Horrende Flugpreise im Libanon: 3.000 Dollar, um die Oma zu sehen

Wer kommt im Sommer zu Besuch? Wer kann es sich leisten? Im Libanon ist die Aufregung groß, denn die landeseigene Airline hat die Preise enorm erhöht.

Ein startendes Flugzeug.

Ein Sitzplatz ist teuer: Flugzeug der libanesischen Middle East Airlines Foto: Rüdiger Wölk/imago

BEIRUT taz | Im Libanon besteht eine paradoxe Situation: Wer im Land lebt, möchte auswandern. Wer es geschafft hat auszuwandern, möchte zurück – zumindest für den Urlaub. Neben Korruption, Klientelismus, stinkenden Dieselgeneratoren und brummenden Klimaanlagen gibt es eben auch Sonne, Mittelmeer und Zedern.

In Beirut und in der libanesischen Diaspora im Ausland ist deshalb in diesem Sommer Gesprächsthema, dass die Fluggesellschaft Middle East Airlines (MEA) die Preise angezogen hat. Die Aus­lands­li­ba­ne­s*in­nen bedauern, ihre Verwandten nicht besuchen zu können. Zwar haben andere Fluglinien die Preise ebenfalls angezogen, doch Hass und Häme konzentrieren sich auf die MEA.

Denn die MEA ist eine landeseigene Airline; die Zentralbank hält 99 Prozent der Anteile. Das heizt die Stimmung in den sozialen Medien an. Der Libanon befindet sich in einer Wirtschaftskrise, die Währung verliert seit vier Jahren an Wert. Der Staat ist pleite, weil Politiker sich öffentliche Gelder in die eigenen Taschen gesteckt haben. Der Chef der Zentralbank, Riad Salameh, ist einer davon und muss sich zurzeit wegen Verdachts auf Geldwäsche vor Gericht verantworten.

„Warum sollten wir zurückkehren… Um noch mehr Geld in die Taschen der korrupten regierenden Elite zu stecken??“, schreibt Michael Mawal unter einem Video auf Tiktok. Er bezieht sich darauf, dass die Zentralbank von den hohen Ticketpreisen profitiert.

Weil der Libanon ein kleines Land ist, gibt es wenig Alternativen zur MEA. „Das Beinahe-Monopol von MEA auf Flüge in den Libanon hat zu einem lächerlich aufgeblähten Markt für diejenigen geführt, die diesen Sommer nach Hause fliegen wollen“, schreibt der Autor Labib Mansour auf dem Blog Beirut.com.

2.600 Dollar für ein Ticket

„Sind MEA-Flupreise dieses Jahr wirklich übertrieben?“, fragte die libanesische Zeitung L’Orient-Le Jour vergangene Woche. „Nicht wirklich, sie sind eine Verarsche“, empörte sich der Unternehmensberater Francois Baroud in einem Kommentar unter dem Instagram-Post, der den Artikel bewirbt.

In dem dazugehörigen Artikel argumentiert das Management der Airline, die Ticketpreise seien zwar „seit 2019 um fast 18 Prozent“ gestiegen, die Tarife dieses Jahr seien im Vergleich zum Vorjahr aber nur um ein Prozent teurer.

Dennoch können viele Li­ba­ne­s*in­nen keine bezahlbaren Tickets finden. „Ich kann meinen Ehemann nicht besuchen, weil die Tickets 1.800 Dollar und mehr kosten“, kommentiert Nutzerin „Zahra0919“. „Ich studiere im Ausland, in Jordanien, diesen Sommer habe ich 2.600 US-Dollar für mein Ticket bezahlt 😭😭😭“, schrieb die Nutzerin „sweetsassysaira“ in einem Kommentar unter einem Video auf Tiktok.

In dem Video beschwert sich „styledinmotherhood“, eine Libanesin, die in den USA arbeitet und jeden Sommer mit ihrer Familie in den Libanon fliegt, über die Preise: Bei einer sechsköpfigen Familie hätte sie für den Wert der Flugpreise über die Jahre bereits ein Haus im Libanon kaufen können.

„Ich gehöre an den Strand“

Die Li­ba­ne­s*in­nen reagieren mit Wut, Sarkasmus und Drama. Die Libanesin „Alana“ schaut in einem Video ungläubig auf die Preise für eine Hin- und Rückreise aus den USA schaut, die über 3.000 US-Dollar liegen. Das Video hat sie mit einem Schrei aus einem Horrorfilm unterlegt.

Nutzer „R“ kommentiert: „Ich möchte doch nur meine Familie sehen. Warum muss ich mein ganzes Erspartes und meine linke Niere dafür hergeben?“ Und „Yusra“ macht einen Seitenhieb auf die Schönheitsindustrie: „Achtung, es ist sehr teuer im Libanon. Günstig ist es nur, sich dort die Haare frisieren zu lassen“. Die Erstellerin des Videos schreibt: „Wie soll ich einen schönen Sommer in den USA haben? 😭😭😭 Ich bin nicht dafür gemacht, ich gehöre an den Strand.“

Weil der Flug von Paris nach Beirut und zurück 1.000 Euro kostet, hat sich der Student und Hobby-Komödiant Bassam Wehbe ein Megafon geschnappt und vor der MEA-Zentrale in Paris demonstriert. Als ihm ein Passant sagt, er habe nur 500 Euro für ein Ticket nach Jordanien bezahlt, scherzt Wehbe, er überlege, in Amman auszusteigen und dann zu Fuß weiterzulaufen.

Auch die Verfasserin dieses Textes dachte Unschickliches, als sie die Flugpreise nach Frankfurt sah. „Der Sommer ist da“, schrieb die taz-Auslandsredaktion diese Woche in einer Mail, um sich über die Urlaubspläne ihrer Au­to­r*in­nen im Ausland zu erkundigen. Die Korrespondentin im Libanon wird gezwungenermaßen die Stellung halten – und am Wochenende genervt dem Klimaanlagen-Brummen in Beirut entfliehen.

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Auslandskorrespondentin für Westasien mit Sitz in Beirut. Hat 2013/14 bei der taz volontiert, Journalismus sowie Geschichte und Soziologie des Vorderen Orients studiert. Sie berichtet aus dem Libanon, Syrien, Iran und Irak, vor allem über Kultur und Gesellschaft, Gender und Fragen der sozialen Gerechtigkeit. Für das taz Wasserprojekt recherchiert sie im Libanon, Jordanien und Ägypten zu Entwicklungsgeldern.

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