Kommentar BDS: Die Diskursverschiebung

Die Bundestagsfraktionen möchten mit einem Antrag gegen die Boykottbewegung BDS vorgehen. Doch damit verhindern sie eine wichtige Diskussion.

Proteste gegen den Besuch des israelischen Ministerpräsidenten Netanjahu in Berlin

Proteste gegen den Besuch des israelischen Ministerpräsidenten Netanjahu in Berlin Foto: imago images / Stefan Zeitz

Auf den ersten Blick kann man voll und ganz zustimmen: In allen Formen müsse Antisemitismus verurteilt und bekämpft werden, heißt es in dem interfraktionellen Antrag, der noch diese Woche im Bundestag beschlossen werden soll. Doch der Text hat es in sich.

Erstens sollen der Boykottbewegung gegen Israel BDS („Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen“) in Deutschland Räumlichkeiten verweigert werden. Das Argument: BDS sei antisemitisch. Das verkennt die Heterogenität der Bewegung. Ohne Frage finden sich abscheuliche Antisemiten in ihren Reihen (etwa jene, die das SS-Logo verwendeten, um gegen den ESC Stimmung zu machen). Doch auch Menschenrechtler, Gewerkschaftler und Berufsverbände in Palästina und in Israel haben den BDS-Aufruf von 2005 unterschrieben oder unterstützen Teile des Forderungskatalogs.

Dass deutsche Politiker bereit sind, Boykottaufrufe pauschal zu ächten und die Meinungsfreiheit massiv einzuschränken, erschreckt. Nicht nur die EU, auch das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) stellte 2017 in einem Vermerk noch fest: „Die BDS-Bewegung ist aus Sicht der Bundesregierung nicht per se antisemitisch. Daher ist es aus Sicht der Bundesregierung von der Meinungsfreiheit gedeckt, sich für BDS auszusprechen.“

Zweitens fordern Union, SPD, FDP und Grüne in ihrem Antrag, dass keine öffentlichen Gelder an Boykottunterstützer fließen. Hier geht es um Gelder, die etwa über politische Stiftungen oder kirchliche Hilfswerke an Partnerorganisationen in Nahost gehen. Zwar ist nicht mehr, wie von der FDP gewollt, pauschal von „Organisationen“ die Rede, sondern nur noch von „Projekten“. Doch der Trend ist klar.

Die deutsche Entwicklungszusammenarbeit in den besetzten palästinensischen Gebieten stellt das vor erhebliche Probleme. Selbst die FDP-nahe Friedrich-Naumann-Stiftung arbeitet mit den Menschenrechtlern von RCHRS zusammen, die Verbindungen zu BDS haben.

Der Antrag ist Ausdruck und Motor einer Diskursverschiebung. Er verhindert eine Diskussion über Menschenrechte in Israel und Palästina; den dringend notwendigen Kampf gegen Antisemitismus in Deutschland bringt er nicht voran.

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ist Redakteur für Nahost & Nordafrika (MENA). Davor: Online-CVD bei taz.de, Volontariat bei der taz und an der Evangelischen Journalistenschule Berlin, Studium der Islam- und Politikwissenschaft in Berlin und Jidda (Saudi-Arabien), Arabisch in Kairo und Damaskus. Er twittert unter twitter.com/jannishagmann

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