Leiter Branko Šimić übers Krass-Festival: „Mit vollem Respekt einbeziehen“

Das „Kultur Crash Festival“ stellt das Leben von Rom*­nja und Sin­ti*z­ze in den Mittelpunkt. Dabei geht es auch um akute Probleme in der Stadt.

Eine Frau steht mit einer Axt in der Hand auf einem Auto, vier Männer mit Schleifmaschinen stehen hinter dem Auto

Performance-Künstlerin Selma Selman stellt mit Gold aus Prozessoren einen Ring für ihre Mutter her Foto: Almin Zrno

taz: Herr Šimić, Sie beginnen das Krass-Festival am 8. April, dem Internationalen Tag der Roma, mit einer Intervention auf dem Hamburger Rathausmarkt. Also mit einer politischen Forderung?

Branko Šimić: Die Community der Rom*­nja und Sin­ti*z­ze muss endlich die Aufmerksamkeit bekommen, die sie verdient. Wir machen am Samstag eine performative Demo mit einer Brassband und mit Jugendlichen. Wir werden mit lauter Musik um Aufmerksamkeit bitten und die Leute mit dieser Intervention einladen. Der Aktivist Dzoni Sichelschmidt, der diesmal Mitkurator ist, wird eine Rede halten, in der er akute Probleme formuliert und Forderungen an die Mehrheitsgesellschaft stellt. Dabei geht es auch um Bildung und die Benachteiligung der Kinder im Bildungssystem.

Warum ist Ihnen wichtig, Rom*­nja und Sin­ti*z­ze selbst mit einzubeziehen?

Weil ich nicht in eine Expertenrolle rutschen möchte, obwohl ich mich schon viele Jahre mit der Thematik beschäftige. Beim Festival gab es fast jedes Jahr ein Projekt von Rom*­nja oder eines, das sich mit der Problematik beschäftigt. Diesmal habe ich jedes Projekt und jeden Schritt mit Dzoni abgesprochen, um das Spezifikum der Community auszudrücken und sie mit voller Akzeptanz und vollem Respekt einzubeziehen.

55, geboren im bosnischen Tuzla, ist Schauspieler und Regisseur. Seit 2012 leitet er das Festival „Krass“.

Das diesjährige Festival stellt die betroffene Community in den Mittelpunkt. Was gibt es alles zu sehen?

Wir haben Kontakt gesucht zu Künstlern, die aktiv sind und die einen offensiven Umgang haben mit sich selber und mit der Gesellschaft. Es gibt viele Projekte zu sehen, die ein Selbstbewusstsein der Community demonstrieren, die offensiv fordern, sich damit auseinanderzusetzen, was in den vergangenen sechs Jahrhunderten passiert ist. In erster Linie natürlich mit dem Porajmos …

… dem nationalsozialistischen Genozid an den europäischen Rom*­nja …

…, aber auch mit all dem, was danach passiert ist.

In der Performance von Documenta-Teilnehmerin Selma Selman geht es um rassistische Stereotype, die immer noch bestehen. Was passiert da?

Selma Selman ist seit 2018 fast jedes Jahr beim Festival gewesen. Diesmal sieht man sie mit ihrer Familie, die vom Sammeln und Recyceln von Altmetallen lebt, mit ihrem Vater und einem Cousin, die extra aus Bosnien-Herzegowina anreisen. Sie werden Prozessoren von alten Computern, Laptops und Handys auseinandernehmen und zerschlagen, um diese winzigen Anteile von Gold herauszunehmen. Es ist eine Trilogie. Sie hat im Februar in einer Galerie begonnen, der zweite Akt ist bei uns, der dritte wird in Amsterdam stattfinden. Aus dem Gold wird sie mit Ingenieuren im Labor einen Goldring für ihre Mutter machen.

Festival „Krass – Kultur Crash“: Sa–So, 8.–23. 4., Hamburg, Kampnagel, Monsun Theater und Oberhafenquartier; Infos und Programm: www.krass-festival.de

Performance „Roma City Hamburg“ zum Internationalen Tag der Roma: Sa, 8. 4., 12 Uhr, Rathausmarkt

Mit dem „Jugendklub“ suchen Sie nach Spuren der Community im Stadtraum.

Das akute Problem in Hamburg ist das Bildungssystem, die Kinder werden systematisch diskriminiert, sie stehen a priori außen vor und werden diesen Status nur sehr schwer los. Wir verfolgen diese Geschichte mit Jugendlichen und suchen Schauplätze und Geschichten, die die Diskriminierung plastisch zeigen, und drehen kurze Filme für eine finale Performance. Das wird so was wie ein Roma-Kinderparlament, wo sie das Problem diagnostizieren und dann Forderungen stellen an verschiedene Institutionen, zum Beispiel an die Schule. Und so laut und klar sagen, was da schiefläuft.

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