Neue Late-Night-Show „Reschke Fernsehen“: Bierernst zur Cocktail-Zeit

Anja Reschke hat jetzt eine Late-Night-Show. Doch was lustig sein soll, wirkt leider bloß staatstragend.

Anja Reschke

Anja Reschke präsentiert im Ersten Reschke Fernsehen Foto: NDR/ARD/dpa

Jetzt hat Alexander Gauland also auch noch das verbrochen: Die bekannte „Panorama“-Moderatorin Anja Reschke erhält eine neue Late-Night-Sendung, benannt nach dem Ausspruch des AfD-Politikers, die deutschen Öffentlich-rechtlichen seien ja alle linksgrünversifftes „Reschke Fernsehen“. Am besten bezwingt man seine Gegner, indem man über sie lacht, muss man sich bei der ARD gesagt haben und et voila: Ein Sendungskonzept war geboren.

Doch worin genau sich „Reschke Fernsehen“, das zwölfmal pro Jahr um halb zwölf Uhr Nachts laufen soll, vom Reschkefernsehen „Panorama“ unterscheidet, bleibt unklar. Es soll zumindest lustig zugehen, statt ernst. Reschke ist nicht mehr in business casual gewandet, sondern steckt in einem schwarzen Einteiler. Sie trägt richtige Klunker an den Ohren und hochhackige Leoparden-Pumps an den Füßen. Zum Outfit im Kleinstadtglamour spielt eine Band ab und an mittelfetzige Mucke. Das soll dann wohl Late-Night sein.

Der Inhalt passt nur halb zur Hülle. „Hier wird knallharter Journalismus gemacht“, verspricht Reschke zu Beginn, wobei unklar bleibt, ob der Satz mit Ironie gesprochen wurde oder nicht. Die Sendung balanciert dann auch auf einem schmalen Grat zwischen Aufklärung und Satire. Eine halbe Stunde lang geht es um Bayern, der baldigen Landtagswahl dort sei dank. Die großmäuligen Absurditäten von Markus Söders oder Horst Seehofer bieten sich natürlich als Zielscheibe von Spott und Häme an, doch zwischen Zusammenschnitten besonders stoßender bayrischer Megalomanie geht es immer wieder bierernst zu.

Zahlen und Fakten sollen die Heuchelei der CSU-Granden beweisen. Wir sollen also nicht nur lachen, sondern auch was lernen. Wir lernen: Erneuerbare Energien sind wichtig und alle müssen ihren Beitrag leisten. Wir lernen: Bayern ist eine Bretzel-Republik unter der Fuchtel des Weisswurst-Vereins CSU. Das ist beides weder überraschend noch lustig. Unterlaufen wird der Lern-Effekt besonders dann, wenn man wei, dass es in der Panorama-Sendung, die wenige Stunden vor der ersten Folge „Reschke Fernsehen“ über den Äther lief, zum Schluss bereits um die Bayrischen Landtagswahlen ging. Ebenfalls garniert mit Clips von Markus Söders Ausbrüchen der Bayernliebe als Werbung für die neue Sendung am späten Abend. Haben die Macherinnen der beiden Sendungen einfach die Witze aus der Redaktionskonferenz aufgeschrieben und sie auf einem anderen Sendeplatz in die Welt geblasen?

Armutszeugnis für die öffentliche Debatte

Die Öffentlich-rechtlichen sollen bekanntermassen Geld sparen. Vielleicht ist diese Form der inhaltlichen Synergie ja gewollt. Als Zuschauer fühlt man sich aber ein bisschen veräppelt von dieser Doppelung. Zwei Mal Reschke, zwei Mal Bayern – und das an ein und demselben Abend.

Ohnehin wirkt es seltsam im Jahr 2023 eine neue satirische Infotainment-Sendung aus der Taufe zu heben, die nach dem amerikanischen Modell von Daily Show und Last Week Tonight Nachrichten mit Humor begleiten soll. Wir haben doch bereits die heute-show und das ZDF Magazin Royale. Das zugrundeliegende Modell hat sich doch in den letzten Jahren bereits tot gelaufen. The Daily Show mit Jon Stewart hatte sich in den Bush-Jahren über ihren affigen Präsidenten lustig gemacht, doch geholfen hat das Gelächter der Liberalen wenig. Den Nahen Osten hat Bush trotzdem in Schutt und Asche gelegt und die Weltwirtschaft an die Wand gefahren hat er auch. In der Hysterie, die der Wahl Trumps und der Brexit-Entscheidung folgte, florierte ein ganzer Strauß solcher Shows, in denen sich wohlmeinende Bürger der moralischen Überlegenheit ihrer Ansichten vergewisserten, indem sie sich über alle anderen mokierten.

Die Blüte dieser Sendungen stellte nicht nur ein Armutszeugnis für die öffentliche Debatte, sondern auch für den klassischen Journalismus dar. Klassische Nachrichten halten die Menschen nicht mehr aus – sie müssen als Entertainment daher kommen. Grölen statt denken, Moderatormoral statt eigener Meinung. Anja Reschke ist, zumindest von weit rechts aus gesehen, die fleischgewordene liberale Mitte, die auf ihren Schultern die grundgesetzliche Ordnung trägt. Sie ist also perfekt geeignet, das Publikum zur Raison zu rufen, indem es penibel darauf hingewiesen wird, worüber zu lachen ist.

„Als Journalistin, Frau, Bürgerin“ stehe sie hier, sagt Resche am Anfang ihrer Sendung. Das ist ein staatspolitischer Auftrag, kein Manifesto des Humors. Kann man machen. Mit den Worten einer anderen medialen Stütze der deutschen Staatsraison zu sprechen: Oder soll man es lassen?

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.