Nach Hamas-Angriff: Terrorsponsor zu Gast in Berlin

Bundeskanzler Scholz trifft den Emir von Katar. Der Wüstenstaat gilt als Finanzier der Hamas – aber auch als Vermittler im Konflikt.

Kanzler Scholz begrüßt den Emir von Katar.

Kanzler Scholz begrüßt am 12. Oktober den Emir von Katar in Berlin Foto: Liesa Johannssen/reuters

BERLIN taz | Nachdem er am Morgen im Bundestag bekräftigt hatte, dass Deutschlands Platz jetzt an der Seite Israels sei, huschte Olaf Scholz zum Mittagessen ins Kanzleramt, um dort den Emir von Katar, Scheich Tamim bin Hamad bin Khalifa Al Thani zu bewirten. Ursprünglich sollte es um Wirtschaftsfragen gehen.

Der Besuch war geplant worden lange bevor die Hamas am Sonnabend Israel überfallen und binnen eines Tages rund 1.000 Israelis, vor allem Zivilisten, abgeschlachtet hatte. Doch Katar gilt als wichtiger Finanzier der Hamas und macht Israel für die Terrorangriffe auf sein Land und seine Bürger selbst verantwortlich. Kann man also morgens den Terror der Hamas verurteilen und mittags mit dem Hauptsponsor des Terrors speisen?

In seiner Rede zur Lage in Israel am Donnerstagmorgen hatte Scholz diese Kritik wohl schon antizipiert und versuchte sie proaktiv zu entkräften. „Es wäre unverantwortlich, in dieser dramatischen Lage nicht alle Kontakte zu nutzen, die helfen könnten.“ Rückendeckung erhielt er von Unionsfraktionschef Friedrich Merz, der an den Bundeskanzler gerichtet erklärte: „Wir begrüßen es ausdrücklich, dass Deutschland zusammen mit den europäischen Partnern zunächst alle diplomatischen Mittel ausnutzen wird.“ Ein Flächenbrand in der Region müsse unter allen Umständen verhindert werden.

Scholz’ Sprecher erklärte nach dem Mittagessen, bei dem Gespräch mit dem Emir sei es vor allem um die Lage im Nahen Ostens nach den terroristischen Angriffen gegangen. Scholz habe bekräftigt, dass Deutschlands unverrückbar an der Seite Israels stehe. Ein weiterer Schwerpunkt sei das Schicksal der von der Hamas verschleppten Geiseln gewesen, darunter auch Deutsche. Scholz habe das humanitäre Bemühen Katars gewürdigt. Man will dazu weiter in engem Kontakt bleiben.

Alternativer Gaslieferant

Das Emirat ist ein wichtiger Vermittler in der Region, das sowohl zu den arabischen Ländern als auch zum Westen enge Kontakte pflegt. Deutschland hatte die Verbindungen zum Golfstaat im vergangenen Jahr intensiviert, vor allem aus wirtschaftlichem Eigeninteresse. Nach dem russischen Überfall auf die Ukraine war Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) zum Emir gereist und hatte einen Deal zur Lieferung von 2 Millionen Tonnen Flüssiggas als Alternative zum russischen Erdgas eingefädelt. Der Vorsitzende der Linkspartei, Martin Schirdewan, fordert, diesen Deal wieder zu kündigen. „Ich erwarte, dass Olaf Scholz dem Emir von Katar ein Ultimatum stellt: Entweder Katar stellt seine Unterstützung der Hamas und ähnlicher Gruppierungen umgehend ein oder der Vertrag platzt. Alles andere wäre erbärmliche Leisetreterei“, so Schirdewan.

Der Fraktionsvorsitzende der Linken im Bundestag, Dietmar Bartsch, forderte die Bundesregierung auf, auch ihre Iranpolitik zu überdenken. Die Exporte in den Iran seien 2022 gestiegen. „Wir müssen aufhören, Wissen und Technologien an den Iran zu exportieren, denn die Ingenieure hinter den Hamas-Bomben haben ihr Know-how aus dem Iran.“

Auch FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai mahnte, die europäische Union brauche eine neue Strategie mit dem Mullahregime im Iran. „Die islamistischen Revolutionswächter als zentrale Säule des Regimes gehören auf die Terrorliste der EU.“

Bartsch kritisierte darüber hinaus das ambivalente Verhältnis des Westens zum „Islamfaschismus“: „Radikal in der Phrase aber im Zweifel werden islamische Gruppen in der Vergangenheit gern als nützliche Idioten betrachtet.“ Solidarität mit Israel heiße, auch islamistische Regierungen im Zweifel nicht mehr für geopolitische Interessen des Westens zu nutzen.

Unterdessen geht die Pendeldiplomatie weiter. Wie das Auswärtige Amt meldete, reist Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) am Freitag zum Solidaritätsbesuch nach Israel.

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