Obdachlosigkeit in Berlin: Sonnencreme für Obdachlose

Hitze kann für obdachlose Menschen lebensbedrohlich werden. Der Senat stellt eine Million Euro für Hitzehilfeprojekte bereit. Bald wird aufgestockt.

Die Senatorin für Arbeit und Soziales Cansel Kiziltepe steht hinter einem Lastenrad neben einem Sozialarbeiter von Gangway. Sie halten Sonnencreme in den Händen.

Sozialsenatorin Cansel Kiziltepe (SPD) besucht das Gangway-Projekt am Alex Foto: Britta Pedersen/dpa

BERLIN taz | Temperaturen bis zu 35 Grad, dann plötzlich starke Unwetter und Regenfälle. Für Menschen, die kein Zuhause haben, waren die Wetterbedingungen in Berlin in den letzten Wochen lebensbedrohlich. Ohne sicheren Rückzugsort kann nicht nur Kälte, sondern auch Hitze tödliche Auswirkungen haben.

Deshalb arbeitet der Straßensozialarbeitsverein Gangway daran, Obdachlose vor der Hitze zu schützen. In Gebieten, in denen besonders viele Menschen von Obdachlosigkeit betroffen sind, verteilen die So­zi­al­ar­bei­te­r*in­nen Wasser, Sonnencreme und Hygieneprodukte. „Das ist ein Angebot, das in erster Linie Überlebenshilfe bedeutet“, sagt Juri Schaffranek, Teamleiter von Gangway.

Mindestens drei Mal in den letzten Wochen sei eine obdachlose Person aufgrund der Hitze so akut in Lebensgefahr geraten, dass ein Krankenwagen gerufen werden musste. Schwerpunkte der Arbeit von Gangway sind die Gegend um den Bahnhof Zoo, am Alexanderplatz und in Charlottenburg. 16 ausgebildete So­zi­al­ar­bei­te­r*in­nen sind dort regelmäßig in Zweierteams im Einsatz.

Der Senat fördert dieses und weitere Projekte mit 1 Million Euro. Weitere Angebote, die gefördert werden, sind zum Beispiel der Duschbus für Frauen oder der Tagestreff am Containerbahnhof. Im Tagestreff können obdachlose Menschen sich auch tagsüber vor Unwettern oder starker Sonneneinstrahlung schützen, wenn andere Notunterkünfte noch geschlossen haben.

Mehr Geld für die Unterstützung von Obdachlosen

Berlins Senatorin für Arbeit und Soziales Cansel Kiziltepe (SPD) kündigt an, dass für die Unterstützung von Obdachlosen im nächsten Jahr 3 Millionen Euro zur Verfügung stehen werden. Das sei das Ergebnis der kürzlich beendeten Haushaltsverhandlungen. Außerdem appelliert sie an die Ber­li­ne­r*in­nen, die Hitzehotline zu wählen, wenn obdachlose Menschen aufgrund der Hitze in Gefahr sind. „Die Hotline ist leider noch kaum bekannt“, sagt Kiziltepe. Das müsse sich dringend ändern. Momentan würden höchstens drei Anrufe pro Tag dort eingehen.

Juri Schaffranek von Gangway betont, wie wichtig es sei, obdachlose Menschen zu fragen, ob und welche Hilfe sie benötigen. „Uns fällt immer wieder auf, dass mit den Menschen gar nicht gesprochen wird“, erzählt er. In medizinischen Notfällen sei es selbstverständlich wichtig, sofort einen Krankenwagen zu rufen. Doch in anderen Situationen sollten Menschen erst einmal Kontakt aufnehmen und nach konkreten Bedürfnissen fragen.

In diesem, wie auch im letzten, Sommer können Menschen in einer Notunterkunft in Schöneberg Schutz vor der Hitze finden. Auch tagsüber können sie sich dort aufhalten. Außerdem können die Duschen genutzt werden.

Fehlende Möglichkeiten, sich in Sanitäranlagen abzukühlen, seien eines der Hauptprobleme, erklärt Schaffranek. Deshalb habe der Verein versucht, Freibäder anzufragen. „Dort könnten obdachlose Menschen, nachdem die anderen Be­su­che­r*in­nen gegangen sind, die Sanitäranlagen nutzen und sich abkühlen.“ Doch die Bezirks­ämter hielten den Vorschlag laut Schaffranek nicht für realistisch. Es gebe Bedenken wegen der Hygienevorschriften.

Forderung nach Soforthilfe

Schaffranek lässt das Argument nicht gelten: „Es geht hier um Soforthilfe. Ich kann jetzt nicht ein halbes Jahr auf Hygieneauflagen warten.“ Auch Sportvereine habe er angefragt. Dort wurden ebenfalls von den Ämtern „Steine in den Weg gelegt“. Senatorin Kiziltepe versichert, dass sie die Vorschläge des Vereins unterstützt und sich dafür einsetzen will, dass diese umgesetzt werden können.

In den letzten anderthalb Jahren hätten die So­zi­al­ar­bei­te­r*in­nen von Gangway einen starken Anstieg an Obdachlosigkeit unter Jugendlichen beobachtet. Lucia Preininger, Sozialarbeiterin bei Gangway, erklärt sich die Entwicklung mit der voranschreitenden Gentrifizierung in den Bezirken. Immer mehr Familien und junge Menschen können sich die Mieten nicht mehr leisten und würden dann auf der Straße landen, so Preininger.

Die Arbeit sei wichtig, aber frustrierend, so Sozialarbeiter Phillip Bauminger. „Wir können nur Symptombekämpfung machen“, sagt er. Das eigentliche Problem hinter der Hitzebedrohung von obdachlosen Menschen sei natürlich die Obdachlosigkeit selbst. Und die zu bekämpfen ist deutlich schwieriger und langwieriger, als Wasserflaschen und Sonnencreme auszuteilen.

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