischen Sondergipfel an, der am Samstag einen sofortigen Waffenstillstand forderte.

Nasrallah spricht jedes Jahr am Tag der Märtyrer zu seiner Anhängerschaft. Während der flächendeckenden Bombardements Israels auf Gaza, könnte der Miliz-Chef jedoch in jeder Rede ankündigen, dass die Hisbollah ihre Unterstützung der Hamas im Krieg gegen Israel ausweitet. Doch er verwendete seine Zeit darauf, die Aufmerksamkeit, die Stärke der Hamas zu loben, aufzuzählen, wie die Milizen bereits einschreiten und wie stark die USA als Unterstützer Israels international unter Druck gerieten. Nasrallah verwies auch auf die pro-palästinensischen Proteste in westlichen Hauptstädten und sagte, sie übten Druck auf ihre westlichen Regierungen aus. Lange Zeit verbrachte Nasrallah damit, die Aktionen der anderen sogenannten „Proxies“ aufzuzählen. Er verwies auf die militärischen Interventionen des Jemen, Irak und Syrien gegen Israel und amerikanische Stellungen in ihren Ländern. Dann wandte er sich an die USA: „Zu den Amerikanern sage ich: Wenn ihr wollt, dass die Nebenfronten aufhören, müssen Sie die Aggression gegen Gaza einstellen.“

Im Grenzgebiet zwischen Libanon und Israel gibt es bereits einen Krieg, innerhalb abgesteckter Grenzen. Diese sogenannten „Rules of Engagement“, nur innerhalb eines gewissen geografischen Rahmens anzugreifen, gelten seit dem letzten Krieg im Jahr 2006. Seit dem 7. Oktober wurden Angaben von Nachrichtenagenturen zufolge mindestens 90 Menschen, die meisten davon Hisbollah-Kämpfer, getötet, auf israelischer Seite sechs Soldaten und zwei Zivilisten.

In der vorherigen Rede hatte Nasrallah eine rote Linie für ein stärkeres Eingreifen der Hisbollah gesteckt: Er werde Zi­vi­lis­t*in­nen in Israel angreifen, wenn Israel Zi­vi­lis­t*in­nen im Libanon angreift. Doch direkt nach der Rede beschoss die Hisbollah militärische Ziele in Israel stärker als zuvor. Am darauffolgenden Sonntag, dem 5. November, bombardierte die israelische Armee dann zwei Autos, berichtete die staatliche libanesische Nachrichtenagentur NNA. In einem saß der Journalist Samir Ayoub, in dem anderen Auto seine drei Nichten mit ihrer Großmutter. Nach Angaben Ayoubs gegenüber der emiratischen Zeitung The National, sah er das Auto in Feuer aufgehen, Frau und Kinder wurden bei dem Anschlag getötet. Am Samstag meldete die staatliche libanesische Nachritenagentur NNA den am weitesten in libanesische Gebiete hineinreichenden israelischen Angriff seit dem Beginn des Krieges. Eine israelische Drohne soll ein Fahrzeug tief im Landesinneren des Libanon getroffen haben, auf einer landwirtschaftlichen Fläche in der Gegend Sahrani, 45 Kilometer von der Grenze entfernt.

Trotz der Überschreitungen vorheriger Roter Linien der Milizen, wie die Bodenoffensive Israels in Gaza oder Angriffe auf Zivilist*innen, sagte Nasrallah, der Kampf werde in Gaza entschieden. Außerdem sagte Nasrallah, alle Welt fordere einen Waffenstillstand und nur die USA könne die israelischen Aggressionen stoppen.

Parallel zu Nasrallahs Rede im Libanon versammelten sich am Samstag Vertreter arabischer und muslimischer Länder in Saudi-Arabien zu einem Sondergipfel, um zu deeskalieren. Auch Irans Präsident Ibrahim Raisi nahm teil. Es ist der erste Besuch Raisis in Saudi-Arabien seit der Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen den Staaten. Iran ist der größte militärische und finanzielle Unterstützer der Hisbollah und Hamas. Bei dem Gipfel drängten die Staatschefs auf ein Ende der Kämpfe im Krieg Israels mit der radikalislamischen Hamas. „Wir fordern einen sofortigen Waffenstillstand“, sagte der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman.

Auch Libanons Ministerpräsident Nadschib Mikati war in Riad dabei. Der Kabinettschef und seine Mi­nis­te­r*in­nen sind seit den Neuwahlen im Mai 2022 nur übergangsweise mit eingeschränkter Befugnis im Amt, weil sich aufgrund von konfessionellen Streitigkeiten der Parteien keine neue Regierung gebildet hat. Der Libanon hat seit einem Jahr keinen Präsidenten, das Kabinett ist alleine für die aktuellen Angelegenheiten zuständig.

Das Kabinett trifft sich nicht oft, zuletzt am 20. Oktober. Dabei erörterten sie einen 231-seitigen Maßnahmen-Plan für die libanesischen Behörden im Falle eines weitreichenden Krieges mit Israel. Beim nächsten Treffen sollen die Mi­nis­te­r*in­nen über einen Antrag des Telekommunikationsministeriums sprechen. Dieses möchte ein Abonnement mit Starlink abschließen, berichtet die libanesische Tageszeitung L’Orient-Le Jour. Der Satelliten-Internetdienst von Milliardär Elon Musk soll eine kontinuierliche Versorgung im Falle eines ausgedehnten Krieges zwischen Libanon und Israel sicherstellen.

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