Kommentar Polizeigewalt in Katalonien: Das Problem sitzt in Madrid

Die Bilder vom Wahltag übertreffen noch die Repression der vergangenen Tage. Die Polizeigewalt erinnert an die Tage der Franco-Diktatur.

Ein Mann liegt am Boden und hält sich die Hände vors Gesicht

Ein Demonstrant in Barcelona liegt am Boden, nachdem er von einem Gummigeschoss ins Gesicht getroffen wurde Foto: dpa

So sehen Verlierer aus, und schlechte Verlierer obendrein. Dass die Internetverbindungen gekappt wurden, um das Referendum über die Unabhängigkeit Kataloniens zu behindern, dass Politiker verhaftet, gegen Bürgermeister ermittelt wird, all das hat die roten Linien zwischen Demokratie und autoritärem Staat bereits seit Tagen weit überschritten.

Doch die Bilder vom Wahltag selbst übertreffen alles. Polizisten in Kampfuniform schießen mit Gummigeschossen, stürmen Wahllokale und schlagen dabei selbst auf ältere Damen, die nichts weiter wollen als endlich nach einem langen Leben ihrer Stimme Gehör zu verleihen.

Es gab keinen Anlass für die brutalen Polizeieinsätze. Wo die Polizei nicht sofort eingriff, bildeten sich lange Schlangen. Die Menschen in Katalonien wählen, friedlich und in festlicher Stimmung. Die spanischen Innenbehörden haben die Wahllokale für ihre brutale Repression ausgesucht. Es waren diejenigen, in denen bekannte katalanische Politiker wie der Autonomiepräsident Carles Puigdemont oder die Parlamentspräsidentin Carme Forcadell wählen gehen. Ministerpräsident Mariano Rajoy reagiert auf ein politisches Problem mit dem Ausnahmezustand wie einst die Franco-Diktatur.

„Wir sehen uns dazu gezwungen zu tun, was wir eigentlich nicht wollten“, erklärt der Regierungsdelegierte in Katalonien, dem die Polizeikräfte unterstehen. Der Satz klingt nur zu bekannt. Er könnte von einem dieser brutalen Ehemänner stammen, die immer wieder durch häusliche Gewalt für traurige Schlagzeilen sorgen. Mit der Verteidigung der Verfassung hat das längst nichts mehr zu tun, es ist die altbekannte Unterdrückung all dessen, was anders ist.

Der Katalonienkonflikt braucht eine politische Lösung, und die kann nur ein Referendum in beidseitigem Einverständnis sein. Der erste Schritt dahin ist ein Misstrauensvotum aller Parteien, die noch immer an eine demokratische Lösung glauben, gegen Rajoy. Denn es geht nicht mehr nur um Katalonien, es geht um die Demokratie als solche.

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Reiner Wandler wurde 1963 in Haueneberstein, einem Dorf, das heute zum heilen Weltstädtchen Baden-Baden gehört, geboren. Dort machte er während der Gymnasialzeit seine ersten Gehversuche im Journalismus als Redakteur einer alternativen Stadtzeitung, sowie als freier Autor verschiedener alternativen Publikationen. Nach dem Abitur zog es ihn in eine rauere aber auch ehrlichere Stadt, nach Mannheim. Hier machte er eine Lehre als Maschinenschlosser, bevor er ein Studium in Spanisch und Politikwissenschaften aufnahm. 1992 kam er mit einem Stipendium nach Madrid. Ein halbes Jahr später schickte er seinen ersten Korrespondentenbericht nach Berlin. 1996 weitete sich das Berichtsgebiet auf die Länder Nordafrikas sowie Richtung Portugal aus.

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