Opposition in Russland: Protestieren kann teuer werden

Das russische Parlament verschärft das Versammlungsrecht. Demonstranten drohen nun hohe Geldstrafen. Gegner der Änderung wurden vor der Duma festgenommen.

Festnahme des Oppositionspolitikers Sergej Mitrochin am Dienstag in Moskau. Bild: dpa

MOSKAU taz | Mindestens zwei Dutzend Aktivisten sind von der Polizei vor der Duma in Moskau am Dienstag festgenommen worden. Darunter auch der Vorsitzende der demokratischen Partei Jabloko, Sergei Mitrochin. Die Demonstranten protestierten gegen die Verschärfung des Versammlungsrechts, das auf Betreiben der Staatspartei Vereinigtes Russland (VR) noch am Dienstag in zwei Lesungen eiligst durch das Parlament gepeitscht wurde. Damit tritt das Gesetz noch rechtzeitig zur nächsten Großdemonstration der Opposition am 12. Juni in Kraft.

Auch wohlwollenden Beobachtern fällt es schwer, hinter der Verschärfung etwas anderes als Einschränkung und schleichende Aufhebung der Demonstrationsfreiheit zu sehen. Nach außen verkauft die verunsicherte Kremlelite die Initiative als eine Angleichung der Gesetzgebung an europäische Standards: So gab es bislang in Russland kein Vermummungsverbot, auch die Geldstrafen bei Verstößen waren niedriger als in der EU.

Das soll laut VR korrigiert werden, ohne das niedrige Lohnniveau in Russland jedoch zu berücksichtigen. Das lässt keinen Zweifel daran, was mit dem Gesetz tatsächlich beabsichtigt ist. Bei Verstößen müssen Privatpersonen mit Geldbußen zwischen 300 und 7.500 Euro rechnen, juristische Personen gar bis zu 16.000 Euro. Wer im Zusammenhang mit einem politischen Vergehen verurteilt wird, zahlt demnächst deutlich höhere Strafen als etwa Diebe oder Kapitalverbrecher. Auch dies ist ein klarer Hinweis, wem die Sympathien gelten und wen die Machthaber für gefährlicher halten.

Bürgerrechtler sind vor allem wegen der schwammigen Formulierungen des Gesetzes alarmiert. Als Veranstalter eines Protestes gilt etwa nicht, wer eine Protestaktion anmeldet oder sich dafür verantwortlich erklärt. Erst ein Gericht soll im Nachhinein entscheiden, wer der rechtsverbindliche Organisator der Aktion gewesen ist. Da Russlands Gerichte in der Regel Anhängsel des Machtapparats sind, steht zu befürchten, dass die Richter die Schuldigen auch dort finden, wo der Kreml es will.

Beobachter glauben, dass das Gesetz die Protestbereitschaft der Bevölkerung nicht drosseln wird. Gegen Zigtausende vorzugehen, hätte langfristig wenig Erfolg. Auch die hohen Geldstrafen ließen sich bei organisiertem Protest auf alle Beteiligten umlegen, hieß es. Das Gesetz sagt indes viel über die Schwäche des Initiators aus: Die Kremlkamarilla ist sich ihrer nicht mehr sicher.

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