Oldenburgs Verehrung von Nazi-Größen: Neustart einer zähen Debatte

Bernhard Winter, Edith Russ und Erna Schlüter waren regimetreue Kulturgrößen im NS. Die Stadt Oldenburg hält sie trotzdem in Ehren. Das könnte nun enden.

Ein historisches Gemälde des Künstlers Bernhard Winter steht verpackt in der Sammlung des Stadtmuseums Oldenburg.

Unter der Folie steckt Nazi-Kunst: Verpacktes Gemälde des Künstlers Bernhard Winter in der Sammlung des Stadtmuseums Oldenburg Foto: Hauke-Christian Dittrich/dpa

OLDENBURG taz | Die höchste Auszeichnung, die eine Stadt ihren Bürgerinnen und Bürgern verleihen kann, ist die Ehrenbürgerwürde. Ausgezeichnet werden Persönlichkeiten, so schreibt es die niedersächsische Stadt Oldenburg auf ihrer Website, „die sich in herausragender Weise um das Wohl oder das Ansehen ihres Ortes verdient gemacht haben“.

Leo Trepp, ehemaliger Rabbiner der jüdischen Gemeinde Oldenburg, der 1938 nur knapp dem KZ entkam, ist einer von fünf Ehrenbürgern in Oldenburg. Es waren mal sieben, aber Hitlers Steigbügelhalter Paul von Hindenburg und Oldenburgs Heimatdichter August Hinrichs wurde diese Würde bereits entzogen. Zu den verbliebenen Ehrenbürgern der Stadt gehört der Heimatmaler Bernhard Winter – ein Antisemit und Nationalsozialist.

Winter war Anfang des 20. Jahrhunderts der bedeutendste Maler im Oldenburger Land und positionierte sich politisch eindeutig. Bereits 1913, sieben Jahre bevor die NSDAP gegründet wurde, ließ Winter in einem Aufsatz über die „Feste, Sitten und Gebräuche unserer Heimat“ keinen Zweifel an seiner Gesinnung: Er schrieb von „Völkern unentarteter Rasse“, dem „gesunden Rasseinstinkt“, einer „Verderbnis“, die eintrete, wenn „rassenungleiche Völker zusammentreffen“ und vom „Einfluss des jüdischen Volkes“.

Damit meinte er, wie er um 1920 in einem anderen Aufsatz ausführte, die „zersetzende Tätigkeit“ der Juden, die „mit List und Gewalt Nichtjuden zur Unfähigkeit klaren Denkens dressierten“ und angeblich „die natürliche volkliche Widerstandskraft“ brechen wollten.

Grünen-Fraktion im Oldenburger Stadtrat

„Bernhard Winter sollte kein Oldenburger Ehrenbürger sein und eine nachträgliche Aberkennung erscheint uns notwendig“

Seine Werke hätten stets „alle Benebelung durch Fremdtum“ durchbrochen und „edles Volkstum“ gestützt, rühmte sich Winter. Er war überzeugter Nationalsozialist, wurde vom NS-Regime mit Ehrungen überhäuft und malte noch bis 1945 Propagandabilder. 1941 erhielt Winter „im Auftrage des Führers“ die Goethe-Medaille für Kunst und Wissenschaft, 1943 den Gaukulturpreis Weser-Ems und 1944 stand er auf der „Gottbegnadeten-Liste“ des Propagandaministeriums. 1961, drei Jahre vor seinem Tod, wurde Winter dann die Ehrenbürgerwürde Oldenburgs verliehen.

Die Stadt widmet auf ihrer Internet-Seite allen Eh­ren­bür­ge­rn ein kurzes Portrait. Über den 1871 geborenen Winter steht dort, dass er vor allem Motive aus dem bäuerlichen Leben gemalt und sich um seine Heimat verdient gemacht habe. Winter habe das Freilichtmuseum in Bad Zwischenahn geschaffen und den Heimatverein „Ollnborger Kring“ mitbegründet. 1956 verlieh ihm der damalige Bundespräsident Theodor Heuß (FDP) das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse.

In Winters Ehrenbürger-Urkunde steht: „Seine besondere Liebe galt der Kultur, den Sitten und Gebräuchen seiner engeren Heimat, die er in mühevoller Arbeit erforschte und in seinen Bildern darstellte.“ Zu seiner Geisteshaltung und seinem Wirken im Nationalsozialismus findet sich hier kein Wort.

Auf eine taz-Anfrage, warum Winter noch Ehrenbürger sei und wieso seine Unterstützung des nationalsozialistischen Regimes mit keinem Wort erwähnt werde, wollte der Pressesprecher der Stadt Oldenburg zunächst nicht antworten. Später erklärte er dann aber doch, dass der Text auf der Seite der Stadt überarbeitet werde. Zuständig sei das für Erinnerungskultur verantwortliche Kulturbüro. Das ist nun fünf Monate her und noch immer bleibt Winters Rolle im Nationalsozialismus auf der Seite der Stadt unerwähnt.

Dabei schließt Oldenburg – die Stadt, in der 1932 die NSDAP ihre erste absolute Mehrheit erlangte – derzeit einige Erinnerungslücken: Das städtische Edith-Russ-Haus, eine Kunstgalerie, hat ein Gutachten zur Vergangenheit seiner Namensgeberin angekündigt, nachdem die taz über Russ’ Tätigkeit als NS-Propagandistin berichtet hatte. Russ war von 1943 bis 1945 Feuilleton-Chefin der Oldenburger NSDAP-Zeitung, Verfechterin der „ewigen Werte deutscher Kunst“ und rief zum „Heldentod an der Front“ auf.

Russ wird seit dem vergangenen Jahr zusammen mit der Künstlerin Emma Ritter, deren Rolle im Nationalsozialismus umstritten ist, und der Oldenburger Opernsängerin Erna Schlüter auf einem städtisch geförderten Wandgemälde geehrt. Schlüter sang zu Ehren Hitlers, Goebbels und der Machtergreifung und wurde von Hitler persönlich zur Kammersängerin ernannt. Die beauftragten Künstlerinnen wussten nichts von der Vergangenheit der Frauen und fordern nun die Übermalung der Porträts.

Auch der scheidende Intendant des Oldenburgischen Staatstheaters Christian Firmbach hat unlängst angekündigt, sich mit Schlüter zu befassen. Im Staatstheater ist ein Foyer nach ihr benannt. Ende Februar hat die August-Hinrichs-Bühne, eine Amateurbühne des Staatstheaters, bekanntgegeben, dass sie nach jahrzehntelangem Druck ihren Namen wechseln und sich künftig Niederdeutsche Bühne am Oldenburgischen Staatstheater nennen werde.

1939 hatte Gauleiter Carl Röver den Theaterverein, der ausschließlich niederdeutsche Stücke auf die Bühne bringt, zu Ehren des Heimatdichters August Hinrichs umbenannt. Hinrichs war Leiter der Reichsschrifttumskammer im Gau Weser-Ems, schrieb diverse NS-Propaganda-Stücke und profitierte vom NS-Regime. Ausschlaggebend für den Namenswechsel war letztlich ein öffentlicher Aufruf mehrerer Schauspieler*innen.

Kulturausschuss will reden

Die Leiterin des Oldenburger Kulturbüros, Paula von Sydow, beteiligt sich bisher nicht an der Aufarbeitung der NS-Geschichte der Stadt. Sie hat eine verharmlosende Biografie über Edith Russ geschrieben und blockt alle Fragen dazu ab. Auf der Website des Edith-Russ-Hauses fehlt jeder Hinweis auf die NS-Karriere der Namensgeberin. In einem Lebenslauf auf der Internet-Seite der Stadt bleibt Russ’ Mitarbeit beim NSDAP-Blatt unerwähnt.

Die Grünen-Fraktion im Stadtrat erklärte, dass sie die gleiche Position vertrete wie in der Debatte über Straßennamen vor zehn Jahren. Damals wurde in Oldenburg darüber gestritten, ob Straßen nach August Hinrichs und Paul von Hindenburg benannt bleiben dürften. Am Ende wurde den beiden Männern zwar die Ehrenbürgerschaft der Stadt aberkannt, die Straßen heißen aber weiter nach ihnen. „Auch Bernhard Winter sollte kein Oldenburger Ehrenbürger sein und eine nachträgliche Aberkennung erscheint uns notwendig und richtig“, schreibt die Grünen-Fraktion.

Sie will das Thema im Kulturausschuss auf die Tagesordnung setzen. Bei der nächsten Sitzung am 9. April dürften auch Edith Russ und Erna Schlüter Thema sein. Damit geht die 2015 weitgehend im Sande verlaufene Vergangenheitsdebatte in Oldenburg in eine nächste Runde.

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