Keine Einigung auf Renaturierung: Showdown bei Europas Klimaschutz

Eines der wichtigsten EU-Gesetze, um die Treibhausgas­emissionen zu senken, ist in Gefahr. Der Rechnungshof weist auf einen Mangel hin.

Wälder und Felder aus der Vogelperspektive im Januar 2021

Felder und Forstflächen in Ostflandern Foto: Pattyn/blickwinkel/imago

BERLIN/BRÜSSEL taz | Scheitert die ehrgeizige Umwelt- und Klimaschutzpolitik der Europäischen Union? Vier Jahre nach dem Startschuss für den „European Green Deal“, laut dem Europa 2050 klimaneu­tral werden will, häufen sich die Probleme. Im Europaparlament in Brüssel herrscht Krisenstimmung – dort ist das umstrittene Renaturierungsgesetz durchgefallen.

Bei einer Kampfabstimmung im Umweltausschuss des Parlaments fand sich am Dienstag keine Mehrheit für den Entwurf der EU-Kommission. Deutsche Christdemokraten, Konservative und Rechtsextreme stimmten dagegen; der Entwurf fiel mit 44 zu 44 Stimmen durch.

EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen (CDU) wird also unter anderem von ihren eigenen Parteifreunden bedrängt, den Entwurf zurückzuziehen. Von der Leyen und der federführende Klimakommissar Frans Timmermans wollen mit dem Renaturierungsgesetz trockengelegte Moore wieder vernässen, Wälder aufforsten und mehr Grün in Städte bringen. Sie stoßen dabei auf erbitterten Widerstand.

Das Gesetz sei zwar gut gemeint, aber schlecht gemacht, sagt der umweltpolitische Sprecher der konservativen EVP-Fraktion, Peter Liese (CDU). Die Vorlage sei „rückwärtsgewandt und ideologisch“, erklärt seine Parteifreundin Christine Schneider. „Er wird zu einem Rückgang der land- und forstwirtschaftlichen Flächen führen und damit unsere Ernährungssicherheit gefährden.“

Weber soll mit Rauswurf gedroht haben

Noch weiter geht Manfred Weber (CSU). Der EVP-Chef hat seine Truppen auf ein „Nein“ eingeschworen. Be­für­wor­te­r:in­nen des Entwurfs soll Weber sogar mit dem Rauswurf aus der Fraktion gedroht haben. Nur mit Druck und Drohungen, so heißt es im Europaparlament, habe Weber das umstrittene Renaturierungsgesetz zu Fall bringen können.

Das endgültige „Aus“ bedeutet die Schlappe im Umweltausschuss jedoch nicht. Das letzte Wort hat das Plenum. Bei der für Mitte Juli geplanten Abstimmung droht ein Showdown zwischen den Befürwortern – Sozialdemokraten, Grüne, Linke und Liberale – auf der einen und den konservativen und rechten Gegnern auf der anderen Seite.

Die konservative EVP-Fraktion reiße „die Brandmauer nach rechts ein und kündigt ihre Unterstützung für den Europäischen Green Deal auf“, kritisierte die SPD-Europaabgeordnete Delara Burkhardt. „Die destruktive Politik der Konservativen führt zum Erstarken des rechten Randes“, warnte Michael Bloss, der klimapolitische Sprecher der Grünen. CDU-Politiker Liese hält dagegen: „Wenn wir ein einzelnes Gesetz ablehnen, heißt das nicht, dass wir gegen den gesamten Green Deal sind.“

Die EVP stehe weiter hinter dem Umwelt- und Klimaschutz, so Liese. Dennoch: Das Renaturierungsgesetz wird zum Prüfstein. Wenn es im Juli erneut durchfällt, wird es bis zur Europawahl 2024 nichts mehr – dem derzeit wichtigsten Naturschutzgesetz der EU droht dann das Aus.

Die Zweifel daran, dass die EU ihre Klimaziele erreicht, mehren sich. Am Montagnachmittag warnte der EU-Rechnungshof in einem Sonderbericht: Es würden zwar immer wieder ehrgeizige Ziele gesetzt – aber es gebe keine Anzeichen dafür, dass diese ausreichend mit Geld unterfüttert seien. „Das gilt besonders für die Privatwirtschaft“, heißt es in dem Bericht.

Vorreiterrolle der EU steht auf dem Spiel

Außerdem wünschen sich die Hü­te­r:in­nen der europäischen Finanzen mehr Transparenz beim Klimaschutz – und dass überhaupt erst mal alle Emissionen in die offiziellen Klimabilanzen einfließen, etwa auch die aus dem internationalen Luft- und Seeverkehr. „Das ist wichtig, denn die EU hat sich verpflichtet, beim Übergang zur Klimaneutralität eine weltweite Vorreiterrolle einzunehmen“, sagte die zuständige Prüferin Joëlle Elvinger.

Die EU hat versprochen, ihre Treibhausgasemissionen bis 2030 um 55 Prozent gegenüber 1990 zu senken. Das ist ein Zwischenschritt auf dem Weg zur „grünen Null“ im Jahr 2050.

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