Katholische Kirche in Polen: Hochwürden war einmal

Traditionell hat die Kirche in Polen viel Einfluss. Dass ihr Ansehen sinkt, zeigt sich nicht nur an leeren Stuhlreihen in der Sonntagsmesse.

Altarkreuz

Basilika Wadowice: Der Stern der Kirche sinkt auch in Polen Foto: Kacper Pempel/rtr

WARSCHAU taz | Der Vatikan hätte 2021 Ernst machen und alle polnischen Bischöfe und Kardinäle ihres Amtes entheben können. Den Segen der meisten polnischen Gläubigen hätte Papst Franziskus gehabt, wie das Nachrichtenmagazin Wprost damals in einer Umfrage herausfand. Wiederholt hatten Dokumentarfilmer aufgezeigt, wie eng die Bande zwischen hohem Klerus und der rechtspopulistischen Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) ist. Etwa, wie viele Millionen Steuergeld bei katholischen Organisationen landeten oder wie die Staatsanwaltschaft den Kurien die Ermittlungsakten gegen mutmaßliche Priester-Sexualstraftäter weitergab – und ihnen so einen Vorteil verschaffte.

Doch der Monsignore, der vom Vatikan für Missbrauchsaufklärung betraute Geistliche also, ging seinerzeit in Polen zwar den Verdachtsfällen nach, sprach wohl auch mit einigen Geistlichen, reiste dann aber unverrichteter Dinge wieder ab. Auch in den Wochen nach seinem Besuch geschah nichts. Die Folge: Der Ruf der katholischen Bischöfe ist so ruiniert, dass ihnen nur noch zwei Prozent der Gläubigen in Polen eine gewisse moralische Autorität zubilligen, wie das Meinungsforschungsinstitut Ipsos Ende 2021 ermittelte.

Zwar strafte Papst Franziskus dann neun polnische Bischöfe ab, denen Journalisten Vertuschung von Kindesmissbrauch durch Priester nachgewiesen hatten, doch diese zeigten nicht nur keine Reue, sondern ignorierten auch oft den vom Papst auferlegten Rückzug aus dem öffentlichen Leben. Etwas besser bewerten die Gläubigen ihre Gemeindepriester vor Ort, doch selbst auf dem Land hält sich das Vertrauen in sie in Grenzen.

Da der Kirchenaustritt in Polen ein kompliziertes Unterfangen ist, sind die offiziellen Zahlen darüber nur bedingt aussagekräftig. Gleichwohl gibt es andere Indizien für einen schwindenden Einfluss der Kirche. So ist etwa der Gottesdienst für viele Polen längst nicht mehr heilig. Nahmen 1990 noch über 50 Prozent der Katholiken regelmäßig an der Sonntagsmesse teil, waren es Anfang des Jahres nur noch 25 Prozent – mit weiter fallender Tendenz.

Vor allem die Jugend läuft davon

Volle Kirchen gibt es in Polen nur noch an Ostern und Weihnachten, der Erstkommunion kleiner Kinder sowie zu Beginn und Ende traditioneller Wallfahrten. Aufgrund des Engagements vieler Bischöfe in der Schulpolitik – kein Sexualkundeunterricht, keine Aufklärung über sexuelle Minderheiten, die Stigmatisierung von Schwulen und Lesben sowie mehr Religionsstunden als Physik, Chemie oder Biologie – läuft der katholischen Kirche in Polen vor allem die Jugend davon.

Die zweite große Gruppe, die maßlos von der Kirche enttäuscht ist, sind junge Polinnen. Die polnische Bischofskonferenz dankte dem von der PiS kontrollierten Verfassungsgericht, als dieses das ohnehin schon rigide Abtreibungsrecht in Polen weiter verschärfte.

Als dann eine junge Frau im Krankenhaus starb, weil die Gynäkologen auf das Ausbleiben der Herztöne des todkranken Babys im Leib der Schwangeren warteten, klagten Frauen in ganz Polen auf „schwarzen Märschen“ die Ärzte, die Verfassungsrichter, die Politiker und die Bischöfe an, eine schwere Schuld auf sich geladen zu haben. Doch auf ein Einlenken der selbstgerechten „Lebensschützer“ warteten sie vergebens. Noch können sich die Bischöfe der PiS-Unterstützung sicher sein. Angesichts schwindender Gläubiger fragt sich bloß, wie lange noch.

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