Jahrestag des Mauerfalls: Geschichten am Mauerweg

Pünktlich zum 9. November bringt der Verein berlinHistory einen Audioguide zum Berliner Mauerweg heraus. Er führt 164 Kilometer um Westberlin.

An der Brandmauer eines Hauses sind Menschen abgebildet, die durch die geöffnete Mauer strömen, darüber die Jahreszahl: 1989

Foto vom Mauerfall an einer Hauswand an der Schwedter Straße Foto: Uwe Rada

BERLIN taz | Es sind die kleinen Geschichten, die diesen Audioguide interessant machen. Zum Beispiel die von Wilhelm Grubenstein. 1952 hatte er sich bereit erklärt, einem Ehepaar aus Thüringen bei der Flucht nach Westberlin zu helfen. „Kurz nach Mitternacht“, erzählt der Sprecher, „fuhren sie mit zwei Lkw und hoher Geschwindigkeit auf die Grenze zu, voraussichtlich, um sie mit den Wagen zu durchbrechen.“ Doch die Grenzer eröffneten das Feuer. „Willy Grubenstein wurde tödlich getroffen und fuhr mit seinem Wagen in eine Schaufensterscheibe eines Spirituosengeschäfts in der Köpenicker Straße 143.“

Pünktlich zum Jahrestag des Mauerfalls am 9. November hat der Verein berlinHistory in Kooperation mit Wanderwall und mit Förderung der Senatskulturverwaltung eine App zum Berliner Mauerweg veröffentlicht. Die Idee dazu hatte Thom Gallie, der den 164 Kilometer langen Weg um Westberlin vor einem Jahr zu Fuß und mit dem Fahrrad absolvierte.

Gallie will vor allem an die 140 Toten erinnern, die wie Grubenstein an der innerdeutschen Grenze in Berlin ums Leben kamen oder getötet wurden. „Auf 164 Kilometern stellt sich die Frage, wie das geschehen konnte“, schreibt er in der Einleitung zur App. „Wie Menschen, der Willkür des sozialistischen Machtapparats ausgeliefert, ihren Willen und Drang nach Freiheit mit dem Leben bezahlten.“

Viele Fehler in der App

Der Anspruch der App ist zugleich aber auch ihr Problem. Wer die sechs Etappen absolvieren und die Geschichten entlang der Strecke hören will, sollte sich am besten mit dem Fahrrad auf den Weg machen. Alleine die Strecke vom U-Bahnhof Bernauer Straße bis zum Schlesischen Tor misst 14 Kilometer. Und gleich einer der ersten Beiträge beginnt mit einem groben Schnitzer.

Über das Haus an der Schwedter Straße, an dessen Giebel ein Foto von den Menschen prangt, die über die ehemalige Grenze strömen, heißt es: „Der Mauerverlauf nimmt hier einen kuriosen Verlauf, denn zum einen schließt er an drei Stellen das im Westen befindliche Brunnenviertel ein, zum anderen das im Osten liegende Scheunenviertel.“ Doch das Viertel, das dort an das Brunnenviertel grenzt, ist die Rosenthaler Vorstadt, das Scheunenviertel liegt südlich davon.

Auch die zahlreichen Rechtschreibfehler lassen vermuten, dass hier mit heißer Nadel gestrickt wurde. Zudem erschließt sich nicht, warum in den meisten Fällen die Audioversion mit der Textversion identisch ist. Vielleicht hätte sich der Verein auf die kleinen, interessanten Geschichten konzentrieren sollen und auf ausgewählte Strecken, die auch zu Fuß zu bewältigen sind.

Denn die Geschichten sind, wie gesagt, vorhanden. Zum Beispiel die von Michael Meyer. Am 13. September 1964 will der junge Sportler an der Stallschreiberstraße die Sperranlagen in den Westen überwinden. Als die Grenzsoldaten ihn entdecken, geben sie 300 Schüsse ab. Schwer verletzt wird er von einem amerikanischen Soldaten geborgen.

„An diesem Tag“, heißt es in der App, „verweilte auch der US-amerikanische Bürgerrechtler Martin Luther King in der Stadt. Als er von der Flucht erfuhr, eilte er in die Stallschreiberstraße und sagte: ‚Keine durch Menschenhand errichtete Mauer kann Gottes Kinder trennen.‘“

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