Jobs für Geflüchtete: Strandbad mit neuer Aussicht

Am Tegeler See wird eine Geflüchteten-Initiative das lang leerstehende Strandbad betreiben – schon im Mai soll die erste Eröffnung sein.

Auch der Sandstrand wird wieder schön gemacht im Strandbad Tegel Foto: Amélie Losier

Dafür, dass es März und noch recht kalt ist, sind viele Leute im Strandbad Tegel unterwegs. Rund 40 Menschen streichen die Außenwände der Umkleidekabinen oder jäten Unkraut. Bis zum Mai soll hier etwas Neues entstehen. Das Strandbad am Tegeler See wird nach jahrelangem Leerstand wieder öffnen. Ein Verein von und mit Geflüchteten wird es betreiben.

Seit Monaten macht die Neue Nachbarschaft Moabit das Gelände fit. Jeden Samstag helfen Dutzende Vereinsmitglieder dabei mit. Die Initiative mit rund 400 Mitgliedern setzt sich für geflüchtete und andere benachteiligte Menschen ein. Die Mitglieder bieten Deutsch- und Arabischkurse an, Swing-Tanz und Sonntagsfrühstück. Für ihre Arbeit bekamen sie mehrere Preise. Ihr neues Projekt: die 500 Meter Sandstrand und ein Areal von rund 30.000 Quadratmetern zu bespielen.

Dafür hat der Verein die Strandbad Tegel gGmbH gegründet. Das kleine g bedeutet, dass die Gewinne für gemeinnützige Zwecke genutzt werden müssen. „Hier können wir Leute, die wir durch die Initiative schon lange kennen, in Arbeitsverhältnisse bringen“, sagt Marina Naprushkina von der Neuen Nachbarschaft und Geschäftsführerin der gGmbh. Das könne etwa ihre Chancen bei der Wohnungssuche erhöhen.

Auch sonst soll in diesem Bad künftig einiges anders laufen. Kinder und Jugendliche bis 16 Jahre werden freien Eintritt haben, ausschließlich vegetarisches Essen soll verkauft werden und ganz viel Kultur stattfinden. Die Choreografin Sasha Waltz will sich einbringen. Die war im Sommer mit dem Boot vorbeigefahren und habe gesehen, dass in dem Bad etwas los war. Naprushkina und sie kamen ins Gespräch – und am Tag der offenen Tür letzten Oktober wirbelten Tän­ze­r*in­nen aus Waltz’ Projekt über den Strand.

Erleichterung in Tegel

Dass das Bad eine neue Betreiberin hat, sorgt in Tegel für Erleichterung. Es hat nämlich ein teures Problem: Die Abwasserleitungen müssen doppelwandig erneuert werden, weil sich auf dem Gelände Brunnen befinden, aus denen Trinkwasser aufbereitet wird. 1,7 Millionen Euro würde dies kosten, hieß es damals bei den Berliner Bäder Betrieben (BBB), die das Bad bis 2016 betrieb. Zu kostspielig für die BBB. Also wurde das Strandbad ausgeschrieben. Im August vergangenen Jahres erhielt die Neue Nachbarschaft den Zuschlag. Der Senatsverwaltung sei wichtig, „dass die seit Jahren brachliegende Liegenschaft wieder in Pflege und Betrieb kommt, damit Vandalismus und Verfall gestoppt werden“, sagte Aleksander Dzembritzki (SPD), Staatssekretär der Senatsverwaltung für Sport, der taz.

Darum muss sich die Neue Nachbarschaft nun kümmern. Zuschüsse des Senats seien nicht vorgesehen, teilte eine Sprecherin der Sport- und Innenverwaltung der taz mit. Um die Sanierung stemmen zu können, hat sich der Moabiter Verein private In­ves­to­r:in­nen ins Boot geholt. Das Unternehmerpaar Jill Bentley und Klaus Kögler, vorher schon Unterstützer des Vereins, ist zu 50 Prozent Gesellschafter der gGmbH.

Durch einen taz-Artikel waren sie vor einigen Jahren auf die Neue Nachbarschaft aufmerksam geworden, teilen sie mit. Seitdem spendeten sie dem Verein bereits mehrmals Geld. „Da wir selbst seit mehreren Jahren Flüchtlinge ehrenamtlich beraten, begleiten und unterstützen, fanden wir den Ansatz der Neuen Nachbarschaft Moabit besonders interessant und unterstützenswert. Mit dem Strandbad eröffnen sich weitere Möglichkeiten zur Integration und Beschäftigung“, sagte Klaus Kögler der taz. Wie genau Kögler sein Geld verdient, ist auf Nachfrage nicht herauszubekommen. Die In­ves­to­r:in­nen wollen lieber nicht zu stark medial in Erscheinung treten.

Für die Sanierung werden die beiden eine Million Euro bereitstellen. Das soll nach Berechnungen der Neuen Nachbarschaft reichen. Ob die BBB die Kosten zu hoch angesetzt hatten oder die Neue Nachbarschaft zu optimistisch plant, wird sich zeigen, wenn die Bagger für die neuen Abwasserrohre anrollen.

Syrisches Essen

Marina Naprushkina vom Verein Neue Nachbarschaft Foto: Amélie Losier

Im zukünftigen Restaurant des Strandbads ist bereits ein ordentliches Buffet aufgebaut. In silbernen Behältern dampfen Nudeln mit Petersilie und Käse sowie Muskraut aus Syrien, das aussieht wie Spinat und ein bisschen so schmeckt. Mazen Al Sawaf hat das alles zubereitet. Er wird in Vollzeit angestellt das Restaurant leiten. Mit dem Essen an den Helfer:innen-Samstagen will Al Sawaf testen, was den Leuten schmeckt. In Zukunft würde er auch gerne im Kiosk Falafel- und Halloumi-Sandwiches anbieten. Seine Ver­eins­kol­le­g:in­nen wollen es lieber erst einmal beim Pommes-Verkauf belassen. Al Sawaf aber findet es wichtig, mehr an vorbeikommende Spa­zier­gän­ge­r:in­nen zu verkaufen für zusätzliche Einnahmen. „Die vielen Leute, die hier arbeiten, müssen bezahlt werden.“

Schließlich will die Initiative 40 Beschäftigte in Teil- oder Vollzeit anstellen, etwa als Ret­tungs­schwim­me­r:in­nen. Dazu lassen sich einige Geflüchtete gerade ausbilden. Im Mai dann soll es losgehen mit den Badegästen, aber beschränkt, mit dem Teil der bis dahin fertig gestellten Umkleiden und Toiletten. Der Rest kommt später.

Und manche Vorhaben sind, so wie das rein vegetarische Angebot, vielleicht nichts für jede:n. Wegen des Wasserschutzgebietes will die Neue Nachbarschaft durchsetzen, dass am Strand nicht gegessen, getrunken oder geraucht wird – das soll nur auf der Terrasse stattfinden. Ungewöhnlich für ein Sommerbad. „Die Leute verstehen mittlerweile, dass sie umweltschonender leben können, und stellen das im Alltag um. Ich glaube sehr stark daran, dass wir das Badepublikum dahin bekommen und ich glaube, hier werden viele Leute genau deshalb hinkommen. Weil es ein bisschen anders gedacht wird. Und wenn das eine kritische Masse erreicht, dann macht der Rest auch mit“, sagt Marina Naprushkina.

Außerdem soll der ehemalige FKK-Bereich zu einer Wiese für Familien mit Kleinkindern werden. Die Reinickendorfer SPD hätte gerne, dass das Bad barrierefrei und rollstuhlgerecht gestaltet wird. Grüne, Die Linke und CDU fordern, dass statt der dieselbetriebenen Fähre eine Solarfähre über den See fährt und auch am Strandbad hält. Wie sorgt man dafür, dass da nicht nur Hipster aus Mitte kommen, sondern auch die Rentnerin aus Reinickendorf? „Es sind ja schon viele Ältere aus der Umgebung als Hel­fe­r:in­nen dabei“, erklärt die 39-jährige Geschäftsführerin. „Wir haben gleich gesagt, wir müssen die Nachbarschaft mit einbeziehen.“

Am Strand ist das Brummen verstummt. Der Boden ist jetzt nicht mehr festgetreten, sondern aufgelockert. Wie an einem richtigen Sandstrand eben.

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