Nachhaltige Stadtentwicklung: Reden hilft – oder doch nicht?

Wie nachhaltig ist das Konzept der innerstädtischen Nachverdichtung wirklich? Bei einer Anhörung im Bauausschuss gingen die Meinungen auseinander.

Wohnblock, Bäume, Regenbogen

Ohne Grün wäre hier das meiste grau (Symbolbild) Foto: picture alliance / dpa | Daniel Naupold

BERLIN taz | Vor Kurzem erst hatte das „Berliner Bündnis Nachhaltige Stadtentwicklung“ (BBNS) zusammen mit den Umweltverbänden BUND und Nabu Alarm geschlagen: Die bauliche Nachverdichtung der Stadt führe immer öfter dazu, dass wertvolle grüne Räume wie baumbestandene Innenhöfe oder MieterInnengärten vernichtet würden. Aus historischen Gründen betreffe das in erster Linie die locker bebauten Wohnviertel aus DDR-Zeiten im Osten der Stadt, wo das geltende Baurecht es gerade den landeseigenen Gesellschaften ermögliche, Wohnungen ohne Bebauungsplan („B-Plan“) zu errichten.

Einen Brandbrief verschickte das Bündnis an Bausenator Andreas Geisel (SPD), nun konnte es bei einer Anhörung im Bauausschuss des Abgeordnetenhauses am Montag den ParlamentarierInnen seine Forderung nach einem Baumoratorium präsentieren. Allein im letzten Jahr habe man zehn Fälle begleitet, bei denen AnwohnerInnen wertvolles Grün verloren hätten, sagte Sprecherin Freya Beheschti – und es gehe schon weiter: „Eine Woche nach Beginn der Fällsaison am 1. Oktober wurden in Hellersdorf die ersten Bäume abgesägt.“ Trotz Klimanotstands sei „kein Konzept für eine klimaresiliente und gesunde Stadt“ erkennbar, und vor allem finde keine angemessene Bürgerbeteiligung statt.

Stadt- und Raumplaner Arno Bunzel vom Deutschen Institut für Urbanistik merkte an, dass Nachverdichtung gut fürs Klima sein könne, weil An- oder Ausbauten im Bestand Ressourcen beim Bau selbst oder bei der verkehrlichen Erschließung sparten. Gehe man es richtig an, könnten solche Maßnahmen sogar als Hebel zur Verbesserung eines Wohnumfelds dienen. Gleichzeitig warnte Bunzel vor einer Überforderung der vorhandenen sozialen oder grünen Infrastruktur. Aber auch ohne B-Plan habe die Politik die Möglichkeit, mit Instrumenten wie der „Städtebaulichen Sanierungsmaßnahme“ stärkeren Einfluss auf die Entwicklung zu nehmen.

Den harten Hund gab der für Bauen und Wohnen zuständige Staatssekretär Christian Gaebler (SPD): Angesichts der aktuellen Bevölkerungsprognose, nach der Berlin 2040 an der Vier-Millionen-Marke kratzt, könne man einfach „nicht sagen: Wartet mal, wir müssen jetzt überall B-Pläne machen.“ Die Zeit für solche langwierigen Prozesse gebe es angesichts der herrschenden Wohnungsnot nicht, so Gaebler, der nicht nur auf den Zuzug ukrainischer Geflüchteter verwies, sondern auch auf Bürgerkriegsflüchtlinge aus Syrien, die schon seit 2015 in Gemeinschaftsunterkünften leben müssten.

Sicherlich werde manchmal im Vorfeld zu wenig über Bauprojekte diskutiert, räumte Gaebler ein – aber es gebe ja auch positive Beispiele. Als solches führt er das Nachverdichtungs-Vorhaben der „Stadt und Land“ an der Treptower Orionstraße an: Dort habe das Bezirkamt nach Protesten der AnwohnerInnen eine Vereinbarung mit der Wohnungsbaugesellschaft getroffen, wie die geplanten rund 100 Wohnungen umfeldverträglicher errichtet werden könnten.

Deal am Ende geplatzt

Für die Linken-Abgeordnete Katalin Gennburg ein willkommenes Stichwort. Sie verwies nämlich auf das frustrierende Ende dieser hoffnungsvollen Entwicklung: Die Stadt und Land verkündete am Ende, einen zuvor mit dem Bezirk ausgehandelten Grundstückstausch doch nicht wahrzunehmen und die ursprünglichen Pläne zu verwirklichen – alles andere sei angesichts der rasant steigenden Baukosten nicht wirtschaftlich.

An Daniel Sprenger vom Vorstand der Architektenkammer Berlin, einen weiteren geladenen Experten, richtete Gennburg die Frage, ob nicht die Grundfesten der A100 zwischen Neukölln und Treptow ein gutes Fundament für geschätzt 10.000 neue Wohnungen hergäben. Sprenger wollte dies offenbar nicht als Entweder-Oder verstehen, er verwies auf Autobahnüberbauungen wie den schon legendären Komplex an der Schlangenbader Straße in Wilmersdorf. Solche Kombinationslösungen könnten auch eine Zukunft haben, würden aber nie die entscheidene Rolle spielen, denn: „Das ist und bleibt teuer.“

Der Architekt äußerte dann noch einen sehr naheliegenden Wunsch: Rot-Grün-Rot solle endlich die vom gleichfarbigen Vorgängersenat erarbeitete Charta Stadtgrün verabschieden. Die anspruchsvolle politische Selbstverpflichtung, die die Erhaltungswürdigkeit von Grünflächen deutlich hochstufen würde, war im letzten Wahlkampf von der SPD torpediert worden und verstaubt seitdem im Abgeordnetenhaus.

Update 12.10.: Laut Claudia Leistner (Grüne), für Umwelt zuständige Stadträtin im Bezirk Treptow-Köpenick, konnte der zuerst gescheiterte Deal zwischen der Stadt und Land und dem Bezirk „nach langen Verhandlungen“ mit den Senatsverwaltungen für Finanzen und Satdtwentwicklung doch noch gerettet werden. „Der Innenhof wird nicht bebaut“, so Leistner, der Flächentausch komme zustande, alle rechtlichen Fragen seien geklärt.

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