Podcaster über Marokkos Patriarchat: „Junge Queers waren gefangen“

Der Aktivist Soufiane Hennani erklärt, wie ­­­Ma­rokkane­r*in­nen mit Antifeminismus umgehen. In seinem Podcast „Machi Rojola“ spricht er über Queerness.

Protestierende halten Schilder hoch

Protest nach dem Suizid einer 16-Jährigen, die ihren Vergewaltiger heiraten musste Foto: Youssef Boudlal/reuters

taz: Soufiane Hennani, in Ihrem Podcast „Machi Rojola“ sprechen Sie mit Ihren Gästen über Feminismus, Netzaktivismus und wie man in Marokko das Patriarchat überwinden kann. Sind solche Gespräche neu in Ihrem Land?

Warum beschäftigen wir uns in einem Dossier mit Antifeminismus? Schon in vielen Liedern wird besungen: „Know your enemy“. Oft ist Antifeminismus subtil. Wie wir ihn entlarven können, wird klar, wenn wir uns mit ihm auseinandersetzen: Welche Formen nimmt er an? Wer sind die Akteur*innen? Und wie können wir ihm begegnen? Alle Dossiertexte gibt es im Online-Schwerpunkt zum feministischen Kampftag.

Soufiane Hennani: Ich glaube, dass wir in Marokko immer kritisch über Maskulinität gesprochen haben. Sie prägt immerhin den Alltag von vielen Menschen, von Frauen und Männern. Da geht es um psychische, physische und sexuelle Gesundheit, aber auch um die Sozialisierung von Männern, wie sie untereinander interagieren und allgemein in der Gesellschaft. Es gab vor mir viele For­sche­r*in­nen und Autor*innen, die sich mit Feminismus auseinandergesetzt haben. Der Unterschied jetzt liegt vielleicht darin, dass die Inhalte ein breites Publikum erreichen, das so mitsprechen kann. Egal ob in meinem Podcast, in der Musik, im Kino, in traditionellen oder sozialen Medien.

Feministische Ideen erreichen also nun mehr Menschen. Erzeugt das auch im Netz antifeministischen Widerstand?

forscht an der Uni in Casablanca im Bereich Health Sciences. Er ist LGBTQI+-Aktivist. Sein politisches Interesse gilt queeren Identitäten und Maskulinität. In seinem Podcast „Machi Rojola“ spricht er über Feminismus in Marokko.

Auf Facebook bekomme ich oft die Nachricht, dass ich für meine Inhalte bezahlte Werbung schalten soll, während hasserfüllte, antifeministische Plattformen organisch wachsen und mit Reichweite den Tech-Unternehmen Gewinne einbringen. Man müsste die Medienkompetenzen der Menschen ausbauen. Sie sehen die Inhalte eines queerfeindlichen oder antifeministischen Influencers und glauben den Blödsinn. Viel ist zu uns leider aus den USA und Europa geschwappt, da nehmen sich in Marokko einige Leute ein Beispiel an Strategien der Hassrede.

Können Sie uns ein Beispiel nennen?

Jemand hat den US-amerikanischen Podcast eines Incels schlicht kopiert und findet damit ein hasserfülltes Publikum in Marokko. Oder: Es gibt im Netz seit Kurzem eine Gruppe namens „Wenn du ein wahrer Mann bist, darfst du keine Frau heiraten, die arbeiten geht“. Da kommen Incels und Maskulinisten zusammen, lassen sich frauen- und queerfeindlich aus und argumentieren dabei vor allem mit „Freiheit“. Sie haben in Europa und Deutschland solche gefährliche Tendenzen.

Wie stark ist der feministische Diskurs in Marokko?

Der erreicht vor allem junge Menschen. Sowohl als Sen­de­r*in­nen als auch als Empfänger*innen. Da drin finden sich dringende Themen: Rassismus in Marokko, die Klimakatastrophe und eben feministische Kämpfe. Solche Debatten haben sich längst aus den elitären Räumen befreit und erreichen alle Bevölkerungsgruppen gleichermaßen. Als wir während der Pandemie kollektiv in den harten Lockdown mussten, gab es viel Hass und Gewalt gegen LGBTQI+ und Feminist*innen. Einige junge Queers waren plötzlich in ihren Elternhäusern gefangen. Ich habe das in meinem Podcast „Machi Rojola“ und auf sozialen Medien thematisiert. Für viele Betroffene war das so zugänglich und hilfreich. Sie konnten sich im Netz zumindest austauschen und gegenseitig stärken.

Viele weiße Feministinnen hier in Deutschland und Europa interessieren sich besonders für das Thema Maskulinität in Nordafrika. Kommt das bei Ihnen an?

Superschön und inspirierend in Marokko ist, dass wir unsere eigene feministische Tradition haben, die schon immer intersektional war. Bei uns kommen ein paar Fetzen dieses weißen Mainstream-Feminismus an, das hat meist negative Auswirkungen auf unseren Alltag. Zum Beispiel diese tiefsitzende Transfeindlichkeit. Dabei haben wir eine reiche feministische Tradition mit Stimmen wie der Soziologin Fatima Mernisi oder der Schriftstellerin Malika al-Fassi, die uns zeigen, dass Feminismus eine einflussreiche marokkanische Tradition besitzt. Diese Frauen haben für Selbstbestimmung gekämpft, körperliche und politische. Dass Frauen wählen können, sich scheiden lassen können, ein Kopftuch tragen oder nicht. Daran knüpfe ich in meiner Arbeit im Podcast oder auf sozialen Medien an und das berührt viele Menschen – Queers, Frauen und Männer, sodass sie sich wiederum engagieren.

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Dieser Text ist Teil der Sonderausgabe zum feministischen Kampftag am 8. März 2024, in der wir uns mit den Themen Schönheit und Selbstbestimmung beschäftigen. Weitere Texte finden Sie hier in unserem Schwerpunkt Feministischer Kapmpftag.

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