Putschangst in Sierra Leone: Kämpfe in der Hauptstadt Freetown

Angriffe auf die wichtigste Militärkaserne und das Zentralgefängnis erschüttern Sierra Leones Hauptstadt Freetown. Regierung verhängt Ausgangssperre.

Menschen in Militäruniformen

Lage nicht unter Kontrolle: Maskierte Bewaffnete auf einer Straße in Freetown, Sonntag 26. November Foto: Umaru Fofana / reuters

BERLIN taz | In Sierra Leone ist am Sonntag die Angst vor einem Militärputsch umgegangen. Der Grund: schweres Gewehrfeuer in der Nacht im Umfeld der wichtigsten Militärkaserne des Landes. „Unidentifizierte Individuen“ hätten in den frühen Morgenstunden versucht, in die Wilberforce Barracks in der Hauptstadt Freetown einzubrechen, gab das Informationsministerium am Vormittag bekannt. „Sie wurden alle zurückgeschlagen.“

Wenn damit alles vorbei gewesen wäre, hätte die Regierung allerdings wohl nicht gleichzeitig eine landesweite Ausgangssperre verhängt, „um den Sicherheitskräften zu ermöglichen, den Vorgang der Festsetzung der Verdächtigen fortzuführen“, wie es in der Erklärung weiter hieß. Man sei dabei, „die Überreste der flüchtigen Renegaten auszuräuchern“, erklärte Staatspräsident Julius Maada Bio wenig später.

Am Mittag leerte sich Sierra Leones Zentralgefängnis in Freetown, allgemein als Pademba Road Prison bekannt, das eigentlich für 220 Häftlinge ausgelegt ist, in dem aber zuletzt über 2.000 einsaßen. Videos zeigen, wie die Zellen geöffnet werden und später mutmaßlich Entflohene die Gefängnismauern und Straßen entlangrennen. Zu den Befreiten soll der Rapmusiker Boss La gehören, der seit 2022 unter dem Vorwurf des Diebstahls einsaß und auf seinen Prozess wartete.

Informationsminister Chernor Bah bestätigte am Nachmittag, die Sicherheitskräfte seien „im Interesse des Schutzes ziviler Menschenleben zu einem taktischen Rückzug gezwungen“ gewesen. Dies habe die Öffnung mehrerer Gefängnisse ermöglicht. „Bitte nehmen Sie zur Kenntnis, dass die SLBC (staatlicher TV/Rundfunk) nicht in Flammen steht und nicht belagert wird“, versuchte der Minister die Öffentlichkeit zu beruhigen. Es gebe Kämpfe im Stadtviertel Jui.

Die Lage in Sierra Leone ist angespannt, seit Präsident Julius Maada Bio am 24. Juni wiedergewählt wurde. Die Opposition erkannte den Sieg nicht an, forderte Neuwahlen unter der Ägide einer neuen Wahlkommission und verkündete einen Boykott des ebenfalls neugewählten Parlaments sowie der Kommunalvertretungen. Der Streit endete nach Abschluss eines international vermittelten Abkommens am 19. Oktober, das unter anderem die Einstellung jeglicher juristischen Verfolgung im Zusammenhang mit der Wahl vorsah.

Erst am 4. November war im Nachbarland Guinea das Zentralgefängnis in Conakry von Schwerbewaffneten gestürmt worden. Zahlreiche Häftlinge kamen kurzzeitig frei, darunter Ex-Diktator Dadis Camara. Der prominenteste Ausbrecher, der wegen Massakern angeklagte Ex-General Claude Pivi, ist weiter flüchtig.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.