Kongress von Nürnberger Verkehrsinitiative: Wasser- statt Frankenschnellweg

Ein Nürnberger Verein will eine Stadtautobahn zu einem Kanal zurück­bauen. Nun veranstalten die taz-Panter-Preisträger einen Kongress.

Zwei Frauen und vier Männer stehen mit kurzen Hosen im Wasser

Kanalistas Ein Verein mit einer Vision: Weg mit dem Asphalt – und dafür den alten Kanal wiederbeleben Foto: Stefan Wolf

NÜRNBERG taz | In Nürnberg nennen sie die Autobahn A 73 „Frankenschnellweg“ – doch schnell sind die Franken auf der Betonpiste, die die Stadt durchschneidet, seit Langem nur noch selten. Theobald Fuchs findet die klassische Antwort der Planer auf die ständigen Staus auf dem Frankenschnellweg – nämlich dessen Ausbau – „einfach rausgeschmissenes Geld und einfach nicht mehr zeitgemäß“.

Deshalb haben er und seine Mitstreiter vom Nürnberg-Fürther Stadtkanalverein sich etwas Besseres, vor allem Nachhaltigeres ausgedacht: Stadtautobahn weg, uralten Kanal wieder hin. Sie erstellten ein Konzept für eine Wiederbelebung der Wasserstraße, die im 19. Jahrhundert in dem Gebiet gebaut und in den 1950er Jahren zugeschüttet wurde.

Entstehen sollen Radwege, Schwimmbäder, Grünflächen und Freizeitgebiete auf einer Länge von 9,6 Kilometern zwischen Nürnberg und Fürth. Fuchs nennt es eine „Investition in die Zukunft aller Menschen“. Es geht um den Rückbau der Asphalttrasse in eine innerstädtische Wasserlandschaft mit bis zu 500 neuen Schrebergärten, vier Freibädern und einem Wirtschaftspark.

Man sei nicht „sentimental oder retro, möchte nicht die kaiserliche Kanal­idylle der Vergangenheit verklären“, betont der Verein – „das wäre uns zu eindimensional“. Es gehe vielmehr darum, das „Dogma, der motorisierte Verkehr müsse stets fließen“, zu beenden. Auch eine Idee für die Pendler gibt es: Viele sollen in den Nahverkehr wechseln, manche zu Hause bleiben, andere öfter Boot fahren.

Am Samstag im Nürnberger Stadtteilzentrum Villa Leon

Zwar scheiterte gerade in der vergangenen Woche eine Klage des Verkehrsclubs Deutschland (VCD) gegen den inzwischen 687 Millionen Euro teuren Ausbau des Schnellwegs, der ampel- und kreuzungsfrei werden soll. Dennoch findet die Utopie von Fuchs immer mehr Anhänger. Im Herbst 2021 erhielt der Verein den taz-Panter-Publikumspreis. Die 5.000 Euro Preisgeld fließen nun großteils in den ersten Stadtkanal-Kongress, der am kommenden Samstag im Nürnberger Stadtteilzentrum Villa Leon stattfindet.

Der Verein will dort seine weiterentwickelte Stadtkanal-Vision vorstellen und mit Fachleuten diskutieren. Tom Konopka vom BUND Bayern wird auf dem Kongress berichten, wie der Verband den Schnellwegausbau juristisch verhindern will.

Mit Harald Kipke ist auch ein Experte für Verkehrs- und Stadtplanung von der Nürnberger Technischen Hochschule dabei. Kipke stellt beim Stadtumbau längst einen Wandel fest. Das Tempo werde langsamer, die Bedeutung des Autos sinke, durch das Homeoffice nehme der Verkehr ab. „Es ist letztlich alles möglich, wenn man das Auto aus dem Kopf rauskriegt“, sagt Kipke mit Blick auf das 9-Euro-Ticket und radikale Maßnahmen wie in Paris, Valencia oder Barcelona, wo einfach ganze Straßenzüge für den Autoverkehr dicht gemacht wurden. Ob die Stadtkanal-Idee „total spinnert ist, weiß man momentan nicht“, findet der Wissenschaftler. Ihm gefällt an ihr, „dass sie Sehnsüchte weckt“. Bei der Finanzierung verweist er auf bis zu 40 Hektar, die frei für Wohnungsbau werden könnten und interessant für In­ves­to­r:in­nen seien.

Mit Spannung wird der Beitrag des Utrechter Stadtrats Eelco Eerenberg erwartet. Er soll erklären, wie in der niederländischen Großstadt einst das autodominierte Stadtzentrum zu einem menschenorientierten Gebiet wurde. In Utrecht wurde dafür ein knapp einen Kilometer langes Stadtautobahnstück zurückgebaut, das 1968 nach deutschem Vorbild entstand.

Für die Rückkehr des Kanals in den Niederlanden sorgte vor 20 Jahren ein BürgerInnenentscheid, zwischen 2010 und 2020 wurde der Urzustand wieder hergestellt. Von der Begeisterung der UtrechterInnen über ihre wiederbelebte Wasserstraße will Vereinsmitglied Michaela Schneider erzählen, die im vergangenen Sommer vor Ort war.

„Plan B“ soll seriös untersucht werden

Erklärtes Ziel des Kongresses: Die Stadt Nürnberg soll das Stadtkanal-Konzept als „Plan B“ seriös untersuchen. Außerdem hoffen Fuchs & Co auf Rückenwind für „ein Leuchtturmprojekt mit überregionaler Strahlkraft“, damit es eines Tages realisiert wird.

Wasserweg statt Schnellweg, Bäume statt Beton, Grün statt Grau, Räder und Boote statt Autos und Lastwagen: Das wird nicht so leicht durchsetzbar. Dennoch weiß Fuchs von intensiven Diskussionen innerhalb der Nürnberger SPD – und er kennt die Zweifel bei Fürths Oberbürgermeister Thomas Jung, den er aber trotzdem „informieren soll, wenn es Fortschritte gibt“.

Am Kongress können alle Interessierten kostenfrei teilnehmen. Anmeldung unter www.nfsk.de

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