Jagdszenen im Berliner Hinterhof: Es geht um die Maus

Mit dem Fenster zum Hof hat man in Berlin einen guten Platz für Ermittlungen. Wie in einem Hitchcock-Film geht es da draußen um Leben und Tod.

Ein Fuchs in einem Berliner Park

Lässt sich gern in Berlin sehen: der Fuchs Foto: picture alliance/dpa/Christophe Gateau

Wir halten uns oft in der Küche auf, wo man den Hof hier in Berlin-Wilmersdorf im Blick hat. Er ist zur Hälfte als Parkplatz gepflastert, hat aber drum herum Büsche, einen kleinen Baum, zwei große Bäume und ein paar Grasflächen.

In einer Mauerecke haben ausgesetzte Kaninchen einen Bau gegraben. Sie werden gelegentlich mit Möhren gefüttert. In einer mit Styropor isolierten Brandmauer haben Stare Löcher reingehackt und sich dadurch zwei Nester geschaffen, diese werden jedoch inzwischen von Spatzen genutzt.

Nachts kommt manchmal ein Fuchs auf der Suche nach Essbarem vorbei

Nachts kommt manchmal ein Fuchs vorbei auf der Suche nach Essbarem. Dann geht ein Bewegungsmelder an, der den Hof für einige Minuten in helles Licht taucht. Das stört den Fuchs aber nicht, er kennt das von anderen Hinterhöfen und nimmt es nicht persönlich. Auch die schwarze Katze, die ihn manchmal von einem Baum aus in sicherer Höhe beobachtet, interessiert ihn nicht.

Die Katze heißt Clara und hat ihren Schlafplatz auf dem Balkon einer Hochparterrewohnung, sie gehört der Mieterin, besucht aber täglich auch eine andere Frau, die vis-à-vis ebenfalls hochparterre wohnt. Auf deren Balkon bekommt die Katze eine Schale Milch, dann darf sie in die Wohnung, wo sie sich auf dem Schreibtisch langstreckt. Aber nur kurz, dann will sie wieder raus.

Kohlmeisen, Krähen und Kleiber

In einem Ahornbaum direkt vor dem Küchenfenster hängen Futterringe, die von einem kleinen Schwarm Kohlmeisen und einer Blaumeise angeflogen werden. An einem Busch finden sich noch gelbe Beeren, die durch den Frost süß geworden sind. Eine Amsel pflückt sie. Weil sie aber nicht gut auf der Stelle fliegen kann, ist sie nach vier Beeren außer Puste.

In einem der hohen Bäume hat ein Krähenpaar sein Nest, das Hofareal wird aber auch immer wieder von zwei Elstern angeflogen auf der Suche nach Futter. Die Nebelkrähen versuchen sie durch lautes Schimpfen zu verscheuchen. Einen Kleiber und einen Eichelhäher, die sich allerdings nur selten auf dem Hof blicken lassen, versucht das Krähenpaar dagegen zu ignorieren. Ähnliches gilt für ein Eichhörnchen, das wir beobachten. Wir gucken so oft aus dem Küchenfenster wie andere Leute auf ihr Smartphone.

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Weil es in der Gegend noch mehr begrünte Höfe gibt und am Ende der Straße zwei Schrebergärten, gehen wir davon aus, dass viele Tiere, die wir vom Fenster aus sehen, nur Kontroll­besuche auf dem Hof machen. Die Spatzen halten sich am liebsten in den immergrünen Sträuchern auf, die auf unserer Seite des Parkplatzes wachsen. Sie werden in einem Vogelhäuschen gefüttert. Manchmal sind es dort ein Dutzend Spatzen. Wenn vormittags die Sonne darauf scheint, zwitschern sie laut und fröhlich. Nachmittags wechseln sie dann mit der dorthin gewanderten Sonne in die Büsche auf der anderen Seite.

Dauerbewohner auf dem Hof sind nur die Kaninchen, das Krähenpaar zur Brutzeit und die Katze Clara. Kürzlich lief am helllichten Tag eine Maus an der Brandmauer entlang, sie wurde von Clara gesehen und gefangen. Augenscheinlich hatte diese aber keinen Hunger, denn sie ließ die Maus immer wieder laufen, um sie erneut einzufangen.

Dieses Spiel sah auch eine der beiden Nebelkrähen. Sie flog vom Baum runter und ging langsam auf ein im Hof geparktes Auto zu. Die Katze und die Maus konnten sie nicht sehen. Die Krähe aber schon, indem sie sich duckte und unter dem Auto durch sah, was sich da an der Mauer tat. Plötzlich unternahm die Maus einen verzweifelten Fluchtversuch unters Auto. Die Katze blickte ihr nach, konnte sie jedoch nicht mehr sehen, weil sie sich an einen Reifen gedrückt hatte. Aber die Krähe sah sie. Mit zwei, drei Trippelschritten war sie bei der Maus, packte sie, kam unter dem Auto hervor und flog mit der Beute auf ihren Nistbaum. Dort blieb sie aber nicht, sondern flog weiter und entschwand unseren Blicken. Wir fragten uns, ob sie die Maus ihrem Partner oder ihrer Partnerin, die sich irgendwo in der Nähe aufhielt, als Geschenk brachte. So etwas soll vorkommen.

Und die Katze hatte wohl genug mit der Maus gespielt, der Verlust schien ihr nichts auszumachen.

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geb. 1947, arbeitet für die taz seit 1980, Regionalrecherchen, ostdeutsche Wirtschaft, seit 1988 kulturkritischer Kolumnist auf den Berliner Lokalseiten, ab 2002 Naturkritik.

Dieser Artikel stammt aus dem stadtland-Teil der taz am Wochenende, der maßgeblich von den Lokalredaktionen der taz in Berlin, Hamburg und Bremen verantwortet wird.

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