Auf einer Wippe laufen stilisierte Menschen mit Vogelköpfen und Geld in der Hand von der Seite mit dreckigem Öl zur Seite mit Bäumen und Tieren

Illustration: Eléonore Roedel

Milliardäre und Investitionsallianzen:Capitalists for Future

Für den Kampf gegen die Klimakrise ist Geld entscheidend. Welche Pläne zur Weltrettung gibt es also dort, wo das Geld ist – und was taugen sie?

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11.2.2024, 11:51  Uhr

Das nächste Treffen der globalen Klimadiplomatie, die COP 29, wird 2024 in Aserbaidschan stattfinden. Einem Land, das seit 30 Jahren vom Clan der Alijews unterjocht wird und wo Gas und Öl 90 Prozent der Export­einnahmen ausmachen. Das sagt alles, was man über den Stand der zwischenstaatlichen Klima-Bemühungen wissen muss (selbst dann, wenn all das für die COP-Vergabe nicht zählt). Gegen dieses hässliche Gesicht des Petro-Autoritarismus wirkt Dubai fast wie ein heimeliger Hort des Progressiven. Soviel also zu den Erwartungen an die offizielle Weltklimapolitik.

Wenn aber die Hoffnungen im Kampf gegen die Klimakrise nicht auf den COPs, auf den Annalena Baerbocks oder Sultan al Jabers liegen: Wer oder was bewegt dann die Menschheit in Richtung Klimaschutz und planetare Nachhaltigkeit? Welche Ideen gibt es jenseits von Basisprojekten wie Fridays for Future und diesseits des alljährlichen Mega-Auftriebs der COP?

Um diese Frage zu beantworten, kann man sich auf eine kleine Reise begeben, die nach London und New York City führt, nach Toyota City oder Pueblo in Colorado. Man trifft dabei auf Klimaaktivisten wie Bill McKibben und überraschend viele Anzugträger, auf glitzernde Bürogebäude und sehr viel Geld. Denn seit dem Pariser Abkommen 2015 ist auch eine Klima-Bewegung des Kapitals entstanden. Das Kapital hat sich aufgemacht, den Kapitalismus zu reformieren, nicht zuletzt um auch morgen noch gute Geschäfte machen zu können.

Finanzmarktmilliarden spenden

Michael Bloomberg ist so etwas wie der philanthropische Arm der Letzten Generation. Schon als Bürgermeister von New York City von 2002 bis 2013 war er eine Nervensäge für all diejenigen, die mit Klimaschutz nichts am Hut hatten und stattdessen große Plastikbecher mit überzuckerten Getränken für die Erfüllung von Menschheitsträumen hielten.

Über eine Stiftung finanziert der Milliardär kleine wie große Kampagnen für eine gesunde Menschheit und gegen die Klimakrise. Mehr als 17 Milliarden Dollar hat Bloomberg als kapitalistische Ein-Mann-Bewegung bislang für den guten Zweck an Initiativen wie jene in Pueblo, Colorado, gestiftet.

Dort kämpfen am Fuße der Rocky Mountains Anwohner.innen gegen eines der schmutzigen US-Kohlekraftwerke. Das „Comanche 3“ bläst seit 2010 jährlich rund 4 Millionen Tonnen CO2 in die Atmosphäre. Es ist der größte Einzelemittent in Colorado.

Doch der zähe Widerstand scheint zu wirken: Das Kraftwerk soll 2031 vom Netz gehen. Und die Anwohner.innen setzen sich für einen noch früheren Ausstieg ein. Sie sind Teil einer Graswurzelbewegung, die Bloomberg zusammen mit der Umweltgruppe „Sierra Club“ finanziert. Ihr Engagement hat das Ende von mehr als dreihundert Kohlekraftwerken zumindest beschleunigt.

Aktuell steckt Bloomberg 85 Millionen Dollar in eine Kampagne gegen den Plan großer Mineralölkonzerne, ihr auslaufendes Geschäft mit Öl durch Petrochemie, also mehr Plastik zu ersetzen. Hilfe geht etwa nach St. James Parish in Louisiana, wo eine lokale Initiative gegen das Unternehmen „Formosa Plastics“ aus Taiwan kämpft. Das will am unteren Lauf des Mississippi – aufgrund der vielen Krebserkrankungen jetzt schon als „Cancer Alley“ berüchtigt – einen neuen Chemiekomplex bauen.

Druck auf die Branche ausüben

Bloombergs Engagement gegen die Klimakrise hat aber noch deutlich mehr Facetten. Der Milliardär steht als einer der beiden Vorstandschefs auch an der Spitze einer globalen Unternehmung, die Büros im Herzen des Finanzkapitalismus bezogen hat.

Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.

In den Glastürmen an der Themse in London, wo tagtäglich Billionen bewegt werden, sitzt seit drei Jahren das Unternehmen, das eher ein multinationales Bündnis aus Akteuren des Finanzkapitals ist: die Glasgow Financial Alliance for Net Zero (GFANZ). Sie wurde während der COP26 in Glasgow unter dem Dach der UN als eine weltumspannende Koalition führender Finanzinstitutionen, Banken, Versicherer und Investmentberatungen gegründet. Ihr Ziel: unvorstellbar große Summe für den klimagerechten Umbau der Welt zu mobilisieren.

Mehr als 675 Institute aus mehr als 50 Ländern haben sich in der Allianz verpflichtet, bei ihren Investitionen eine neutrale Klimabilanz zu erreichen. Weg von fossilen hin zu nachhaltigen Investitionen. Net Zero bedeutet dabei nicht, dass keine klimaschädlichen Treibhausgase mehr ausgestoßen werden, sondern der Ausstoß durch Ausgleichsprojekte kompensiert wird. Und noch sind auch die GFANZ-Mitglieder weit davon entfernt!

Aber Selbstverpflichtung ist nur ein Teil des Projekts. GFANZ übt auch Druck auf Finanzinstitute und Firmen aus, den gleichen Weg einzuschlagen. Die Firmen repräsentieren viele Billionen Dollar und sind damit eine globale Macht, mit der andere Unternehmen und selbst Staaten dazu gedrängt werden, ihre Geschäftsstrategien zu ändern.

Oft geht es in der Klimadebatte auch darum, ob Klimaktivist.innen selbst moralische Vorbilder sein müssen. Ob sie gerne Fleisch essen oder in den Urlaub fliegen dürfen. Ob sie Auto fahren oder sich besser auf die Straße kleben sollten. Weniger sichtbar, aber nicht weniger wichtig ist, wie die meisten noch ganz anders am fossilen Kreislauf beteiligt sind: mit dem eigenen Konto. Denn fossile Investments passieren nicht nur an der Wall Street, sondern auch bei der Bank um die Ecke.

Regelmäßig recherchieren übrigens Gruppen wie Greenpeace, Urgewald und reclaim Finance die fossile Verwicklung auch deutscher Finanzfirmen und Versicherungen.

Niemand muss sein Geld in den vermeintlich gewinnbringendsten Vorschlag seiner Bankberaterin oder ihres Robo-Advisors investieren, sondern kann sich ganz aktiv für Finanzanlagen entscheiden, die den Planeten mehr mitdenken als der MSCI World Index. Wir sprechen hier von Geld, das Banken investieren, weil sie auf einen Boom vegetarischer Produkte oder Solartechnologie setzen. Geld, das aus klimapolitischen Motiven in ökologische und ethische Investments gesteckt wird. Und Geld, das vor allem nicht in Klimakiller wie Kohle oder Ölpipelines fließt.



Kriterien für eine dekarbonisierte Anlagestrategie reichen von wenigen Ausschlusskriterien bis zu strengen Positivkriterien für explizit grüne oder nachhaltige Anlagen. Und dann gibt es auch noch das sogenannte Impact Investing, das messbare, positive Auswirkungen auf die Umwelt oder die Gesellschaft erzielen will. Da kann das Geld schon auch mal in ein Ozean-Schutz-Projekt fließen. Internationaler Standard für nachhaltige Aktien oder Fonds sind die sogenannten ESG: Environment (Umwelt und Klima), Social (Soziales und Menschenrechte) und Governance (Unternehmens- und Regierungsführung).

Immerhin hat der gesamte deutsche Finanzsektor eine „Selbstverpflichtung zur Erreichung der Ziele des Pariser Klimaabkommens“ abgegeben. Und die seit Januar geltenden neuen Regeln der EU-Taxonomie beinhalten zwar das umstrittene Nachhaltig-Gütesiegel für Atomkraft und Gasenergie. Sie setzen aber auch strenge Kriterien dafür fest, welche Investments als grün zu klassifizieren sind. Banken sind verpflichtet, ihre Kund.innen zu nachhaltigen Produkten zu beraten.

Gelungen ist der GFANZ das zum Beispiel bei der britischen Bankengruppe NatWest. NatWest hat nicht nur einen Plan für eine neutrale Klimabilanz aufgestellt, sie kooperiert inzwischen auch mit dem World Wide Fund for Nature (WWF), engagiert sich in klimagerechter Gebäudesanierung und investiert in nachhaltige Landwirtschaft.

In anderen Fällen arbeitet die GFANZ aber auch daran, die nötigen Milliarden-Investitionen für den klimagerechten Umbau von Ländern wie Indonesien aufzutreiben, die von steigenden Meerespiegeln besonders bedroht sind. Das kostet Geld. Viel Geld, das Indonesien nicht hat, GFANZ jedoch mobilisieren kann.

Nicht nur bei der COP hat sich in den vergangenen Jahren gezeigt, wie schwer sich die Politiker.innen vieler Staaten mit verpflichtenden Entscheidungen zugunsten des Klimas tun. Und der internationale Vormarsch der Rechtspopulisten macht wenig Hoffnung, dass sich das ändert. Umso interessanter ist, dass das sich Kapital von der Politik entkoppelt hat und ein eigenes Tempo vorgibt.

Als Investor.in Einfluss nehmen

Wenn die Finanzwelt ihre Investitionen tatsächlich in großem Stil umsteuern würde, könnte der Kampf gegen den Klimawandel ungeahnte Wucht entfalten. Aber dafür braucht es mehr als die eher freundlich gehaltenen Angebote des UN-Ablegers GFANZ. Und so will das Investoren-Netzwerk „Climate Action 100+“, ein Zusammenschluss von mehr als 700 Investoren, die 100 größten privatwirtschaftlichen CO2-Verursacher der Welt zu mehr Klimaschutz zwingen und darüber transparent berichten.

68 Billionen US-Dollar bewegen die „Climate 100+“-Investoren nach eigenen Angaben. Damit kann man (Kohle-)Berge versetzen. Die Initiative führt eine schwarze Liste der schlimmsten Emittenten der Welt, offiziell „Fokus Liste“ genannt.

Rio Tinto etwa, der zweitgrößte Bergbaukonzern der Welt, ist auf Druck von „Climate Action 100+“ Anfang 2020 eingeknickt und hat angekündigt, sich auf andere Geschäfte als den Bergbau zu konzentrieren und seine Emissionen bis 2050 auf null zu reduzieren.

Zu den Aktionsformen gegen Konzerne wie Rio Tinto gehören Briefe, runde Tische, Öffentlichkeitsarbeit und Anträge bei den Hauptversammlungen. Investoren können sich auf ein bestimmtes Unternehmen oder einen bestimmten Sektor konzentrieren. „Climate Action 100+“ wirkt wie eine Art Druckverstärker, der die Kräfte einzelner Investor.innen bündelt.

Eine stilisierte Person mit Adlerkopf und einem Bündel Geldscheine in der Hand steht neben Bäumen, auf einem steht "End Coal"

Illustration: Eléonore Roedel

Wie zäh das Ringen zwischen „Climate Action 100+“ und den Multis zuweilen aussieht, zeigt das Beispiel des japanischen Autokonzerns To­yota. Am 14. Juni 2023 fand in Toyota-City nahe Tokio die Hauptversammlung des Konzerns statt. In der Einladung zum Aktionär.innentreffen findet sich auch ein Antrag zur Satzungsänderung. Aktionär.innen forderten eine jährliche Überprüfung über „klimabezogene Lobbying-Aktivitäten“ und „die Ausrichtung an den Zielen des Pariser Abkommens“. Der Antrag kam von Mitgliedern von „Climate Action 100+“, die gemeinsam ein Vermögen von mehr als 700 Milliarden US-Dollar verwalten. Der Vorstand von Toyota drängte darauf, den Antrag abzulehnen, 85 Prozent der Aktionär.innen folgten dem.

Diesmal konnte Toyota dem Druck noch ausweichen. Aber der Diskussion mit den klimabewussten Aktionär.innen entkommt der Automobilriese nicht. „Influence Map“, eine Denkfa­brik, die die Nachhaltigkeit von Unternehmen unter die Lupe nimmt, hat Toyotas Klimamaßnahmen mit „D“ eingestuft, dem niedrigsten Wert unter den Automobilgrößen – ein Verdienst von „Climate Action 100+“.

Investitionen abziehen

Wenn das eine große Kapital das andere große Kapital mehr oder auch weniger sanft zum Umdenken bewegt, ist dagegen wenig einzuwenden. Aber in welchem Zustand wäre die Welt, wenn der Anstoß für Veränderungen immer nur von oben käme?

Die Idee, die Bill McKibben im Jahr 2008 mit einigen Student.innen am linken Middlebury College im US-Bundesstaat Vermont ausgeheckt hat, steht der Strategie der Kapitalisten im Kampf gegen die Klimakrise kaum nach.

McKibbens Geschichte ist das Musterbeispiel eines Journalisten und Autoren, der irgendwann aufgehört hat, die Welt zu beschreiben – und beschloss, sie zu verändern. Mit der NGO „350.org“ schuf eine Gruppe um McKibben den Ursprung der Divest-Bewegung, die sich zu einer ökonomisch höchst einflussreichen Graswurzel-Kampagne entwickelt hat.

Divest bedeutet entinvestieren, also Geld abziehen. 350.org hat es sich zur Aufgabe gemacht, Druck auf Institutionen aufzubauen, ihr Kapital aus fossilen Investitionen zurückzuziehen. Mit Erfolg. Mehr als 1.610 Universitäten, Stiftungen, Pensionsfonds, Versicherungen, Städte und Kirchen haben sich von fossilen Anlagen im Wert von 40,6 Billionen US-Dollar getrennt. Darunter große und schwerreiche Universitäten wie Harvard, Stanford und Oxford.

Bill McKibben ist in der US-Klimaschutzbewegung zu einer Instanz geworden. Im Wahlkampf 2016 schickte ihn Bernie Sanders, der linke Bewerber um die demokratische Präsidentschaftskandidatur, als einen von fünf Abgesandten in die inhaltliche Kommission der Partei. Inzwischen hat McKibben „Third Act“ gegründet, eine Initiative, die Menschen über 60 für Klima und Gerechtigkeit mobilisiert.

Umsatz gemeinnützig ausgeben

2011 machte Patagonia, eine Firma für Outdoor-Bekleidung, mit einer Werbeanzeige Schlagzeilen. Darin fordert sie potentielle Käufer.innen auf, eine Jacke nur zu kaufen, wenn man sie auch wirklich dringend brauche. Der konsumkritisch gemeinte Appell „Don't Buy This Jacket“ zeigte eine eigene wirtschaftliche Wirkung: das Kleidungsstück wurde ein Verkaufsschlager.

Elf Jahre später lenkte der damals 83-jährige Firmengründer Yvon Chouinard die Aufmerksamkeit erneut auf Patagonia: Er verschenkte seine Firma. Zur Bekämpfung der Klimakrise übertrug er sie an eine neue Stiftung und eine gemeinnützige Organisation.

Der klügere Teil des Kapitals hat verstanden, dass der Raubbau an der Natur das Ertragsmodell des Kapitalismus gefährdet

„Anstatt Werte aus der Natur zu extrahieren und sie in Reichtum für Investoren umzuwandeln“, schrieb der zum Milliardär avancierte Bergsteiger, Skifahrer und Surfer, „werden wir den Reichtum, den Patagonia schafft, nutzen, um die Quelle allen Reichtums zu schützen“ – die Erde. Alle Gewinne von Patagonia, geschätzte 100 Millionen US-Dollar jährlich, gehen seitdem an die gemeinnützige Organisation.

Schon 1985 hatte sich Patagonia verpflichtet, mindestens ein Prozent seines Umsatzes für den Umweltschutz zu spenden. Der Gedanke liegt auch der von Chouinard mitgegründeten „1% for the planet“-Kampagne zugrunde. Darin engagieren sich rund 5.400 Unternehmen, die ebenfalls ihr eines Prozent abgeben. Kleine Läden wie „Maui Surfers“ oder „Sati Soda“ aus Boulder in Colorado.

Politisch Einfluss nehmen

Im Vorfeld der COP in Dubai haben sich mehr als 100 führende Wirtschaftsleute, die Alliance of CEO Climate Leaders, mit einem offenen Brief an die Staatschefs gewandt. Sie finden, dass die Weltklimadiplomatie nicht genug Ergebnisse hervorbringt, und wollen mit ihrem Zusammenschluss den Klimaschutz beschleunigen. Würde man die Konzernvorstände auf einem Gruppenfoto versammeln, sähe die Gruppe aus wie eine Boygroup vermeintlich ruchloser Kapitalisten.

Aber zumindest auf dem Papier haben sich die beteiligten Großkonzerne dem Pariser Abkommen verpflichtet. Sie alle, etwa H&M, BASF, Allianz, Mastercard, Coca Cola, Nestlé, Siemens oder Volvo fordern einen schnelleren Übergang zu Net Zero. Was zunächst wie eine klassische Greenwashing-Aktion wirkt, trägt eine andere Botschaft in sich: Der klügere Teil des Kapitals hat verstanden, dass der Raubbau an der Umwelt auch das Ertragsmodell des Kapitalismus gefährdet. Dass eine neue Generation von Kund.innen ihre Konsumentscheidungen an Nachhaltigkeit knüpft, ist ein willkommener Nebeneffekt.

Larry Summers, Ökonom

„Ich habe meine Meinung darüber, wie man über den Klimawandel denken sollte, sehr grundlegend geändert“

In einer Analyse zur COP in Dubai stellte das Rocky Mountain Institut den Unternehmen ein gemischtes Zeugnis aus. Die Zahlen der Firmen, die sich ehrgeizigen Klimazielen verpflichteten, wachse exponentiell. Nur das langsame Tempo dämpfe den Optimismus. Heute melden immerhin mehr als 23.000 Unternehmen mit mehr als 50 Prozent der weltweiten Marktkapitalisierung Emissionsdaten an das „Carbon disclosure Project“. Mehr als 10.000 Unternehmen haben ihre Klimaziele öffentlich gemacht. Das Fazit des RMI lautet: „Starke systemische Kräfte treiben unaufhaltsam mehr Unternehmen dazu an, über ihre Treibhausgasemissionen zu berichten, unabhängig verifizierte Klimaschutzziele festzulegen und Strategien zur Erreichung dieser Ziele umzusetzen.“ Man kann auch sagen: Es lohnt sich für Unternehmen immer mehr, nachhaltig zu wirtschaften.

Das Weltkapital umbauen

Larry Summers ist ganz sicher kein grüner Weltverbesserer. Der ehemalige Chefökonom der Weltbank war wirtschaftlicher Berater von US-Präsident Barack Obama und galt da als Klima-Falke, ein Gegner von entschiedenem Klimaschutz. Während Obama das Pariser Abkommen aushandelte, setzte sich Summers für die Aufhebung des Ölexportverbots ein: Ein solcher Schritt würde den USA mehrere Vorteile bringen, auch niedrigere Benzinpreise.

Doch sieben Jahre später, im Oktober 2022, forderte Summers plötzlich, die globale Transformation mit Billionen-Dollar-Summen voranzutreiben. Seitdem ist er zu einem der vehementesten Antreiber einer finanzpolitischen Wende geworden. „Die Welt brennt“, warnte er im Spätsommer 2023. Kontinuität im Handeln reiche nicht. „Ich bin alt genug, um zu sagen, dass ich meine Meinung nicht allzu oft ändere. Aber ich habe meine Meinung darüber, wie man über den Klimawandel denken sollte, sehr grundlegend geändert.“

Zwei Personen in Anzügen und mit stilisierten Vogelköpfen stehen neben Ästen, die mit Windrädern und Bienen geschmückt sind

Illustration: Eléonore Roedel

Summers Sinneswandel könnte einer dieser Momente sein, die der Geschichte den entscheidenden kleinen Schubs geben. Im Oktober 2023 einigten sich die Geldgeber der Weltbank auf ihrer Jahrestagung in Marrakesch auf eine Reform, die zu mehr Investitionen in den Klimaschutz und andere globale Entwicklungsziele führen soll. Die Regierungen der USA, Deutschlands und anderer Staaten arbeiten nun an neuen, klimagerechteren Regeln für die Bank. Ausgang ungewiss.

Kapitalismus à la Net Zero?

Lässt sich also der Klimawandel mit den Waffen des Kapitalismus bekämpfen? Ist der grüne Kapitalismus eine ernstzunehmende Alternative zum erdölschwarzen Kapitalismus?

Die entscheidende Frage, nämlich wie nachhaltig eine Welt mit acht Milliarden Menschen und einem auf permanentes Wachstum ausgerichteten Betriebssystem sein kann, bleibt offen. Antworten lassen sich wohl eher eine Ebene darunter finden. Denn es spricht einiges dafür, dass sich die kapitalistische Weltwirtschaft in eine Ökonomie ohne zusätzliche Emissionen wandeln kann. Man muss weder Marxistin noch Volkswirt sein, um durchrechnen zu können: Wer diesen Umbau nicht jetzt finanziert, würde später viel mehr bezahlen müssen.

So sieht es auch Bill McKibben, wahrlich kein Anhänger des globalen Turbokapitalismus. „Geld ist der Sauerstoff, mit dem die Feuer der globalen Erwärmung brennen“, antwortet Bill McKibben auf die Frage nach dem Einfluss von Finanzinstrumenten. „Wenn diese Zufuhr morgen unterbrochen würde – wenn Banken und Finanziers sagen würden: 'Kein Geld mehr für alle, die immer noch versuchen, ihr Geschäft mit fossilen Brennstoffen auszubauen’, dann würde sich die Lage sofort ändern.“

Das, sagt McKibben, sei „wahrscheinlich der effizienteste Weg, um unseren Planeten neu auszurichten.“

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