Ökologische Bestattungsalternative: Kompostieren statt verbrennen

In Schleswig-Holstein läuft ein Pilotprojekt für ein klimafreundliches Bestattung-Verfahren. Die Methode spart Energie und wohl auch Schadstoffe.

Behälter mit Heu gefüllt

Auf Heu gebettet: Vorbereitung zur Reerdigung Foto: Christian Charisius/dpa

RENDSBURG taz | Ein warmer Sommergeruch aus Heu strömt aus dem Becken, das in der Kapelle des Friedhofs Eichhof steht. Das Bett aus Heu, Stroh und getrockneten Blumen wartet auf einen menschlichen Körper, der sich darin in wenigen Wochen zersetzen soll. „Reerdigung“ nennt sich das europaweit einzigartige Verfahren, das das Berliner Start-up Meine Erde entwickelt hat.

In Schleswig-Holstein wird die Methode, die schneller als klassische Erdbestattungen und weit klimafreundlicher als die Verbrennung im Krematorium ist, in einem Pilotprojekt getestet. Nach dem ersten Jahr ziehen die Beteiligten ein positives Fazit. Damit auch in anderen Orten „reerdigt“ werden darf, müssen die Bestattungsgesetze geändert werden.

40 Tage braucht es, bis die Leiche zu Erde zerfällt. Die Zahl ist nicht zufällig gewählt, sie taucht im religiösen Kontext immer wieder auf: Laut Bibel dauerte so lange die Sintflut, Jesus verbrachte 40 Tage in der Wüste. Im Islam ist ein Totenmahl 40 Tage nach der Trauerfeier üblich. „Aber die biologischen Prozesse passen auch“, sagt Pablo Metz, Co-Gründer von Meine Erde.

Wie perfekt sich der Körper in dieser Frist zersetzt, „finden auch wir immer noch faszinierend“. Der Betriebswirt wurde vor einigen Jahren von seinen „Kindern auf den Pott gesetzt“, sich mehr für die Umwelt einzusetzen. Ein Gespräch mit seiner damals 93-jährigen Großmutter brachte ihn auf das Thema Beerdigungen, berichtet er. „Sie fand weder Feuer- noch Erdbestattung gut und war traurig, dass es keine anderen Möglichkeiten gibt.“

Perfekte Verhältnisse für körpereigene Mikroben

Mit seinem Geschäftspartner Max Hüsch, einem Maschinenbauer, entwickelt Metz das neue Verfahren: „Wir nutzen die Kräfte der Natur.“ In dem verschlossenen Behälter und auf dem Heu-Stroh-Bett finden die körpereigenen Mikroben perfekte Verhältnisse. Zehn Tage bleibt der Behälter unberührt, dann wird er weitere 30 Tage sanft bewegt – „gewiegt“, sagt Metz. Dadurch wird verhindert, dass sich am Grund des Beckens Wasser sammelt.

Am Ende haben sich Haut, Muskeln, Organe zersetzt. Die Knochen werden bereits porös und können zermahlen werden, so wie es auch nach einer Feuerbestattung geschieht. Ersatzteile wie Goldzähne und Hüftgelenke werden ausgesiebt. Zusammen mit dem Heu-Stroh-Bett werden aus einer 80-Kilo-Leiche rund 100 Kilo Erde von bester Humus-Qualität.

„Es ist richtig zu sehen, wie gut die Pflanzen auf den entsprechenden Gräbern wachsen“, sagt Christoph Donner, Verwaltungschef des Kirchenkreises Altholstein, zu dem der Kieler Friedhof gehört. Meine Erde hat mehrere Räume der denkmalgeschützten Kapelle auf dem Gelände gemietet, in denen die Behälter stehen. Bisher wurde das Verfahren in Mölln getestet, im Februar 2022 fand die erste Reerdigung statt.

Der Modellversuch wird von der Uni Leipzig begleitet. Auch das Kieler Justizministerium, dem das Bestattungswesen zugeordnet ist, schaut aufmerksam hin. Die schwarz-grüne Landesregierung arbeitet an einer Novelle des Bestattungsgesetzes, das – so hofft Metz – die Reerdigung als Bestattungsalternative erlaubt. Andere Bundesländer könnten dann nachziehen: „Das Interesse ist groß“, sagt der Unternehmer.

Nur die Bestattungsbranche könnte verlieren

Das Hauptargument für das Verfahren ist der ökologische Aspekt. Heute entscheiden sich die meisten Hinterbliebenen für Feuerbestattungen – doch Krematorien brauchen Energie, schließlich muss die Kammer auf über 1.000 Grad geheizt werden. Der Verband für Gedenkkultur, eine Interessensvereinigung des Friedhofswesens, spricht von einem Energiebedarf von gut 126 Millionen Kilowattstunden Erdgas und 31 Millionen kWh Strom. Das Bundesumweltamt weist in einer Studie auf Gefahrstoff-Emissionen hin: So entweicht beim Verbrennen unter anderem Quecksilber aus Zahnfüllungen.

Aus theologischer Sicht spreche nichts gegen die Reerdigung, sagt Pröpstin Almut Witt vom Kirchenkreis Altholstein. Sie verweist auf den Segen bei der Beisetzung: „Erde zu Erde – hier wird das ganz deutlich.“ Hinzu kommt, dass die Reerdigung den Trend zur Urne umdrehen könnte, durch den die meisten Friedhöfe zu viele freie Grabstellen haben.

Win-win-win – nur die Bestattungsbranche könnte verlieren. Zwar legt Metz legt Wert darauf, dass Meine Erde den Bestattern keine Konkurrenz mache und das Verfahren in deren Hand bliebe. Aber es wird kein Sarg gebraucht. Zudem ist die Reerdigung mit rund 2.900 Euro deutlich teurer als das Krematorium.

Dafür aber sei für viele Menschen der Gedanke „einfach schön“, beim letzten Gang keinen großen CO2-Fußabdruck zu hinterlassen, sagt Metz, dessen Firma zurzeit Fördermittel vom Bund und der EU für das neue Verfahren erhält. Zu den wenigen bereits reerdigten Menschen gehört auch seine Großmutter.

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