Polizeieinsätze zu Silvester: Aufrüsten für den Jahreswechsel

Die Polizei rechnet zu Silvester erneut mit Ausschreitungen und reagiert mit Großaufgeboten. Innenministerin Faeser warnt vor einer Terrorgefahr.

Ein Schild weist auf ein Feuerwerksverbot in der historischen Altstadt am 31.12. und 01.01. hin

Viele Städte versuchen mit einem Feuerwerksverbot Ausschreitungen an Silvester zu verhindern, hier: Verbotsschild in der Altstadt von Düsseldorf Foto: Michael Gstettenbauer/imago

BERLIN taz | Polizeigroßeinsätze, Social Media-Appelle, Law-and-Order-Forderungen: Die Länder bereiten sich auf erneute Ausschreitungen zu Silvester vor und rüsten auf. Zudem warnt Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) vor einer fortbestehenden Anschlagsgefahr auch zum Jahreswechsel.

Vor einem Jahr war es vor allem in Berlin zu Angriffen auf Polizei- und Feuerwehrkräfte gekommen – und zu einer wochenlangen Diskussion im Nachgang. Ein bundesweites Lagebild zu den Vorfällen, das Faeser angekündigt hatte, kam indes nie zustande. In diesem Jahr rechnen die Sicherheitsbehörden aber vor allem angesichts der aufgeladenen Nahostdebatte erneut mit Ausschreitungen.

So plant nicht nur die Berliner Polizei mit bis zu 2.500 Beamt*innen, 500 Bun­des­po­li­zis­t*in­nen an den Bahnhöfen, extra Staats­an­wäl­t*in­nen und vier Böllerverbotszonen ihren bisher größten Einsatz zum Jahreswechsel. Auch in Hamburg steht der größte Silvestereinsatz bevor. Mehrere Hundertschaften sollen über die Stadt verteilt werden, die bei Ausschreitungen sofort eingreifen sollen. Beide Länder sprachen zudem gezielt Jugendliche an, die zuvor mit Straftaten aufgefallen waren und veröffentlichten Social Media-Videos, in denen Polizei- und Feuerwehrkräfte appellieren, sie nicht anzugreifen.

„Ein explosives Gemisch“

In Nordrhein-Westfalen sollen bis zu 6.600 Polizeikräfte im Dienst sein – 500 mehr als im Vorjahr. Dort wird zudem auf mobile Videoüberwachung und auf den frühen Einsatz von Bodycams gesetzt. NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) sagte, die Stimmung sei durch den Nahostkonflikt schon jetzt aufgeheizt, dazu kämen alkoholisiert Feierende, „ein explosives Gemisch“.

Auch Sachsen kündigte 550 zusätzliche Polizeikräfte für Silvester an, etwa in Leipzig oder Borna, wo es vergangenes Jahr zu Randalen kam. Baden-Württemberg will ebenso mehrere hunderte zusätzliche Einsatzkräfte bereitstellen. Man werde „vorbereitet und hellwach sein“, so Innenminister Thomas Strobl (CDU). Zudem verhängten mehrere Städte wie Hannover für Teile der Innenstadt Verbote, Feuerwerkskörper mitzuführen und abzubrennen.

Jochen Kopelke, Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei, sagte der taz, man dürfe Krawalle nicht herbeireden, aber vieles spreche dafür, dass vor allem Berlin vor einer ähnlich schwierigen Silvesternacht stehe wie beim vergangenen Jahreswechsel. Das große Kräfteaufgebot und der Extra-Einsatz von Staats­an­wäl­t*in­nen sei daher richtig, „um die Treiber der Konflikte früh aus dem Verkehr zu ziehen“.

Gewerkschaft der Polizei sieht Politikversagen

Das Grundproblem aber sei, dass es in der Gesellschaft eine wachsende Gruppe gebe, für die Gewalt gegen andere „hip“ sei und Angriffe auf Polizisten oder Sanitäter das eigene Image fördere, warnte Kopelke. Hier müsse man mit konsequenten Strafen, besseren Präventionskonzepten und mehr Forschung gegensteuern. Zugelich müsse man aber auch die Frage beantworten, warum man diese Gruppen nicht mehr erreicht. „Das ist Aufgabe der Politik. Sie hat hier total versagt.“

Kopelke kritisierte die Politik zudem für eine zu geringe Bezahlung der Polizeikräfte. „Wenn man weiß, dass meine Kolleginnen und Kollegen, die in der schwierigen Silvesternacht den Kopf für andere hinhalten, für ihre langen Nachschichten mit Zulagen abgespeist werden, die seit zwanzig Jahren nicht erhöht worden sind, ist sofort klar, auch hier besteht Handlungsbedarf“, so der GdP-Vorsitzende zur taz. „Mehr Respekt gegenüber den Polizistinnen und Polizisten lassen daher nicht nur die Randalierer vermissen, sondern auch die Politiker.“

Bundesinnenministerin Faeser erklärte am Donnerstag, „gewalttätige Übergriffe gegen Menschen, die anderen das Leben retten, sind und bleiben völlig unbegreiflich“. Es gebe „eine Verrohung in unserer Gesellschaft, die uns große Sorgen machen muss“. Faeser verweis auf eine aktuelle Befragung des Feuerwehrverbands und der Gesetzlichen Unfallversicherung, laut der jede zweite Feuerwehrkraft bereits Anfeindungen erlebte. Die Sozialdemokratin forderte eine konsequente Strafverfolgung und eine breitere Solidarität mit den Einsatzkräften.

Diskutiert werden aber auch andere Maßnahme. So forderte Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) zu Silvester einen flächendeckenden Polizeieinsatz von Tasern. Burkhard Dregger von der Berliner CDU plädierte für Wasserwerfer, den Einsatz von Bodycams und Präventivgewahrsam für Personen, die zu Gewalt an Silvester aufriefen oder damit früher auffielen.

Erhöhte Anschlagsgefahr auch zu Silvester

Faeser warnte zudem vor einer fortbestehenden Anschlagsgefahr. Es bestehe eine „erhöhte Bedrohungslage“ durch islamistischen Terrorismus. Die Sicherheitsbehörden handelten „mit größter Wachsamkeit“ und tauschten sich mit internationalen Partnern aus, betonte ihre Sprecherin. „Dies gilt auch zu besonderen Ereignissen wie zu Silvester.“

Erst kurz vor Weihnachten hatten Sicherheitsbehörden den Hinweis erhalten, Islamisten könnten zu Silvester einen Anschlag auf den Kölner Dom verüben. Involviert sei der afghanische IS-Ableger „Provinz Khorasan“. Die Kathedrale wurde darauf durchsucht und für Besucher geschlossen. Gottesdienste blieben nach Kontrollen möglich.

Heiligabend wurden dann in Köln fünf Männer durchsucht, gegen einen 30-jährigen Tadschiken wurde bis zum 7. Januar ein Gewahrsam zur Gefahrenabwehr verhängt. Der Kölner Kripochef Michael Esser betonte: „Wir schöpfen alle rechtlichen Möglichkeiten aus, um die Menschen, den Dom und die bevorstehenden Silvesterfeierlichkeiten zu schützen.“ Der Kölner Dom selbst erklärte, „Sicherheit geht vor“. Die Kirche bedankte sich bei Be­su­che­r*in­nen „für Ihre Geduld, Ihre Gelassenheit und Ihren Zuspruch“. Man sei überzeugt, dass man diese „Ausnahmesituation“ gut meistern werde.

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