Münchner Sicherheitskonferenz: Düstere Aussichten

Auf der Münchner Sicherheitskonferenz fehlt es an einer zündenden Idee, wie der russische Krieg in der Ukraine beendet werden kann.

Demonstrantinnen zeigen Schilder

Eindringliche Appelle am Rande der Siko Foto: Pascal Beucker/taz

MÜNCHEN taz | Die Kundgebung auf dem Odeonsplatz ist überschaubar. Ein paar hundert Menschen sind am Samstagmittag gekommen, um gegen den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine und für mehr Unterstützung für das geschundene Land zu demonstrieren. Im vergangenen Jahr waren es noch mehr gewesen. „Wir wollen Frieden für die Ukraine“, rufen die Demonstrant:innen. Doch zwei Jahre nach Beginn des Kriegs ist kein Ende absehbar. Auch die Staats- und Regierungschefs, die sich unweit im Bayerischen Hof versammelt haben, fehlt es offenkundig an einer Idee, wie der russische Präsident Wladimir Putin dazu gebracht werden kann, das Morden zu stoppen.

Im Jahr ihres 60. Jubiläums steht die Münchner Sicherheitskonferenz (Siko) unter keinem guten Stern. Erst überschattet der Tod des russischen Regimekritikers Alexei Nawalny den ersten Kongresstag, dann kommt am frühen Samstagmorgen die Meldung über den Rückzug der ukrainischen Truppen aus der lange umkämpften Stadt Awdijiwka. Das sei eine „professionelle Entscheidung, um so viele Leben wie möglich zu retten“, sagt Wolodymyr Selenskyj bei seinem Auftritt am Samstag nur knapp auf Nachfrage zu dem schweren militärischen Rückschlag.

Eigentlich will der ukrainische Präsident ein zuversichtlicheres Bild der Lage in seinem Land vermitteln. Doch das gelingt ihm nicht. „Der russische Mythos, dass die Ukraine nicht gewinnen kann, den widerlegen wir“, sagt Selenskyj zwar vermeintlich selbstbewusst. „Wir sollten keine Angst davor haben, Putin zu besiegen.“ Es sei „sein Schicksal, zu verlieren“.

Die derzeitige Kriegsrealität sieht allerdings anders aus, das weiß Selenskyj nur zu gut. Die Ukraine braucht dringend zusätzliche militärische Unterstützung, um den Krieg nicht zu verlieren. Er will nicht als Bittsteller erscheinen, aber genau das ist er. „Waffenpakete, Flugabwehrpakete, das ist gerade das, was wir erwarten“, sagt Selenskyj. Die Frage sei, „wie lange erlaubt die Welt es Russland noch, so zu handeln?“

Bemerkenswert ist, dass er die aus seiner Sicht nötige Antwort auf diese Frage nicht nur auf die erhofften Waffenlieferungen reduziert, sondern auch einen Bereich umfasst, der ansonsten auf der Siko nicht so gerne diskutiert wird: „Wir müssen alle Lücken und Schlupflöcher bei den Sanktionen gegen Russland schließen“, sagt er.

Kein Sektor der russischen Wirtschaft solle davon ausgenommen werden. „Das sollte auch den Nuklearsektor betreffen“ – eine unverhohlene Spitze, dass Frankreich zuliebe Uran aus Russland bis heute nicht Teil der EU-Sanktionspakete ist. Andere EU-Länder wie Österreich oder Ungarn beziehen immer noch in großem Maßstab ihr Gas aus Russland. Von den blühenden Geschäften des Nato-Mitglieds Türkei mit der russischen Despotie ganz zu schweigen.

Über die Sanktionen beziehungsweise Nichtsanktionen verlor Bundeskanzler Olaf Scholz, der unmittelbar vor Selenskyj auf der Bühne stand, kein Wort. Denn dafür gilt sein auf den Westen und die Nato bezogenes Postulat nicht: „Wir stehen geschlossener zusammen denn je.“

Auch ansonsten umging der Kanzler die nicht gerade unbedeutende Frage, wie nichtmilitärischer Druck auf Putin ausgeübt werden kann, damit dieser endlich seinen Krieg gegen die Ukraine stoppt. Dabei ist auch ihm durchaus bewusst, dass um die Aussicht auf einen Sieg der Ukraine auf dem Schlachtfeld nicht gut bestellt ist. Trotz enormer eigener Verluste seien wesentliche Teile der russischen Streitkräfte intakt, führte Scholz aus. Russland habe seine Armee seit vielen Jahren auf diesen Krieg vorbereitet.

Was mit der militärischen Unterstützung der Ukraine erreicht werden kann, formulierte er so: „Einen Diktatfrieden auf Geheiß Moskaus wird es nicht geben, weil wir das nicht zulassen werden.“ Wobei Scholz bei seiner bisherigen Linie blieb, dass eine direkte Kriegsbeteiligung Deutschlands, der EU oder der Nato ausgeschlossen bleibt. „Wir wollen keinen Konflikt zwischen Russland und der NATO“, sagte er. „Deshalb sind sich alle Unterstützer der Ukraine seit Beginn des Krieges einig: Wir schicken keine eigenen Soldaten in die Ukraine.“

Aber es gelte, sich vor Russland zu schützen. Daher sei eine massive Aufrüstung erforderlich. So werde Deutschland nicht nur in diesem Jahr zwei Prozent seines Bruttoinlandsprodukts in die Verteidigung stecken, sondern auch „in den 20er-, den 30er Jahren und darüber hinaus“, kündigte Scholz an. Denn eins sei „doch vollkommen klar: Wir Europäer müssen uns sehr viel stärker um unsere eigene Sicherheit kümmern, jetzt und in Zukunft.“

Das Geld, das jetzt und in Zukunft für die Sicherheit ausgeben würde, „fehlt uns an anderer Stelle“, bereitete Scholz die bundesdeutsche Bevölkerung auf harte Zeiten vor. Er „sage aber auch: Ohne Sicherheit ist alles andere nichts“. Damit wandelte der Sozialdemokrat ein altes Zitat Willy Brandts um. „Der Frieden ist nicht alles, aber alles ist ohne den Frieden nichts“, hatte der einmal weise gesagt.

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