Justiz in Polen: Richterspruch im Geiste der PiS

Das weiter von der Ex-Regierungspartei PiS kontrollierte höchste Gericht stuft den Umbau der öffentlich-rechtlichen Medien als verfassungswidrig ein.

Ein Mann hält eine polnische Flagge.

Politiker und PiS-Anhänger besetzen die Redaktion des Senders TVP in Warschau, 20. Dezember 2023 Foto: Zbyszek Kaczmarek /imago

WARSCHAU taz | Die Frage, ob Polens neue Mitte-links-Regierung unter Premier Donald Tusk die Staatssender TVP, TVP Info und Polskie Radio abstellen durfte, um wieder einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk aufzubauen, sorgt bis heute für heftige Diskussionen. Nun gießt auch noch Polens Verfassungsgericht Öl ins Feuer.

Auf Antrag einiger Abgeordneter der nationalpopulistischen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS), die bei der Parlamentswahl am 15. Oktober 2023 zwar stärkste Kraft geworden war, aber ihre Mehrheit verloren hatte, urteilten die Richter in einem Schnellverfahren, dass das Vorgehen der neuen Regierung verfassungswidrig gewesen sei.

Polens neuer Kulturminister Bartłomiej Sienkiewicz hatte die „Abschaltung“ der PiS-Staatssender angeordnet, nachdem der PiS-nahe Staatspräsident Andrzej Duda sein Veto gegen ein Gesetz zur Finanzierung des öffentlichen Dienstes eingelegt hatte. Dort war auch ein Staatszuschuss in Höhe von drei Milliarden Złoty (circa 700 Millionen Euro) zur Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks vorgesehen. Das mit „Abschaltung“ überschriebene Gesetz, auf das er sich berief, regelt in Wirklichkeit die umfassende Restrukturierung eines angeschlagenen Unternehmens.

Das vollständig von der PiS kontrollierte Verfassungsgericht verwies auf den Nationalen Medienrat – eine Institution, die die PiS-Regierung 2015 gegründet hatte, um die bisherigen Entscheidungskompetenzen zu verlagern.

Verfassungswidriges Gesetz

Nach dem Willen der PiS, die 2015 die Wahlen gewonnen hatte, sollten künftig nicht mehr Polens Kulturminister und der in der Verfassung vorgesehene Landesrat für Rundfunk und Fernsehen die Entscheidungen über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk treffen, sondern nur noch der neu gegründete und von der PiS abhängige Nationale Medienrat.

Das damals noch funktionierende Verfassungsgericht urteilte aber bereits 2016, dass die Verlagerung der Entscheidungskompetenzen verfassungswidrig sei. Doch das kümmerte weder den Sejm, das polnische Abgeordnetenhaus, in dem die PiS die absolute Mehrheit stellte, noch Präsident Andrzej Duda. Er war früher selbst PiS-Mitglied gewesen. Und so galt das verfassungswidrige Gesetz bis zur Abwahl der PiS Ende 2023.

Sienkiewicz, der rein rechtlich Eigentümer der Aktiengesellschaft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist, entschied als Ein-Personen-Aktionärsversammlung über die Umstrukturierung des Unternehmens. Das aktuelle Urteil des „Julia-Przyłębska-Tribunals“, wie der Volksmund in Polen das PiS-parteiische Verfassungstribunal nach seiner Vorsitzenden getauft hat, habe keine Rechtskraft und sei ungültig, kommentierte Sienkiewicz am Donnerstagnachmittag die gerade erst ergangene Entscheidung. Zudem habe der Europäische Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg das polnische Verfassungsgericht als „nicht unabhängig“ qualifiziert.

Ein neues Gesetz soll endgültige Rechtssicherheit bringen

Freitagfrüh bestätigte Jerzy Stępień, der von 2006 bis 2008 Präsident des damals noch unabhängigen Verfassungsgerichts war, diese Auffassung im Radio: „Das Urteil ist ungültig, da die Zusammensetzung des Gerichts illegal ist. Die Regierung muss es nicht berücksichtigen.“

Endgültige Rechtssicherheit kann aber erst ein neues Gesetz bringen, das die Entscheidungskompetenzen neu regelt. Doch das kann dauern. Denn Präsident Duda hat bereits angekündigt, dass er mit seinem Veto jede Rückabwicklung von PiS-Gesetzen verhindern werde. Seine Amtszeit endet in anderthalb Jahren. Dann stehen Wahlen an. Bis dahin muss Polens Gesellschaft viel Geduld aufbringen.

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