Mittelvergabe im Verkehrsministerium: Filzverdacht beschäftigt Bundestag

Freunde eines Abteilungsleiters im Verkehrsministerium sollen von Millionen Euro Förderung profitiert haben. Die Linke fordert eine Aufarbeitung des Falls.

Minister Habeck, Wissing und Stark-Watzinger bei einer Pressekonferenz.

Verkehrsminister Wissing bei der Vorstellung der Nationalen Wasserstoffstrategie am 26. Juli Foto: Bernd Elmenthaler/imago

BERLIN taz | Der mutmaßliche Interessenkonflikt eines Abteilungsleiters bei der Vergabe von Fördermitteln für Wasserstoffprojekte im Bundesverkehrsministerium soll im Bundestag behandelt werden. Dafür will die Linksfraktion sorgen. „Wir fordern lückenlose Aufklärung von Verkehrsminister Wissing im Parlament“, sagte der parlamentarische Geschäftsführer der Linksfraktion, Jan Korte, der taz.

Der Hintergrund: Einem Bericht des Handelsblatts zufolge soll der Leiter der Grundsatzabteilung im Bundesverkehrsministerium eng befreundet sein mit einem Unternehmer und einem Verbandschef, die vom „Nationalen Innovationsprogramm Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie“ profitiert haben sollen. Gesellschaften des Unternehmers und die Organisation des Verbandschefs sollen aus dem Programm insgesamt rund 28 Millionen Euro erhalten haben. Die Verantwortung für das Programm liegt dem Bericht zufolge bei der Grundsatzabteilung. Deren Leiter soll mit dem Unternehmer und dem Verbandschef in den Urlaub gefahren sein. Das Ministerium wird seit Ende 2021 von FDP-Mann Volker Wissing geführt. Politiker aus den Ampelparteien SPD und Grünen fordern eine rasche Aufklärung der Vorwürfe, bislang allerdings eine interne.

Die Linkspartei dagegen will eine parlamentarische Aufarbeitung. Der Linkspartei-Abgeordnete Victor Perli beantragt, dass sich der Haushaltsausschuss nach der Sommerpause mit dem Thema beschäftigt. Die Linksfraktion werde die Vergabepraxis bei der Wasserstoff-Förderung im Haushaltsausschuss zum Thema machen, kündigte Perli an. „Wir fordern seit Langem die Verschärfung der Compliance-Regeln, sie sind löchrig wie ein Schweizer Käse.“ Mit Compliance ist die Einhaltung von Gesetzen und Regeln gemeint. Private Kontakte und wirtschaftliche Netzwerke dürften keinen Einfluss auf staatliche Förderentscheidungen haben, bereits der Anschein müsse vermieden werden, sagte Perli.

Wie sich die Unionsfraktion positioniert, ist unklar. Eine Anfrage der taz blieb bis Redaktionsschluss unbeantwortet. Für die Union ist die Sache nicht ganz einfach. Der Abteilungsleiter, um den es geht, ist nicht unter Wissing ins Ministerium geholt worden. Das geschah unter seinem Vorgänger Andreas Scheuer (CSU). Nach Angaben der Organisation Lobby­Control ist der Abteilungsleiter schon früher durch seine Nähe zur Wasserstoffindustrie aufgefallen. Als Beamter sei er aber zur Neutralität verpflichtet, so die Organisation. LobbyControl kritisiert deshalb auch die Mitgliedschaft des Beamten im Beirat in der Lobbyorganisation „Zukunft Gas“, die sich als Stimme der Gas- und Wasserwirtschaft versteht.

Ministerium prüft

Wissings Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) sieht bislang kein Fehlverhalten, will die Angelegenheit aber untersuchen. „Interessenskonflikte bei Förderentscheidungen im BMDV sind uns bislang nicht bekannt“, sagte eine Sprecherin. „Dennoch nehmen wir die Berichte ernst und überprüfen diese derzeit intern.“ Der Umgang mit Fördermitteln unterliege grundsätzlich einer permanenten Überprüfung. „Fördermittel werden in der Regel auf der Basis von Förderbescheiden, also Verwaltungsakten vergeben“, sagte sie.

Nach Paragraf 20 des Verwaltungsverfahrensgesetzes dürften Beschäftigte, bei denen eine Interessenkollision im Sinne dieses Gesetzes vorliegt, in dem jeweiligen Verwaltungsverfahren nicht tätig werden. Gleiches gelte für Projektträger. „Verstöße hiergegen können zu rechtlichen Konsequenzen führen“, sagte sie. „Somit ist durch gesetzliche Regelungen sichergestellt, dass Fördermittel unabhängig von persönlichen Beziehungen freundschaftlicher oder familiärer Art vergeben werden.“

NGOs wie der Antikorruptionsorganisation LobbyControl reicht das nicht. Sie fordern, dass Ministerien nicht nur selbst kontrollieren, ob es Regelverstöße gibt. Das soll nach ihrer Auffassung wie in Frankreich eine unabhängige Behörde übernehmen.

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