Jurist über mögliches Stiftungsgesetz: „Braucht klare Förderbedingungen“

Die AfD hat in Karlsruhe einen Teilerfolg erzielt. Ein Experte erklärt, wie die Finanzierung von rechten Stiftungen weiter verhindert werden kann.

Eine Aktivistin demonstriert vor dem Bundesverfassungsgericht: Sie trägt eine Maske mit dem Gesicht von Erika Steinbach, die große Geldscheine in der Hand hält - im Hintergrund ein Transparent "Keine Steuergelder für die AFD-Stiftung"

Cash für die AfD-nahe Stiftung? Aktivistin der Organisation Campact vor dem Bundesverfassungsgericht Foto: Uli Deck/dpa

taz: Herr Ogorek, die AfD hat teils erfolgreich dagegen geklagt, dass ihre Desiderius-Erasmus-Stiftung von der Finanzierung der parteinahen Stiftungen ausgeschlossen wurde. Geld bekommt die Stiftung zwar nicht sofort, aber die Ampel muss ein Gesetz erlassen, das die Finanzierung regelt. Es ist eine Niederlage mit Ansage. Sie haben selbst ein solches Gesetz entworfen und gefordert. Wie ordnen Sie das Urteil ein?

Markus Ogorek: Sie haben es gesagt, die Entscheidung war vorhersehbar und vermeidbar. Karlsruhe fordert zu Recht ein Parlamentsgesetz für den Fall, dass eine parteinahe Stiftung von der Finanzierung ausgeschlossen werden soll – denn dies hat erhebliche Auswirkungen auf den demokratischen Wettbewerb zwischen den Parteien. Wir sprechen immerhin über rund 600 Millionen Euro pro Jahr, fast dreimal mehr als die staatliche Parteienfinanzierung. Vor diesem Hintergrund kann das Haushaltsgesetz als Grundlage für die Zuwendungen nicht ausreichen. Es braucht ein Gesetz, das klare und rechtssichere Förderbedingungen aufstellt.

Im Urteil steht: Die Nichtberücksichtigung der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung verletzt die grundgesetzlich garantierte Chancengleichheit. Gleichzeitig widerspricht die AfD demokratischen Werten und gilt dem Inlandsgeheimdienst als rechtsextremer Verdachtsfall. Muss die Demokratie jetzt ihre eigenen Feinde finanzieren?

Nein, es kann und darf nicht sein, dass Nicht-Demokraten durch den Staat finanzielle Unterstützung erhalten. Der Ausschluss von Verfassungsfeinden kann dadurch gelingen, dass die Förderung durch ein Gesetz auf solche parteinahen Stiftungen begrenzt wird, die sich aktiv für die freiheitlich-demokratische Grundordnung einsetzen. Das ist auch ein wesentlicher Punkt des von meinem Institut und mir vorgelegten Entwurfs.

49, ist Rechtswissenschaftler und seit 2020 Direktor des Instituts für Öffentliches Recht und Verwaltungslehre der Uni Köln.

Eine Lex DES also? Das klingt auch nicht gerade nach Gleichbehandlung.

Ein solches Gesetz wäre gerade keine Lex DES, da die Kriterien für alle Stiftungen gleichermaßen gelten. Die Stiftungen stehen in einer Nähebeziehung zu politischen Parteien, sind aber organisatorisch und personell von ihnen getrennt. Allein der Umstand, dass die AfD – zu Recht – als Verdachtsfall eingestuft wird, kann für einen Ausschluss der DES von der Finanzierung daher nicht genügen. Aber die Darlegungs- und Beweislast liegt nach meinem Gesetzesentwurf bei der Stiftung: Sie muss nachweisen, dass sie aktiv die freiheitlich-demokratische Grundordnung unterstützt. Das ist meines Erachtens auch nicht unzumutbar, denn sie will ja schließlich Geld vom Staat und hat anders als die politischen Parteien selbst ihre Daseinsberechtigung nur deshalb, weil sie in der Gesellschaft die dauerhaften und ins Gewicht fallenden demokratischen Politikströmungen auf andere Weise abbilden soll.

Wie soll das Verfahren konkret aussehen? Mit welchen Kriterien wollen Sie denn demokratiefeindliche Stiftungen heraushalten?

Die zuständige Stelle müsste Erkundigungen einholen: Macht sich die Stiftung extremistische Aussagen der nahestehenden Partei zu eigen? Und welche Verlautbarungen gibt es medial seitens der Repräsentanten der Stiftung selbst? Zudem muss man die Bildungsarbeit der Stiftung in den Blick nehmen: Welche politischen Anschauungen werden in Publikationen sowie Reden vertreten und wird hierbei ­aktiv für die freiheitlich-demokratische Grundordnung eingetreten? Möglich wäre es nach unserem Entwurf, hierzu auch juristische oder ­politikwissenschaftliche Gutachten in Auftrag zu geben oder Erkenntnisse anderer Stellen einzubeziehen, von den Zentralen für politische Bildung bis zu dem Verfassungsschutzämtern. Wenn es begründete Zweifel gibt, muss man die antragstellende Stiftung damit konfrontieren und Vorhaltungen formulieren. Am Ende muss im Einzelfall entschieden werden: Einer nicht berücksichtigten Stiftung stünde es offen, vor die Verwaltungsgerichte und letztlich vor das Bundesverfassungs­gericht zu ­ziehen.

Beim Begriff der freiheitlich-demokratischen Grundordnung schwingt auch immer die Extremismus-Theorie mit, mit dem auch der Verfassungsschutz operiert. Und der Geheimdienst ist ja nun nicht gerade als Hort der Demokratie bekannt. Wer soll denn am Ende prüfen?

Der Begriff der freiheitlich-demokratischen Grundordnung ist für Juristen uneingeschränkt positiv besetzt. Er dürfte sich kaum dazu nutzen lassen, unliebsame Parteien und Stiftungen in eine bestimmte Ecke zu stellen ­– denn er findet seine Grundlage in der Verfassung selbst. Aber ich verstehe Ihren Punkt, der auch durch wenig glückliche Verwendungen des Begriffs im früheren politischen Diskurs zu erklären ist. Um es klarzustellen: Letztlich würde über die Stiftungsförderung nicht der Verfassungsschutz entscheiden. In dem Entwurf für ein Stiftungsgesetz schlagen wir vor, dass über die Förderung der Bundestagspräsident entscheiden soll, der ja auch zentrale Aufgaben im Zusammenhang mit der Parteienfinanzierung wahrnimmt. Er kann die Expertise des Inlandsnachrichtendienstes einholen, er kann es aber auch unterlassen und jedenfalls die Informationen selbst bewerten.

Also können Sie dem Urteil auch etwas Positives abgewinnen?

Es ist gut, dass das Gericht dem Gesetzgeber ins Pflichtenheft geschrieben hat, ein Stiftungsgesetz zu erlassen. Viele Bundestagsabgeordnete wollten die Entscheidung abwarten, dieser gordische Knoten ist jetzt zerschlagen. Am Ende tut es uns auch als Gesellschaft nicht gut, von der AfD vor sich hergetrieben zu werden. Umso wichtiger ist es, jetzt endlich zeitnah ein Gesetz zu erlassen.

Die AfD suhlt sich jetzt in der Opferrolle und wird das absehbar auch bei einem Stiftungsgesetz tun, das geeignet wäre, ihre Stiftung auszuschließen. Ist das ein Problem?

Ich habe gestern gelesen, dass eine führende AfD-Vertreterin zu den Kriterien meines Entwurfs sagte, wenn dieser Gesetz würde, wolle man erneut klagen. Offen gesagt: Dann soll die AfD eben klagen, das würde ich gelassen sehen. Man kann vom Staat nicht erwarten, dass er Institutionen finanziert, die die Werte des sie fördernden Staates gar nicht vertreten möchten. Das liegt meines Erachtens auf der Hand und wird auch dadurch unterstrichen, dass bei der Karlsruher Urteilsverkündung mehrfach von einem dem Gesetzgeber zustehenden Einschätzungsspielraum gesprochen wurde.

Die AfD-Stiftung wird weiter versuchen, sich selbst zu verharmlosen. Sie verschleiert etwa ihr Kuratorium, auch um fließende Übergänge zu rechtsextremen Organisationen und Kaderschmieden wie dem Institut für Staatspolitik zu verdecken.

Der Nachweis ist eine Tatsachenfrage. Wenn es Zweifel an der Verfassungstreue der Stiftung gibt, darf es Geld nur bei einer Mitwirkung an der Sachverhaltsaufklärung geben. Kontakte wie zum gesichert rechtsextremistischen „Institut für Staatspolitik“ sind sehr beunruhigend und werden sicherlich eine Rolle spielen. Staatliche Stellen sollten hier genau hinschauen, sich zugleich aber auch vor Vorvorurteilungen hüten. Zur Demokratie gehört auch Fairness gegenüber dem politischen Gegner und Chancengleichheit. Eine willkürliche Versagung von Mitteln darf es nicht geben.

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